Eröffnungen eröffnen. Deutschbauer und Spring wiederholen sich.

Servicekünstler Deutschbauer und Spring geben im Gespräch mit Gerald Raunig bereitwillig Auskunft über ihre diversen affirmativen Projekte in Wort, Schrift und Bild, betreiben Selbstexegese und Apologie, schließlich auch bezüglich ihrer Kollaboration mit Kurator-Kurator Franz Morak in dessen Reihe "Kunst gegen Gewalt"

RAUNIG Wie hat sich die Zusammenarbeit Deutschbauer/Spring entwickelt, konkret als Morak/Schüssel?

DEUTSCHBAUER Schon aus der Situation heraus, dass Morak/Schüssel eine Zeit lang in der Kulturszene nicht mehr auftreten durften, also unerwünscht waren bei Eröffnungen, und wir es bedauert haben, dass da so eine wichtige österreichische Besonderheit fehlt und das Eröffnen doch hier sehr sehr wichtig ist, haben wir beschlossen, für diese zwei Herren einzuspringen und diese Lücke zu füllen. Oder?

RAUNIG Wie hat das begonnen?

DEUTSCHBAUER Ganz der erste Auftritt, das war die gemeinsame Lektüre einer Kunstzeitschrift, deren Titel ich kaum mehr erinnere, gibt's die eigentlich noch? Frame! Und in Frame hat der Herr Pühringer Alexander ein Begrüßungsinterview mit Franz Morak gemacht, das uns beiden sehr gut gefallen hat. Und der erste Text ist deswegen auch der purste. Wir haben diesen Text eigentlich direkt aus Frame übernommen. Das einzige, was wir machen mussten, war, das Interview, das Pühringer mit Morak gemacht hatte, etwas umzudramatisieren, aber im wesentlichen haben wir es direkt aus der Kunstzeitschrift übernommen.

SPRING Wie war der Titel des Artikels noch einmal?

DEUTSCHBAUER Was?

SPRING Irgendwas mit Kommunikation?

DEUTSCHBAUER Hab ich ein Morak-Buch? Ich hab kein Morak-Buch da. Im Morak-Buch hätten wir's.

SPRING Wir hatten Glück damit, es war ein lehrreiches Beispiel zu sehen, wie wenig man verändern muss, eigentlich hauptsächlich nur weglassen. Es war der einzige Text, wo wir mit einer einzigen Quelle gearbeitet haben. Komischerweise wirkt's aber eigenartig artifiziell. Obwohl unsere eigentliche Leistung nur in Wiederholung bestanden hat und Streichung.

DEUTSCHBAUER Da haben Pühringer und Morak wirklich gut vorgearbeitet. So viel Glück hatten wir noch ein anderes Mal mit unserem Venedig-Auftritt.

SPRING Ja. DEUTSCHBAUER Da hatten wir auch einen sehr

SPRING fruchtbaren

DEUTSCHBAUER sehr fruchtbaren Text zur Verfügung.

SPRING Das war die Rede an die Nation, die Rede zur Lage der Nation

DEUTSCHBAUER von Herrn Schüssel, die er einmal im Jahr hält, und die hieß rot-weiß-rot

SPRING regieren

DEUTSCHBAUER im Interesse Österreichs,

SPRING wobei da schon wieder die Streichung eine sichtlich einfache war, weil wir einfach rot-weiß-rot negieren sagen mussten,

DEUTSCHBAUER im Interesse Österreichs.

SPRING Das ist eine grafische Verlängerung eines Buchstabens.

DEUTSCHBAUER Das r ein bisschen hinuntergezogen.

SPRING Das r hat eine Rotznase gekriegt.

RAUNIG Mir gefällt die Form der gegenseitigen Satzverlängerung.

DEUTSCHBAUER Mein kleiner Sohn liest grad Comics. Der kam zu mir und meinte: die reden genauso wie du und der Gerhard. Und zwar Tric, Trac,

SPRING Tic, Tric, Trac.

DEUTSCHBAUER Genau. Der eine beginnt einen Satz, und der zweite erweitert ihn, und der dritte vollendet ihn.

RAUNIG Wer ist der dritte?

DEUTSCHBAUER Trac?

SPRING Trac. RAUNIG Da ist also eine Stelle frei.

SPRING Ja.

RAUNIG Mit dieser Performance in der Kunsthalle hat eure Zusammenarbeit begonnen?

SPRING Ja, ein Problem hat darin bestanden, dass wir einfach z.B. Cambridge, Massazu- Cambridge, Massazu-

DEUTSCHBAUER Jetzt kannst du's nicht aussprechen.

