Internationale Entwicklungen und nationale Perspektiven: Kulturpolitik für sozialen Zusammenhalt, Gesundheit & Wohlergehen

Die Politik beschäftigt sich mit der Frage, wie Politik kulturelle Institutionen unterstützen kann, um partnerschaftlich mit den Sektoren der Gesundheit, Soziales und auch der Justiz zusammenzuarbeiten kann. Ein Überblick über Perspektiven und Entwicklungen.

EU-Expert_innen-Gruppe Kultur und soziale Inklusion 

Im Rahmen des EU-Arbeitsplans für Kultur 2015-2018 wurde auf österreichische Initiative ab 2017 eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission mit dem Thema Kultur und soziale Inklusion befasst. Im Fokus der Auseinandersetzung stand die Frage, wie Politik kulturelle Institutionen unterstützen kann, um partnerschaftlich mit anderen Sektoren (Gesundheit, Soziales, Justiz/Gefängnisse) zusammenzuarbeiten. Expert_innen aus 24 Ländern tauschten sich zwei Jahre lang intensiv zum Thema aus und legten einen Bericht mit dem Titel „From social inclusion to social cohesion – the role of culture policy / Von sozialer Inklusion zu sozialem Zusammenhalt – die Rolle von Kulturpolitik“ vor. 

Soziale Inklusion im Zusammenhang mit Kultur zeigt sich thematisch als sehr großer Bereich mit vielfältigen Zusammenhängen. Für den EU-Expert_innen-Bericht wurden viele Gesellschaftsbereiche und Einflussfaktoren sozialer Ausgrenzung identifiziert: Ökonomie/Soziales, Bildung, ethnische Zugehörigkeit, Alterskohorten, Gesundheit, Stadt/Land, Gendergerechtigkeit, etc., sowie zahlreiche Studien und Best Practice Beispiele in der Verknüpfung mit dem Kunst-/Kulturbereich, die soziale Inklusion stärken, analysiert. Die identifizierten Initiativen waren häufig punktuell und oft von der aufwändigen Suche nach Finanzierung aus unterschiedlichsten Ressorts begleitet. Nur wenigen österreichischen Initiativen etwa gelingt es, finanzielle Nachhaltigkeit zu erreichen; ähnlich stellt sich das Bild in anderen europäischen Ländern dar. Darauf reagierend, erfolgte durch die EU-Expert_innen-Gruppe die Empfehlung, Budgets klar für Kulturaktivitäten, die sozialer Inklusion dienen, zu widmen und in allen Politikbereichen dafür Förderzugang zu schaffen. Denn der Kulturförderbereich alleine kann die Herausforderungen und Chancen, die sich durch inklusive Kulturzugänge eröffnen, finanziell nicht bewältigen.
 

… der Kulturförderbereich alleine kann die Herausforderungen und Chancen, die sich durch inklusive Kulturzugänge eröffnen, finanziell nicht bewältigen.


Also nicht nur in den Kulturbudgets, sondern auch in den Budgets der anderen Politikbereiche (Bildung und Unterricht, Justiz, Soziales, Gesundheit, ...) sollten klar gewidmete Budgets für soziale Inklusion befördernde Projekte ausgelobt und damit nachhaltige Möglichkeiten für Initiativen aus dem Kunst- und Kulturbereich eröffnet werden. Hand in Hand geht diese Empfehlung mit jener, die Nachhaltigkeit der Initiativen von „Kultur für soziale Inklusion“ durch Langzeitfinanzierung, durch längerfristige Zusammenarbeit mit Partner_innen aus anderen Bereichen und durch gemischte Finanzierungsmodelle zu stärken. 

Im EU-Expert_innen-Bericht wurden generelle Empfehlungen für lokales, regionales, nationales und europaweites praktisches und politisches Tun zur Erreichung sozialer Inklusion und nachhaltigen sozialen Zusammenhalts entwickelt. Ausgangspunkt dafür waren fünf Felder der Annäherung:

  • Kultur für, durch und mit von Exklusion gefährdeten Menschen,
  • städtische und ländliche Gemeinschaften,
  • Kulturerbe, 
  • Bildung und
  • Gesundheit/Well-Being. 

