Verlängerung Corona-Hilfen für Kultur, NPO-Fonds muss überarbeitet werden
Die corona-bezogenen Unterstützungsfonds für den Kunst- und Kulturbereich werden verlängert. Damit ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung auch des Kunst- und Kulturbereichs gesetzt. Für gemeinnützige Kulturvereine wird die Unterstützung durch den NPO-Fonds bis Ende 2020 ausgeweitet. Damit ist eine zentrale Forderung zur - vorläufigen - Sicherung der Existenz des Sektors erfüllt, die jedoch viele Fragen offen lässt. Eine Bestandsaufnahme: Was ist fix? Was kommt? Und wo muss der NPO-Fonds repariert werden?
Über 2.500 Personen haben bislang unsere Petition unterstützt, endlich Rettungsmaßnahmen für den Kunst- und Kulturbereich zu schaffen, die das Überleben des Sektors über die kommenden Monate hinweg sichern. Eine zentrale Forderung war die Verlängerung der bestehenden Unterstützungsfonds, die nun auf Druck auch politisch beschlossen wurde (siehe Graphik oben). So sind Einreichungen zur erhöhten Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstler*innen ab sofort möglich. Im Bereich Verlängerung des NPO-Fonds - dem zentralen Instrument zur Sicherung gemeinnützig agierender Kulturorganisationen - bestehen weiterhin viele offene Fragen.
Verlängerung des NPO-Fonds bis Ende 2020
Ziel des seit Juli 2020 bestehenden NPO-Fonds ist es, die Existenz gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Betriebe so abzusichern, dass diese in der Lage sind, ihre statutengemäßen Aufgaben weiter zu erbringen - indem durch die COVID-19-Krise entstandene Einnahmenausfälle gemildert werden. Dotiert ist der Fonds mit insgesamt 700 Millionen Euro. Bislang wurden etwas über 6.000 Anträge auf Förderungen gestellt, 5.851 davon wurden positiv behandelt und bis Mitte September etwa 160 Millionen Euro an Förderungen zugesagt. Die durchschnittlich zugesagte Förderung beträgt 20.658 Euro. Auf den Kunst- und Kulturbereich entfallen etwa 15 % der Anträge, die in Summe etwa 20 Millionen Euro der bewilligten Förderungen ausmachen (so die Information in der Pressekonferenz vom 07.10.2020). Folglich wurden etwa 900 Anträge von Kulturvereinen gestellt, obwohl in Österreich Schätzungen zufolge etwa 15.000 Non-Profit-Organisationen im Bereich Kunst, Kultur und Brauchtum aktiv sind. Um den NPO-Fonds zu bewerben, hat das BMKOES eine eigene Werbe-Kampagne gestartet.
Im Rahmen einer Pressekonferenz am 07.10.2020 wurde nun eine Verlängerung des NPO-Fonds bis Ende 2020 angekündigt. „Vereine, die durch die Krise in finanzielle Nöte geraten sind, können jetzt Ausfälle bis Jahresende geltend machen und diese ersetzt bekommen“, heißt es dazu in der Presseaussendung. Der Unterstützungszeitraum wird somit ausgeweitet und deckt nun auch das 4. Quartal 2020 ab. Details zur Verlängerung – und den erforderlichen Adaptionen der Richtlinien – liegen bislang nicht vor. Weiters wurde als „möglich“ eine Neuauflage des Fonds ab Jänner 2021 in Aussicht gestellt, bei der umfassendere Änderungen der Richtlinien möglich wären. Vizekanzler Werner Kogler dazu bei der Pressekonferenz am 07.10.2020:
Was es jetzt unmittelbar braucht: Finanzielle Planungssicherheit
Aus Praxisperspektive ist entscheidend, dass die Richtlinien für das 4. Quartal (1. Oktober – 31. Dezember 2020) möglichst schnell erarbeitet und veröffentlicht werden. Kulturvereine brauchen jetzt Klarheit, welche Kosten für den bereits laufenden (!) Betrieb ersetzt werden und welche nicht, beispielsweise:
- Werden COVID-19 Testungen der Mitarbeiter*innen und künstlerischen Teams als betriebsnotwendige COVID-19 Aufwendungen im Herbst ersetzt oder nicht?