SPRING Ich konnte es vorher. Das Problem hat einfach darin bestanden, dass wir einfach das MIT nicht aussprechen konnten. Fehler, Fehler machen, die aber nur unsere Fehler sind, keine Zitate, das passiert auch. Die schlechte Performance geht nicht auf Kosten unsrer Quellen. Morak ist sicher ein viel besserer Redner, rein optisch, akustisch, figürlich.

RAUNIG Der hat das ja auch gelernt.

SPRING Eben.

RAUNIG Ihr habt es ja nicht gelernt.

SPRING Eben.

RAUNIG Ihr habt vielleicht eher Schreiben gelernt?

SPRING Umschreiben, Abschreiben.

DEUTSCHBAUER Verschreiben.

SPRING Ich glaub, wir sollten nicht ganz die Ausstellungen vergessen, wo wir Künstler zitieren, etwa die "Sprache der Behinderung", eine einfache Transformation der "Sprache der Emigration" von Rainer Ganahl

DEUTSCHBAUER in der Galerie nächst St. Stephan

SPRING oder "Sieben Wochen in Klausur" über die WochenKlausur

DEUTSCHBAUER oder das nächste, wo wir Künstler umschreiben, oder fortsetzen eigentlich, umschreiben kann man gar nicht sagen

SPRING im Oktober

DEUTSCHBAUER im Leopold-Museum: "Wurmfortsatz", wo wir die Arbeit des Künstlers Erwin Wurm fortsetzen

SPRING bzw. seine Spätarbeit vorwegnehmen.

RAUNIG Zurück zu Schüssel-Morak.

DEUTSCHBAUER Da gab's fünfzehn Stationen, zuerst sechs Gespräche, sieben, wenn man "Peymann-Morak" dazunimmt,

SPRING und ich würd sagen, sechs Eröffnungsreden.

DEUTSCHBAUER Nein, es waren mehr, es waren acht. Ursprünglich gab's Morak plus Gesprächspartner mit Agnes Husslein, Peter Weibel, Ursula Krinzinger, Ian Hollender,

SPRING Pühringer haben wir schon erwähnt, Carl Aigner.

DEUTSCHBAUER Carl Aigner, ja, ganz wichtig.

RAUNIG War das ein Highlight?

DEUTSCHBAUER Ja, das war weniger ein Gespräch, sondern eine Folge von Eröffnungen, weil Aigner und Morak ständig zwischen Kunsthalle Krems und Landesmuseum St. Pölten pendeln mussten, um dort jeweils irgendwas zu eröffnen.

RAUNIG Um Gottes willen: pendeln mussten, heißt das, diese Quarantäne über Morak hat dann auf Carl Aigner übergegriffen?

DEUTSCHBAUER Naja, Carl Aigner ist Multidirektor, und eigentlich war Morak ja ganz schön beschäftigt mit Herrn Aigner. Man kann nicht wirklich sagen, dass er nicht genug Eröffnungsmöglichkeiten hatte. Dadurch dass man denen, die Eröffnungsmöglichkeiten geboten haben, Multifunktionen gegeben hat, gab es da genug Eröffnungen, die Franz Morak eröffnen konnte. Und wir haben ungefähr zwanzig Ausstellungen eröffnet, und sind immer wieder auf- und abgetreten. Es war unser einziger Auftritt, der ein bisschen ins Theatermäßige gegangen ist. Sonst stehen wir ja immer relativ starr mit unseren Manuskripten und lesen. Da gingen wir

SPRING auf und ab,

DEUTSCHBAUER da traten wir auf und traten wir ab und traten wir auf, einmal in St. Pölten, einmal in Krems. Wobei sich die Texte teilweise wiederholt haben, weil ja die Ausstellungen, die in der Kunsthalle gezeigt werden, vom selben Direktor auch im Landesmuseum St. Pölten eröffnet werden, und auch vom selben Kunststaatssekretär.

RAUNIG Seitdem bekommt ihr auch Angebote aus dem Theaterbereich?

SPRING Ja, in gemischten Veranstaltungen, wo wir als bildende Künstler gefragt sind, aber als bildende, die im Theater etwas machen. Aber nicht unbedingt im Haupthaus, sondern im Mittelrang, Foyer.

RAUNIG Was für eine Art Künstler seid ihr da?

SPRING Naja, bunt gesprenkelt

DEUTSCHBAUER gepixelt

SPRING bunt gepixelt.

DEUTSCHBAUER Ja, schon klass, oder?

SPRING Ja, sicher.

RAUNIG Klass?

DEUTSCHBAUER Klass ist es für uns, ja.

RAUNIG Bunte Hunde.

DEUTSCHBAUER Das ist dann auch die Schwierigkeit, ja.

SPRING Wobei das bunt Gepixelte nur die Situationen betrifft, nicht das, was wir machen. Wir arbeiten relativ einförmig, eintönig.