Eine zentrale Empfehlung lautet „act early“ – handle früh in Bezug auf die Rolle von Kultur für vorbeugende Inklusionsmaßnahmen. Besonders der Bildungsbereich erscheint als wichtiger und relativ früh greifender Ansatzbereich, sozialer Exklusion entgegenzuwirken und sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft herzustellen. Kulturelle Inklusions-Arbeit, nicht nur in Schulen, hat in diesem Zusammenhang große Relevanz. Ein österreichisches Best-Practice-Beispiel ist etwa das mehrfach evaluierte Projekt Macht|Schule|Theater, in dessen Zentrum Gewaltprävention stand. Selbsterarbeitete Meinungspositionen können relativ rasche und nachhaltige Haltungs- und Handlungsänderungen bewirken, die auch im Gesundheitsbereich präventiv wirken und individuelles Wohlergehen stärken

Die Empfehlungen der EU-Expert_innen zur Stärkung der sozialen Kohäsion durch Kunst und Kultur wurden mit der Setzung des Schwerpunktthemas „Beitrag von Kultur zum Zusammenhalt in der Gesellschaft“ bereits 2018 in den Arbeitsplan für Kultur 2019-2022 aufgenommen. Zur vertiefenden Auseinandersetzung soll eine neue EU-Expert_innengruppe eingesetzt werden. 

 

Sozialer Zusammenhalt 

Der Begriff „soziale Inklusion“ erwies sich in der Diskussion als sperrig: Inklusion bzw. Einbezug in was? Was ist die Norm und von wem kommt sie? Führt die explizite Referenz auf Inklusion innerhalb spezifischer Kontexte selbst zu Stigmatisierungen? Der begriffliche Gegenpol – soziale Exklusion als ein sozialer Prozess in dem die „Mehrheit“ jemanden ausschließt – erwies sich als deutlich leichter fassbar. 

Soziale Exklusion findet auf unterschiedlichen Ebenen statt, kann Individuen zu verschiedenen Zeiten und auch mehrfach betreffen. Sie ist, wie Individualität, fließend, also kein statisch gleichbleibender Zustand. Soziale Ausgrenzung hängt häufig mit Armut zusammen (113 Millionen Europäer_innen sind von sozialem Ausschluss bedroht, 15 % der Europäer_innen leiden unter materiellem Mangel). Eine von elf Prioritäten der Kohäsionspolitik der EU im Zeitraum 2014-2020 betraf die soziale Eingliederung sowie Bekämpfung von Armut und Diskriminierung. Soziale Ausgrenzung, etwa durch Armut, kann bereits bei der Geburt einsetzen und wirkt sich nachhaltig negativ auf das Leben von Individuen aus.Armut, aber auch körperliche Behinderung, Erkrankung, die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, (Alters-)Einsamkeit sind neben vielen anderen Faktoren mögliche Ursachen für soziale Exklusion, die häufig mit sozialen Normen in Zusammenhang stehen. 

Sozialer Ausschluss bringt Ausschluss von kultureller Teilhabe mit sich und richtet sich gegen das Recht auf kulturelle Teilhabe in Artikel 27 der Menschenrechts-Deklaration der Vereinten Nationen: „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.“ 

Soziale Teilhabe tut Menschen gut. Dies gilt für passive Kunstteilhabe ebenso wie für aktive individuelle Kulturteilnahme, die die positive Wirkung in vielerlei Hinsicht verstärken kann. 

