Creative Europe? Die Vermarktung der Kultur?
<p>2014 beginnt die Laufzeit des neuen Kulturprogramms der Europäischen Union „Creative Europe“, das bis 2020 in Kraft sein wird. Dabei kommt es zu wesentlichen Neuerungen: Einerseits werden die Programme „KULTUR“ und „MEDIA/MEDIA Mundus“ zusammengelegt und ein neuer Garantiefonds für kulturelle Großprojekte wie Film in Kooperation mit dem Bankensektor eingerichtet, andererseits ändern sich die inhaltlichen Ziele signifikant: Stand bisher die europäische
2014 beginnt die Laufzeit des neuen Kulturprogramms der Europäischen Union „Creative Europe“, das bis 2020 in Kraft sein wird. Dabei kommt es zu wesentlichen Neuerungen: Einerseits werden die Programme „KULTUR“ und „MEDIA/MEDIA Mundus“ zusammengelegt und ein neuer Garantiefonds für kulturelle Großprojekte wie Film in Kooperation mit dem Bankensektor eingerichtet, andererseits ändern sich die inhaltlichen Ziele signifikant: Stand bisher die europäische Integration im Vordergrund, so geht es nun mehr um „intelligentes Wachstum“ zugunsten der wirtschaftlichen Ziele im Rahmen der Europa2020-Strategie.
Die Neuerungen betreffen vorwiegend den Geltungsbereich des ehemaligen KULTUR-Programms, das Filmfördersystem bleibt weitgehend unverändert. Im Kulturbereich sind der Vertrieb und die Vermarktung kultureller Inhalte ins Zentrum gerückt, die Produktionsförderung wird nun gänzlich auf die nationale Ebene verlagert. Dagegen öffnet sich das Kulturförderprogramm dezidiert dem profitorientierten Bereich, indem die Kultur- und Kreativindustrien erstmals als potenzielle FördernehmerInnen angesprochen sind. Die Entwicklung neuer Businessmodelle für den Vertrieb kultureller Inhalte ist zum Hauptziel des Programms geworden.
An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob die europäische Kulturförderung zur Kampfkassa mainstreamorientierter Unterhaltungsindustrien verkommt oder ob es möglich sein wird, die kulturelle Vielfalt zu behalten und weiterhin zu fördern. Angesichts der Passivität, mit der sich die Europäische Kommission von den Lobbys der Contentindustrien vor sich hier treiben lässt (Verlängerung der Schutzfristen, Agieren in den ACTA-Verhandlungen), scheint es fraglich, wie es in einem immer restriktiveren Umfeld tatsächlich möglich sein soll, die allseits gewünschten, neuen digitalen Vertriebsmodelle zu entwickeln.
Die Wirkung des Kulturprogramms als Mainstreamverstärker oder Unterstützung besonders regionaler Kulturarbeit wird auch von der Zugänglichkeit abhängen - die angekündigte Einrichtung einer Schiene für Kleinprojekte innerhalb des Kulturprogramms wäre begrüßenswert, steht aber offen, ebenso wie die Öffnung der Struktur- und Regionalfonds für den Kulturbereich. Welcher Art die Unterstützung der immer komplexeren Anträge für diese Förderlinien sein wird, darauf darf man noch gespannt sein.
„Creative Europe“ könnte neue Kooperationen zwischen künstlerischen und kreativwirtschaftlichen Sektoren anstoßen und böte Chancen für beide Seiten, den herrschenden Stillstand aufzubrechen. Die Voraussetzung dafür sind aber eine klare kulturpolitische Zielsetzungen – und genau diese sind angesichts der aktuellen Führungsschwäche der österreichischen Kulturpolitik nicht in Sicht. Europäische Förderprogramme sind als Instrument zu sehen, um kulturelle Entwicklungen voranzutreiben – die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es eine Vision gibt, die dann auch umgesetzt wird. Es steht zu befürchten, dass mit EU-Geldern die Verkrustung kommerzialisiert wird. Intelligentes Wachstum findet woanders statt.
AUSZUG AUS DEM PROTOKOLL DES EU-UNTERAUSSCHUSSES:
Kunst und Kultur kann sich selbstbewusst ökonomischer Debatte stellen
In der Diskussion zu den Vorlagen der EU-Kulturförderprogramme betonte Bundesministerin Claudia Schmied, der Kultursektor dürfe nicht dem Zwang einer ökonomischen Begründbarkeit unterworfen sein, für deren Berechtigung dürfe keinesfalls die Betriebswirtschaft herangezogen werden. Kunst und Kultur bräuchten aber die ökonomische Debatte nicht zu scheuen, immerhin sichere dieser Sektor eine Vielzahl von Arbeitsplätzen und habe damit eine bedeutende Position in der Wertschöpfungskette, wie sich am Beispiel der österreichischen Bundestheater und -museen zeige. Sie reagierte damit auf die Kritik des Abgeordneten Wolfgang Zinggl (G), der befürchtete, mit den EU-Programmen würde die Kultur der Wirtschaft "untergeordnet".
Laut Zinggl dürfe die EU nicht den Wettbewerb um die besten Kulturprojekte zwischen den Mitgliedsstaaten forcieren. Überlegungen zur Höhe des Rückflusses der in die Programme eingezahlten Mittel seien zudem der falsche Zugang zur Kultur, bekundete der G-Mandatar seinen Unmut. Angesichts der prekären Lage vieler KünstlerInnen speziell in Ostereuropa sei die EU vielmehr in der Pflicht, zu helfen.