DEUTSCHBAUER Wir können eigentlich - wenig würde ich gar nicht sagen, aber wir können das, was wir können, und machen das überall. Ob das wie im Leopold-Museum die "Deutschbauer-Spring-Late Night Show" heißt oder "Politisch für Künstler" in der Kunsthalle oder unsere Reden, im Prinzip haben wir unser Material, an dem wir relativ starr festhalten.

RAUNIG Aber das Material hat mindestens drei Komponenten, die Text-Komponente, die Plakat-Komponente, die Performance-Komponente.

DEUTSCHBAUER Wir behandeln das relativ gleich, würde ich meinen.

SPRING Der Text macht am meisten Arbeit.

DEUTSCHBAUER Das Plakat macht am meisten Spaß,

SPRING bringt aber am wenigsten.

DEUTSCHBAUER Der Auftritt.

SPRING Der Auftritt, die Performance liegt im Geldfluss. Die Performance bringt uns ein bisschen Gage

DEUTSCHBAUER und Groupies.

SPRING Also dort, wo wir von der klassischen Sichtweise hauptsächlich agieren müssten, dort haben wir am wenigsten zu erwarten: Bei den Plakaten gibt's höchstens die Möglichkeit, die stapelweise zu verkaufen als Kunstwerk. Aber dann haben sie nicht mehr die Funktion, die den Reiz ausmacht, Material für jeden zu sein

DEUTSCHBAUER mit den Texten hinten drauf. Dadurch wird's ja auch zur Zeitung.

SPRING Fast wie bei einem barocken Gedankenbilde: Wir müssen unheimlich viel begriffliche Arbeit leisten, damit man sich dann an einem Bild erfreuen darf. Das ist das Plakat, das ist dann schön. Aber es geht selten so, dass wir nur ein Plakat machen können. Wie bei "Metzger Morak", das war wunderbar, da hat uns die Situation schon den Text geboten. Da war alles schon da, da war die Arbeit schon vollbracht,

DEUTSCHBAUER die Liste der Galerien war gegeben,

SPRING und überhaupt der ganze Kontext von "Kunst gegen Gewalt" war so reichhaltig für das Plakat: Wir stehen

DEUTSCHBAUER draußen

SPRING an einem Stand, einem Fleischerstand, einer Metzgerei, Morak ist der Metzger, der Fleischer, und er packt uns grad drei Kotelettes ein,

DEUTSCHBAUER obwohl wir Vegetarier sind.

SPRING Da hängen die ausgepreisten

DEUTSCHBAUER Fleischprodukte

SPRING herum,

DEUTSCHBAUER obwohl natürlich Metzger kein ehrenrühriger Beruf ist,

SPRING na, der Metzger verdankt ja seinen Namen schon dem Messer.

RAUNIG Wenn ich vor dem Plakat stehe, könnte ich es so interpretieren, dass Staatssekretär Morak in einem nicht ehrenrührigen Gewerbe aktiv tätig sei und seine Sache sehr gut mache.

SPRING Genau so ist es.

DEUTSCHBAUER Wir stehen draußen

SPRING und bedienen uns,

DEUTSCHBAUER lassen uns bedienen, das Staatssekretariat ist ja ein Dienstleistungsbetrieb.

SPRING Das schöne ist ja, dass das bei dieser Ausstellung grad nicht stimmt. Normal ist es ein Dienstleistungsbetrieb, in Wahrheit ist es gerade diese Ausstellung gewesen, wo sich diese Serviceleistung in eine Art inhaltliche Funktion verwandelt hat.

RAUNIG Der Politiker als Kurator,

SPRING ja, oder als Nebenkurator oder Kurator-Kurator. Diese Dopplung ist auch schön vom Namen her: Würde der Kurator Metzger nicht "Metzger" heissen, und der Morak heißt eh "Morak", das wissen wir, aber würd’ der Metzger nicht diesen schönen Namen haben, der diese Doppelfunktion von Morak so gut bringt: Metzger Morak heißt in dem Fall eben auch Kurator Morak.

DEUTSCHBAUER Es geht bei dieser ganzen Art von Verkauf, z.B. des Postbusverkaufs, immer darum, dass man sich nicht die Filetstücke herausschneiden darf, sondern man muss das ganze Ding nehmen. Metzger Morak schneidet uns wirklich, wenn ich sag’: ich möchte das Filetstück, das Filetstück heraus, und packt’s uns ein und reicht es uns über die Budel.