„Die transformative Kraft von Kunst und Kultur liegt in der Natur der ästhetischen Erfahrung, die kognitive Fähigkeiten mit Sinn und Emotionen verbindet und Plattformen schafft, die reich an Lern-, Reflexions-, Experimentier- und Komplexitätspotential sind.  Künstlerische und kulturelle Praktiken können Erfahrungen von zwangloser, konstruktiver Bedeutungsgebung und Empowerment bieten, die dazu beitragen können, ein breites Spektrum von Menschenrechtszielen zu erreichen". (Bennoune, Karima/United Nations (2018): Report of the Special Rapporteur in the field of cultural rights)

Kunst und Kultur wirken auf mehreren Ebenen inklusiv. Sozialer Ausschluss betrifft nicht nur individuell, er wirkt sich auch stark negativ auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus. Aktuell zeigt sich die soziale Kohäsion der Gesellschaft, nicht nur in weiten Teilen Europas, als stark geschwächt. Das hohe Potenzial von Kultur als „Klebstoff“ für den Zusammenhalt einer Gesellschaft verdeutlicht eine Eurobarometer-Umfrage (Juni 2019) in den EU-Ländern: Ihr zufolge ist Kultur (zu 28 %) am stärksten in der Lage, ein Gemeinschaftsgefühl unter den Europäer_innen zu erzeugen. 

 

UN AGENDA 2030 für nachhaltige Entwicklung 

Kunst und Kultur erweisen sich als wichtige Schnittstellen für die Erreichung der Ziele der UN Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Im Zusammenhang mit sozialer Inklusion hat Kultur Relevanz und Lösungsmodelle für viele der Ziele der UN Agenda 2030 anzubieten. 

UN Agenda 2030: Globale Entwicklungsziele

  • Ziel 1 – WENIGER ARMUT:
    hier speziell im Kontext der Schaffung des Zugangs zu kultureller Teilhabe
     
  • Ziel 3 - GESUNDHEIT UND WOHLERGEHEN:
    Zum Ziel gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern können Kunst und Kultur generell und präventiv viel beitragen.
     
  • Ziel 4 – HOCHWERTIGE BILDUNG:
    Kunst zeigt sich auch hier als wichtiger Schlüssel für hochwertige, gleichberechtigte, inklusive und nachhaltige Zugänge zu lebenslangem Lernen.
     
  • Ziel 5 – GECHLECHTERGLEICHSTELLUNG:
    findet in Kunst ein Ausdrucksmittel das Haltungsänderungen bewirken kann … der Kunst- und Kulturbereich selbst hat hier bezüglich gelebter Inklusion noch stark aufzuholen
     
  • Ziel 8 - MENSCHENWÜRDIGE ARBEIT UND WIRTSCHAFTSWACHSTUM:
    Unterpunkt 8.5 spezifiziert: Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen. Hier ist im Kunst- und Kulturbereich selbst hinsichtlich der prekären Situation der im Bereich arbeitenden Menschen, aber auch hinsichtlich des Einbezugs von durch Exklusion gefährdete Gruppen noch einiges zu tun. Andererseits gibt es punktuell hervorragende Best-Practice-Beispiele von partizipativen Kulturprojekten, die Individuen gute Hilfestellungen zur sozialen Inklusion durch Arbeit geben oder auch Modelle für Wirtschaftsunternehmen für verbessertes Arbeitsklima anbieten. Der Kulturbereich bringt sich in Österreich auch finanziell stark in den Wirtschaftsbereich ein, indem er durch die Aufrechterhaltung und Bespielung des Kulturerbes den Tourismus stärkt. 
     
  • Ziel 10 - WENIGER UNGLEICHHEIT:
    Hier wirkt sich kulturelle Praxis vor allem auf Unterpunkt 10.2 aus: Bis 2030 alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, Ethnizität, Herkunft, Religion oder wirtschaftlichem oder sonstigem Status zu Selbstbestimmung befähigen und ihre soziale, wirtschaftliche und politische Inklusion fördern. 
     
  • Ziel 11 – NACHHALTIGE STÄDTE UND GEMEINDEN:
    Kultur, speziell Architektur kann hier gemeinökonomisch, partizipatorisch und inklusiv geplant einen wichtigen Beitrag leisten.