Schmied betonte demgegenüber, die EU wolle dem Bereich "Kultur" jene Bedeutung in der Europapolitik verschaffen, die ihm zustünde. Kunst und Kultur würden mit den Förderprogrammen nun als "selbstbestimmte" Politikfelder in der EU wahrgenommen. Nur durch eine gesicherte Finanzierung, unterstrich Schmied, sei erfolgreiches Kulturschaffen möglich.
In Zukunft sollen Synergien im Kultur- und Kreativbereich stärker genützt und unter den Dachprogrammen "Europa für Bürgerinnen und Bürger" sowie "Kreatives Europa 2014-2020" zusammengefasst werden. Die Programme zielen auf die Förderung interkultureller Projekte wie Städtepartnerschaften beziehungsweise von Kultur- und Medieninitiativen ab.
Mit dem Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger", das 2013 ausläuft und in der Periode 2014-2020 weitergeführt werden soll, will die Union unter anderem das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für die gemeinsame Vergangenheit und die gemeinsamen Werte sowie für die Ziele der EU schärfen. Zudem beabsichtigt die Kommission, das demokratische und zivilgesellschaftliche Engagement der BürgerInnen zu stärken und sieht vor allem die Jugend als Zielgruppe, wie Schmied betonte. Die Projektergebnisse werden analysiert, publiziert und valorisiert. Eine klare Abwicklungsstruktur der Finanzierung und ausreichend Mitspracherecht der Mitgliedsstaaten bei den grenzüberschreitenden Projekten sind Schmied zufolge bedeutende Punkte der österreichischen Verhandlungshaltung zu den Programmen.
"Kreatives Europa 2014-2020" ist auf die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kultur- und Kreativsektors in Europa fokussiert. Die Absicherung des Budgets nannte Schmied auch hier als wichtige Komponente zur Förderung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt in den EU-Mitgliedsländern. Die bestehenden Programme "Kultur", "MEDIA" und "MEDIA Mundus" werden im neuen Verordnungsvorschlag unter einem Dach zusammengefasst, zugleich wird ein Garantiefonds geschaffen, der für einen vereinfachten Zugang zu den Darlehen sorgen soll. Zur Stärkung der Finanzkraft der Kultur- und Kreativbranchen wäre es auch angeraten, Aktivitäten im Bereich Kunst und Kultur zusätzlich in den Europäischen Strukturfonds für Regionale Entwicklung aufzunehmen, schlug die Bundesministerin vor. Dadurch könnten etwa Projekte aus den Bundesländern zusätzliche Mittel erhalten, sie führe bereits Gespräche mit den EU-Institutionen zur Co-Finanzierung regionaler Kulturprojekte durch den Strukturfonds, erklärte Schmied.
Österreich habe sich an den bisherigen Programmen mit großem Erfolg beteiligt, informierte die Ministerin. So waren beispielsweise aus dem Programm "Kultur" im Jahr 2011 460%, aus dem Programm "MEDIA" 100% der Fördermittel an Österreich zurückgeflossen.
Bezugnehmend auf das Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger" zeigte sich Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) überzeugt, dass ein besseres Verständnis der europäischen Länder für die Geschichte der jeweils anderen auch zu einer verbesserten Zusammenarbeit führt. Außerdem begrüßte die V-Mandatarin die geplanten vereinfachten Verwaltungsstrukturen der Förderprogramme. Gerade die Hochkultur sei ein "riesiger Wirtschaftszweig" in Österreich, der klar mit dem wirtschaftlichen Wachstum des Landes zusammenhänge. Mit seinen "Spitzenleistungen" in Kunst und Kultur, bekräftigte Cortolezis-Schlager, belege Österreich seine Berechtigung des Rufs einer "Kunst- und Kulturnation".
Abgeordnete Elisabeth Hakel (S) zeigte sich erfreut, dass die Kreativwirtschaft in den EU-Programmen mit dem Bereich Kunst und Kultur gleichgestellt wird. Dadurch ergebe sich ein wertvoller "Brückenschlag" zwischen diesen Feldern. Besonderes Augenmerk richtete Hakel auf kulturschaffende Mikro- und Einpersonenunternehmen, die nun ebenfalls von EU-Förderungen profitieren könnten. Die Frage der S-Mandatarin, ob gewährleistet sei, dass durch Kreditgarantien alle Forderungen der Kreativwirtschaft erfüllt würden, beantwortete Kulturministerin Schmied mit der noch laufenden Ausarbeitung der finanziellen Abwicklungsmodalitäten. So sei es etwa bislang nicht geklärt, bis zu welcher Größenordnung sich Banken zur Kreditvergabe bereit erklären würden.
Subventionen müssten nicht immer "segensreich" sein, stellte Abgeordneter Johannes Hübner (F) fest und wies auf das "endenwollende" Budget hin, das für Kulturförderungen zur Verfügung stehe. Er bezweifle daher, ob es auf EU-Ebene eine neue Bürokratie zur "Subventionsverteilung" brauche, so Hübner. Österreich solle die Förderungen mit den vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser selbst übernehmen. Außerdem bemängelte der F-Mandatar, dass durch die Rückzahlungen an Österreich ja nur bereits vorab an die EU gezahlte Gelder zurückkämen.
Quelle: Protokoll der EU-Unterausschusssitzung des Nationalrates vom 17. April 2012 http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2012/PK0301/index.shtml