SPRING Es gibt halt keine reine Dienstleistung. Es wäre ja wiederum naiv zu glauben, dass die nicht filettieren. Das ist klar. So eine Ausstellung ist natürlich auch sehr dankbar, weil sie es so offenkundig zeigt, die Filettierkunst. In den Galerien wurde die Sommerpause unter ein Motto gestellt,

DEUTSCHBAUER die Sachen, die ohnehin in die Auslage gestellt worden wären, wurden das jetzt unter dem Motto "Kunst gegen Gewalt". Auch Moraks Rede war offensichtlich: Gewalt gegen Kinder, Gewalt gegen die Dritte Welt, Gewalt gegen Frauen. Es ging nicht um Polizeigewalt, es ging nicht um Staatsgewalt. Gewalt durch die Medien kam nicht vor, weil einer der Hauptsponsoren der ORF ist, Gewalt durch das Kapital kam auch nicht vor, weil einer der Hauptsponsoren die Deutsche Bank ist.

RAUNIG Aber ist es nicht so, dass auch eure Servicekunst hier auf die Spitze und zugleich über die Spitze getrieben ist, seht ihr die Gefahr der Entpolitisierung und Entkleidung von jedweder Subversion?

SPRING Ich würde das nicht bestreiten, aber ich würde eine andere Wertung vornehmen, ich würde fragen, inwiefern kann man nicht-affirmativ überhaupt so agieren, dass man sich an diesem ganzen Laden beteiligt. Der ist ja ziemlich einer, jeder holt sich sein Wurstsemmel vom Staat. Wie kann man sich also anders als affirmativ bewegen?

DEUTSCHBAUER Es ist ein affirmativer Akt zuerst mal von Morak, der quasi Kunst affirmiert in dieser ganzen Aktion.

SPRING Eine harte Gegensatzstellung, die bloße Verneinung gibt's ja eigentlich ohnehin nur als politisches Spiel. Wenn ich diese in Anspruch nehme, bediene ich mich eines Mechanismus, der eine ganz klare Funktion hat. Was man ja auch sieht bei jeder parlamentarischen Debatte: Es muss einfach ein und dasselbe Thema von beiden Seiten angegangen werden. Es ist gar nicht wichtig, wer welche Position vertritt, beide Seiten müssen vorkommen, dass die Diskussion läuft. Wenn ich nur nein sage, wird das Neinsagen auch zum affirmativen Akt. Wenn ich diese affirmative Funktion vergesse, bilde ich mir womöglich ein, ich bin nicht drinnen, ich hab meine Wurstsemmeln woanders her.

DEUTSCHBAUER Affirmation als Strategie heißt: das, was in einem solchen Projekt angeboten wird, wirklich punktgenau zu erfüllen. Die ganze Idee von "Kunst gegen Gewalt" ist so sehr affirmativ, dass man sie nur affirmativ beantworten kann, wenn man überhaupt mitmacht. Man kann natürlich auch nein sagen. RAUNIG Was war eure Gage für das Plakat von "Kunst gegen Gewalt"?

DEUTSCHBAUER 10.000 Euro. Wenn man also die ganze Morakerei von uns sieht: Am Anfang wollte er es noch verhindern, dann empfand er das als ganz normalen theatralischen Akt, dann als Ergänzung zu seinen Auftritten. Weil ihm auch gar nichts anderes übrig bleibt, wenn man jetzt dran bleibt und das solang betreibt, wie wir es jetzt betrieben haben, das Morakbuch am Morak-Schreibtisch liegen sieht und dann von ihm hört, wie klass er das findet. Morak selbst sagte, wenn er das machen würde, was wir machen, wär's viel radikaler.

SPRING Es war also so: Wir standen bei der Vernissage von "Kunst gegen Gewalt" mit einem deutschen Banker zusammen, einem Vertreter der Deutschen Bank, Morak stellte sich dazu, die sind alle Freunde, eine Frau vom ORF war dabei, alle sehr nett, alle Freunde, freundliche Atmosphäre, alle hatten was zum Trinken. Und dann kommt das Gespräch auf das Plakat, und dieser deutsche Banker war sehr direkt: Er versteht das Plakat nicht und möchte jetzt wissen, was es damit auf sich hat. Ich hab nicht so wie eben gerade vorher geantwortet, sondern quasi in medias res, sehr abstrakt: Das Plakat ist wie alle unsere Plakate. Wir versuchen immer nur, ein Vorurteil kurz aufzunehmen und in ein Bild umzuformen. Da stand Morak daneben.

DEUTSCHBAUER Er hat notiert.

SPRING Morak hat quasi mitgeschrieben. Nach etwa fünf Minuten hat er den Satz zu wiederholen begonnen: Ihr nehmt's ein Vorurteil auf und macht’s es zu einem Bild. Ja, das ist es.

DEUTSCHBAUER Er wollte dann auch gar nichts mehr hören, das hätte vielleicht auch diesen Merksatz zerstören können.

Julius Deutschbauers und Gerhard Springs Buch "Morak u.v.a." ist 2001 im selene-Verlag erschienen. Derzeit ist ein neuer Band mit Eröffnungstexten in Vorbereitung.