Wünschenswert ist, dass Kunst und Kultur in Österreich zukünftig durch einen breiteren, holistischeren Ansatz für die Erreichung der Ziele der Agenda 2030 eingesetzt werden. Armuts-, gesundheits- und geschlechtersensible Entwicklungsstrategien ermöglichen eine bessere und nachhaltige Erreichung der Ziele, wenn sie politikfeld-übergreifend entwickelt werden und etwa in Form von gemeinsam entworfenen und dotierten Pilotprojekten die Schnittstelle Kultur klug zu nutzen wissen.

Ein klares Ergebnis des EU-Expert_innen-Berichts ist, dass sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene soziale Inklusion realisierbar ist und Kunst und Kultur dabei in vielerlei Hinsicht unterstützend wirken. 

 

Gesundheit & Wohlergehen 

Die sozialen Determinanten der Gesundheit werden von allen Sektoren beeinflusst, so auch von Kunst und Kultur. Kunst und Kultur werden, vor dem Hintergrund eines hohen Anteils an chronischen Erkrankungen, zunehmend als wichtige Faktoren hinsichtlich der Verbesserung des individuellen Wohlergehens, aber auch für die Gesundheitsvorsorge und als therapeutische Alternativen anerkannt. Das unterstreichen Evaluierungen – vor allem im anglo-amerikanischen Raum – , eine Vielzahl dokumentierter Ergebnisse internationaler Praxisbeispiele (Kunst auf Verschreibung, Kunsttherapie, partizipative Kunstprogramme, Kunst in der medizinischen Ausbildung ...), aber auch politische Maßnahmen und Strategien einiger EU-Mitgliedsstaaten. 

Der Aufbau und die Aufrechterhaltung von langfristigen Partnerschaften wird durch die EU-Expert_innen-Gruppe als wichtiger Faktor für die Sicherstellung erfolgreicher Arbeit in diesem Bereich angesehen. Denn: Ungeachtet der vielen Fälle bewährter Praxis in diesem Bereich ist die Arbeit häufig wenig nachhaltig, wenn sie nicht durch gute Arbeitspartnerschaften, ein langfristiges Engagement und die Bereitstellung angemessener Ressourcen gestützt wird. 

Durch das Verfolgen eines transversalen Ansatzes für Kultur, Gesundheit, Wohlergehen und sozialen Zusammenhalt ergibt sich auf regionaler, nationaler und EU-Ebene jedenfalls politisch ein großes Potenzial – etwa durch mögliche Einsparungen im medizinischen Bereich. Der britische „Creative Health Report“, herausgegeben im Jahr 2017, geht davon aus, dass Kunst auf Verschreibung bei Anwendung in ganz Großbritannien die Besuche bei Allgemeinmediziner_innen um 37 % und Klinikaufnahmen um 27 % reduzieren würde. Als „return of investment“ wird für Kunst auf Verschreibung das Siebenfache der eingesetzten Mittel angenommen. 

Ab Juli 2019 wurde im englischen Gesundheitssystem unter dem Programmtitel Personalised Care Social Prescribing/Soziale Verschreibung national umgesetzt. Das vorerst auf fünf Jahre ausgelegte Programm zielt darauf ab, die Art der Behandlung als Patient_in selbst mitzubestimmen, also auf individuelle Bedürfnisse und Vorlieben einzugehen.  Unter einem Whole-System-Approach mit Krankenhäusern, Sozialarbeiter_innen und den Communities kann das Programm lokal mitgestaltet werden. Eines der Ziele ist die Reduktion der Arzt-/Ärztinnenbesuche bei Allgemeinmediziner_innen um 40 %.  In Schottland ist die nationale Glücksspielabteilung bereit, Soziale Verschreibung voll zu finanzieren; in Wales findet derzeit ein Bedarfs-Mapping zu Sozialer Verschreibung statt.