- Werden frustrierte Aufwendungen für Veranstaltungen im Herbst, die aufgrund der neuen, kurzfristig erlassenen Maßnahmen nicht bzw. nicht in geplanter Form stattfinden können, erstattet?
- Wird der Struktursicherungsbeitrag aliquot auf das 4. Quartal ausgeweitet, sprich prozentuell entsprechend erhöht?
- Wird die Deckelung der maximalen Unterstützung durch den NPO-Fonds angepasst, um tatsächlich anfallende Kosten auch im 4. Quartal zu berücksichtigen? Oder bleibt die aktuelle Regelung bestehen, die dazu führen würde, dass für viele Vereine die Verlängerung auf das 4. Quartal irrelevant ist, da sie die maximale Unterstützung bereits ausgeschöpft haben und nun anfallende Fixkosten und Mehraufwendungen, etwa für COVID-19 Testungen, nicht unterstützt werden?
Ebenso brauchen Kulturvereine Klarheit, ob sie nun zwei Mal beantragen müssen (nach aktuellen Richtlinien und nach den neuen Richtlinien für das 4. Quartal) oder ob sie für den gesamten Unterstützungszeitraum einen Antrag einreichen können, wodurch der bürokratische Aufwand und die damit verbundene Kosten für Antragstellende, involvierte Steuer/Wirtschaftsprüfer*innen und abwickelnde Behörden erheblich reduziert würde.
Was es grundsätzlich braucht: Reparatur der NPO-Fondsrichtlinien
Die tagtägliche Beratungspraxis der IG Kultur zeigt, dass grundsätzlich dringender Verbesserungsbedarf bei den Richtlinien besteht, um das Ziel des NPO-Fonds – die Existenz und die Tätigkeit von Kulturvereine über die Krise hinweg zu sichern – zu erreichen:
- Die Berechnung des Einnahmenausfalls muss überarbeitet werden.
Aktuell ist ausschließlich der Zeitpunkt des Zuflusses für die Berechnung der Einnahmen entscheidend. Ob Einnahmen für einen bestimmten Zeitraum oder einen Zweck gewidmet sind, bleibt unberücksichtigt. Dies führt dazu, dass Kulturinitiativen „am Papier“ Einnahmen haben, die die Unterstützungshöhe durch den NPO-Fonds reduzieren, obwohl sie über diese Einnahmen nicht frei verfügen können. Die Richtlinien des NPO-Fonds unterstellen aber, dass jede Einnahme beliebig eingesetzt und laufende Kosten zur Aufrechterhaltung des Betriebs damit gedeckt werden können – in der Realität würde die Verwendung der Mittel für den laufenden Betrieb jedoch häufig dazu führen, dass Einnahmen/Förderungen rückerstattet werden müssen, weil sie dann eben nicht zweckgewidmet eingesetzt würden.
Erhält etwa eine Kultureinrichtung eine Förderung für eine Anschaffung, so müssen diese Mittel zweckgebunden für die Anschaffung verwendet werden und dürfen nicht für laufende Betriebskosten eingesetzt werden. Hat ein Kulturverein 2020 eine Förderung für ein Projekt erhalten, dessen Durchführung coronabedingt in das Jahr 2021 verschoben werden musste, so zählt auch dies am Papier als Einnahme 2020, obwohl die Mittel zweckgewidmet für die Realisierung des Projekt 2021 vorgehalten werden müssen.