Die Notwendigkeit von Evaluierungen und Studien mit möglichst vergleichbarem Design verdeutlicht eine 2019 in England veröffentlichte Metastudie The impact of social prescribing services on service users: a systematic review of the evidence empfiehlt: Die englischsprachigen Studien zeigen eine gemischte Evidenzbasis. Einige Studien beschreiben Verbesserungen von Gesundheit und Well-Being, gesundheitsbezogenem Verhalten, Selbstkonzepten, Gefühlen und einem „täglichen Funktionieren“ nach sozialer Verschreibung, andere fanden keine klinisch nachweisbaren Verbesserungen. Die Metastudie empfiehlt für die künftige Einschätzung des Erfolgs von Sozialer Verschreibung daher mehr qualitativ hochwertige und miteinander vergleichbare Evaluationen, welche mit einbeziehen, wann, durch wen, für wen, wie gut und mit welchem ökonomischen Ergebnis Soziale Verschreibung durchgeführt wurde.

 

Empfehlungen der EU-Expert_innen-Gruppe 

Identifizierte Erfolgsfaktoren für den Bereich Gesundheit und Wohlergehen generell: 

  • Früh einsetzendes, vorbeugendes Handeln – „act early“
  • Sicherstellung sektorübergreifender Zusammenarbeit;
  • Führung und Engagement zeigen – auf Regierungs-, Ministeriums- und institutioneller Ebene;
  • Initiativen klar definieren hinsichtlich der Rollen der Stakeholder_innen und deren Einbeziehung;
  • Fachwissen und Erfahrung der zentralen Institutionen und Expert_innen auf lokaler Ebene anerkennen und einbinden;
  • Starke Kopplung zur wissenschaftlichen Forschung, um die Ergebnisse zu festigen und zuverlässige Nachweise bereitzustellen; 
     

Empfehlungen an politische Entscheidungsträger_innen auf lokaler, regionaler, nationaler und EU-Ebene: 

  • Einen transversalen Ansatz für Kultur, Gesundheit, Wohlergehen und sozialen Zusammenhalt verfolgen die sektorübergreifende Koordination auf nationaler Ebene mit verschiedenen Regierungsstellen fördern; 
  • Klar gewidmete finanzielle Ressourcen für die Erprobung eines interdisziplinären/abteilungsübergreifenden Ansatzes zur Nutzung von Kunst und Kultur im Bereich der öffentlichen Gesundheit bereitstellen; 
  • Förderung bzw. Anreiz für Investitionen aus anderen Sektoren (Privatsektor) setzen;
  • Politische Strategie-Entwicklung, Forschung und Praxis brauchen stärkere Vernetzung zwischen Systemen, Organisationen und Individuen – mit viel Zusammenarbeit und Austausch der jeweiligen Expertise. Transversale Zusammenarbeit und gemeinsame Budgets über die verschiedenen Politikbereiche hinweg; 
     

Empfehlungen an kulturelle Institutionen/Organisationen:

  • Überlegungen, wie Menschen in der Gesundheitsversorgung zu erreichen sind, in die Planung mit einbeziehen;
  • Ausreichend Zeit und Raum für die Evaluierung der Arbeit und ihrer Auswirkungen geben. 

 

Darüber hinaus unterstreicht der OMK-Report folgende Empfehlungen von Katherine Taylor aus Art Thou Well? Towards Creative Devolution of Mental Health:

  • Ein wöchentliches Mindestmaß an kulturellem Engagement;
  • Verbesserung des Alltagsverständnisses über die Auswirkungen der Kunst; 
  • Anstellung von Artists in Residence, um kreative Werte in der Pflege zu integrieren;
  • Bekämpfung der Stigmatisierung und Förderung positiver Botschaften durch die Verbindung von Kunst und psychischer Gesundheit;
  • Steigerung der Patient_innensicherheit durch – wo möglich – das Angebot von Kunstinterventionen für psychische Gesundheit statt Medikamenten

Diese Empfehlungen sind im Endbericht From social inclusion to social cohesion – the role of culture policy (Von sozialer Inklusion zu sozialem Zusammenhalt – die Rolle von Kulturpolitik) enthalten. 

 

Politische Chance für Österreich 

Kultur und Kunst sind starke Partnerinnen, um sozialen Zusammenhalt herzustellen. Die Kulturförderung trägt insofern bereits zur Stärkung sozialer Inklusion bei. Allerdings geschieht das stark punktuell und eine Nachhaltigkeit hinsichtlich Prävention und Methodik kann nur selten erzeugt werden. Der Kulturförderbereich, Künstler_innen und Kulturinitiativen, die sich – häufig in Verbindung mit Expert_innen und Institutionen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich – mit Kunst für soziale Inklusion einsetzen, können die hier beschriebenen Chancen und Herausforderungen nicht auf sich alleine gestellt einlösen. 

Kunst und Kultur haben großes Potenzial, unterstützend und ressourcenschonend bei der Bewältigung der großen zukünftigen Herausforderungen im Bereich Gesundheit und Sozialvorsorge mitzuwirken. Sie bieten darüber hinaus aber auch Ansätze für nachhaltige Lösungen und Antworten auf die komplexen, durch Armut, Einsamkeit, Ängste und Marginalisierung hervorgerufenen negativen Dynamiken und können viel Positives zur sozialen Inklusion generell beitragen. 
 

Eine große, bisher noch viel zu wenig genutzte politische Chance liegt in der Entwicklung einer nationalen ressortübergreifenden Strategie für soziale Inklusion, die Kultur als Querschnittsmaterie strategisch mitdenkt und sowohl politisch als auch finanziell mit einbezieht.


Wichtig für eine nachhaltige Einbettung im nationalen politischen System, aber auch auf regionaler und Landesebene, erscheint die Einbindung und verstärkte Zusammenarbeit der Ressorts Soziales, Gesundheit, Bildung, Kunst und Kultur, Wirtschaft, Finanzen und Justiz. Diese Zusammenarbeit muss auch auf finanzieller Ebene stattfinden, denn der Kunst- und Kulturbereich allein kann die Bereitstellung von Kunstaktivitäten und -programmen zur Erreichung einer verbesserten sozialen Inklusion nicht leisten. Wünschenswert wäre etwa die Schaffung einer Förderschiene, finanziert mit Mitteln aus den genannten Bereichen, besetzt mit Expert_innen aus den jeweiligen Bereichen, um Projekte, die an diesen Schnittstellen arbeiten, zu ermöglichen. Durch klar gewidmete Budgets für soziale Inklusion, die durch eine zentrale Stelle verwaltet werden, kann in allen Politikbereichen Förderzugang für den Kunst- und Kulturbereich geschaffen werden. 

Ein erstes, lohnendes Feld für Pilotprojekte ist eindeutig der Gesundheitsbereich. Zentral erscheint als ein weiterer wichtiger Schritt im Zusammenhang mit Gesundheit und Wohlergehen die Schaffung einer alle Akteur_innen vernetzenden Stelle, welche Institutionen und die in den verschiedenen Sektoren tätigen Menschen zusammenbringt und eine Informationsplatt- form zur Verfügung stellt. Die Umsetzung von Kunst auf Rezept bzw. erweitert auch Soziale Verschreibung erscheint auch für Österreich vielversprechend, obgleich hier im Vergleich deutlich mehr neu zu entwickeln ist, als in Großbritannien. Dies beinhaltet aber auch die Chance, von Anfang an eine fundierte, begleitende Forschung mit zu entwickeln. 

 

Barbara Stüwe-Eßl ist stellvertretende Geschäftsführerin der IG Freie Theater. Sie wurde vom Bundeskanzleramt als österreichische Vertreterin für die EU-Expert_innengruppe zum Thema Kultur und soziale Inklusion nominiert. 


 

 


 

IG Magazin 2019

Dieser Artikel ist in gekürzter Fassung in der Ausgabe 1.19 „Kultur als Rezept“ des Magazins der IG Kultur Österreich - Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda erschienen.
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