Besonders ärgerlich ist die Situation für alle Kulturvereine, die Ticketerlöse auf Basis der gesetzlichen Gutscheinlösung nicht rückerstattet haben, sondern für zukünftige Veranstaltungen gutgeschrieben haben. Die eingenommenen Ticketentgelte zählen ebenso als Einnahme 2020, die die mögliche Unterstützung durch den NPO-Fonds reduziert, obwohl die Einnahmen zukünftig fehlen werden – ohne Chance auf Kompensation zu diesem späteren Zeitpunkt. Noch bitterer ist es für all jene Kulturvereine, deren Fortbestehen durch Spenden oder den Erwerb von Kulturgutscheinen durch Privatpersonen gesichert wurde. Auch diese Spenden zählen als reguläre Einnahmen und reduzieren die mögliche Unterstützung durch den NPO-Fonds: Privatpersonen springen damit für den Staat ein, dessen Unterstützung sich um diese privaten Unterstützungsleistungen reduziert.
- Personalmehrkosten müssen anerkannt werden.
Aufbau und Richtlinien des NPO-Fonds orientieren sich augenscheinlich an jenem des Fixkostenzuschuss – also jenem Unterstützungsfonds, der gewinnorientierte Betriebe über die Krise hinweg unterstützen soll. Jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: während beim Fixkostenzuschuss sehr wohl Personalkosten gefördert werden, sind beim NPO-Fonds Personalkosten grundsätzlich ausgeschlossen. Dies verkennt die Tatsache, dass sehr viele Kultureinrichtungen gemeinnützig organisiert sind und vor denselben Herausforderungen wie gewinnorientierte Unternehmen stehen: Auch gemeinnützig Kulturbetriebe müssen erhebliche Personalressourcen in krisenbedingte Stornierungen, Umbuchungen und Umplanungen von Veranstaltungen investieren. Auch gemeinnützige Kulturbetriebe sollten in der Lage sein, weiterhin einen angemessenen „Unternehmer*innen-Lohn“ zu zahlen, so wie es bei gewinnorientierten Betrieben möglich ist.
Seitens der Politik wird ins Treffen geführt, dass es statt Personalkosten beim NPO-Fonds den Struktursicherungsbeitrag in Höhe von 7% der Jahreseinnahmen 2019 gibt, der beliebig eingesetzt werden kann. Wer jedoch die Finanzrealitäten von Kulturbetrieben kennt – unabhängig ob diese gemeinnützig oder gewinnorientiert agieren – dem*der dürfte klar sein, dass Personalkosten einen weit höheren Kostenanteil ausmachen als 7%. Für Vereine, die überwiegend auf ehrenamtlicher Basis mit Freiwilligen agieren, ist der Struktursicherungsbeitrag eine sinnvolle Maßnahme. All jene Kulturbetriebe, die auf gemeinnütziger Basis einen professionellen Kulturbetrieb mit entsprechendem Personalbedarf versuchen durch die Krise zu führen, wird die „Orientierung am Allgemeinwohl“ als gemeinnütziger Betrieb nun zum Fallstrick, da Personalkosten vom NPO-Fonds grundsätzlich nicht anerkannt werden. Das Faktum, dass Kurzarbeit für viele Kultureinrichtungen nicht in Frage kommt, da der Personalaufwand unvermindert gegeben ist bzw. durch erforderlich Umplanungen sogar steigt, bleibt ebenso unberücksichtigt.
- Berücksichtigung biennal stattfindender Kulturveranstaltungen
Schließlich sei auch noch auf die Situation biennaler Kulturveranstaltungen verwiesen, wie etwa Festivals, die alle zwei Jahre stattfinden. Sie werden in den aktuellen Richtlinien systematisch benachteiligt, da für die Berechnung nicht das relevante Referenzjahr herangezogen wird, sondern der Durchschnitt der Einnahmen 2018 und 2019. In Konsequenz ist ihr Einnahmenausfall und damit die maximale Unterstützungshöhe 50% niedriger, als er in Realität ist.
Angesichts der bisherigen medialen Ankündigung gehen wir davon aus, dass diese notwendigen Anpassungen bei der Verlängerung des NPO-Fonds auf das 4. Quartal 2020 noch nicht realisiert werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese notwendigen Anpassungen der Fonds-Richtlinien realisiert werden.