Rencontres de Bamako 2011
Wenn man weiß, dass Kulturpolitik in Afrika Kulturkooperation bedeutet – meist mit der ehemaligen Kolonialmacht –, kann man die Frage umformulieren: Was sagt die Organisation einer Kulturveranstaltung über die Beziehungen zwischen Frankreich und Afrika aus?
Im November 2011 fand zum neunten Mal die größte Fotobiennale Afrikas in Bamako (Mali) zum diesjährigen Thema „Für eine nachhaltige Welt“ statt.
Mit einer so eigenartigen Formulierung und nach bald 20-jährigem Bestehen kann man das Thema nur im Rahmen eines spezifischen, kulturpolitischen Kontextes und auf lange Sicht hinterfragen. Welche Art nachhaltiger Kulturpolitik wurde bis jetzt umgesetzt? Wenn man weiß, dass Kulturpolitik in Afrika Kulturkooperation bedeutet – meist mit der ehemaligen Kolonialmacht –, kann man die Frage umformulieren: Was sagt die Organisation einer Kulturveranstaltung über die Beziehungen zwischen Frankreich und Afrika aus?
Ein kurzer historischer Rückblick
Ein kurzer historischer Rückblick ist vorerst mal notwendig. Vor dem Jahr 1989, ein springender Punkt für außereuropäische Kunst mit der Ausstellung Les magiciens de la terre, gab es außer dem Fespaco (afrikanisches Filmfestival in Burkina Faso) keine einzige große Kunstveranstaltung in Afrika. KulturarbeiterInnen reagierten Anfang der 1990er Jahre und initiierten panafrikanische Kunstveranstaltungen in den ehemaligen Kolonien Frankreichs. Ziel war es, zeitgenössische Kunst aus Afrika zu fördern. Das FITHEB, ein Festival für Theater in Benin, eröffnete 1991 die Reihe von Veranstaltungen, es folgte 1992 die Dak’art Biennale für visuelle Künste. Die erste Fotobiennale von Bamako fand 1994 statt.
Wie bei den anderen Veranstaltungen nahm schnell Frankreich eine aktive Rolle ein. Im Fall der Rencontres de Bamako übernahm kurz nach Beginn Frankreich in Kooperation mit dem Nationalmuseum Malis die Organisation der Veranstaltung und wurde dabei durch die EU finanziert. Das Aktionsfeld wurde auf ganz Afrika ausgeweitet. Ein Ausgabenschwerpunkt wurde fixiert und Wanderausstellungen mit den Hauptzielen organisiert, afrikanische Fotografie weltweit bekannt zu machen und die KünstlerInnen im Kunstmarkt zu etablieren. Für jede Biennale wird eine Ausschreibung für Foto- und VideokünstlerInnen veröffentlicht, dieses Jahr wurden 55 Personen aus circa 20 Ländern ausgewählt und konnten ihre Werke „Für eine nachhaltige Welt“ präsentieren.
Die Hauptziele wurden zum Teil erreicht, die FotografInnen werden tatsächlich immer bekannter und lassen sich besser verkaufen als zuvor, wobei man an dieser Stelle anmerken muss, dass Frankreich mehr den Kunstmarkttrends folgt und sich bemüht, die schon bekannten KünstlerInnen aus Südafrika einzubinden. Es ist also keine Überraschung, dass der sehr bekannte Pieter Hugo einen Preis für eine Serie bekommen hat, die nicht die beste seiner erfolgreichen Karriere ist. Man könnte noch mehr zu dem Thema sagen, legen wir aber den Fokus auf die Rezeption vor Ort.
Die Rezeption vor Ort
Denn ein Aspekt, der die letzten Jahren komplett vernachlässigt wurde, ist die lokale Verankerung der Veranstaltung. Auffällig in Bamako sind die leeren Ausstellungsräume sogar bei freiem Eintritt. Die Kunstdoktorandin Sarah Gilsoul stellte beim vorletzten Festival 2009 fest, wie schnell nach der professionellen Woche ein Freiluftfotostudio im Museumsareal verfiel.
Dies ist aber nicht im Sinne Frankreichs, denn es ist ein strategisches Anliegen der postkolonialen Zeit, die Legitimation durch Einheimische zu bekommen. In der Tat gab es in der Vergangenheit viele Versuche: von der Stellenausschreibung für KuratorInnen mit dem Auftrag, lokale Strategien zu entwickeln, bis hin zu mobilen Diashows in populären Bezirken oder am Land. Ebenso gefördert wurden Besichtigungen der Ausstellung durch Anmietung von Schulbussen. Ausstellungen wurden auch außerhalb des Museumsareals organisiert und Off-Veranstaltung toleriert.
In den letzten Jahren aber wurde diese Politik immer enger geführt. Es gibt zwar nach wie vor ein mobiles Schnappschussstudio, das übrigens sehr populär ist, aber es steht nicht mehr im offiziellen Programm.
Besonders bedenklich ist die Marginalisierung der Off-Szene. Wichtige Akteurinnen und Akteure wie der Galerist Chab Touré wurden so an den Rand gedrängt, dass sie gar nicht mehr ausstellen. Das Ausbildungszentrum für Fotografie (CFP), das damals einen Teil der Bilder für die Biennale entwickelte, wurde gänzlich vom Festivalorganisationsprozess ausgeschlossen. Jetzt wurde die gesamte Produktion nach Frankreich verlagert.
Schuld ist zum Teil der Umstand, dass der malische Direktor der Biennale seit zu langer Zeit – von Mali und Frankreich unhinterfragt – auf seiner Stelle ist. Mit den Jahren hat sich das Museum abgekapselt und als eine vom Zentrum fern liegende Struktur entwickelt. Die Sanierungsarbeiten, die 2011 fertiggestellt wurden, lassen den Kontrast noch krasser erscheinen als zuvor. Malische Fotografie wurde durch ihre historischen Figuren (Seydou Keita und Malick Sidibé) mit dem Ziel musealisiert, TouristInnen anzusprechen. Die aktuelle Fotoszene wurde dadurch aber ausgeblendet.
Die Rolle anderer Entwicklungsorganisationen
Bei Frankreich allein liegt also nicht die Schuld. Und was von der französischen und malischen Regierung nicht fortgesetzt wurde, eigneten sich oft andere Entwicklungsorganisationen an. Hier geht es um die Besetzung von Nischen. Die dänische Entwicklungszusammenarbeit, die stark auf wirtschaftliche (und utopische) Autonomie von Kulturbetrieben setzt, hat die Unterstützung des CFP von Helvetas übernommen. In der neu gegründeten Anlaufstelle von Arterial Network (eine afrikanische Vernetzungsplattform für KulturveranstalterInnen mit Sitz im Südafrika) stellt man die Arbeiten von FotografInnen aus, die vom Goethe-Institut unterstützt werden.
Diese Strategie ist zwar differenzierter als die französische, denn die Kooperation geschieht auf Augenhöhe. Für diese nicht-französischen, staatlichen Agenturen ist dies eigentlich eine Notwendigkeit, weil sie über weniger Mittel verfügen und ihre AnsprechpartnerInnen keine Institutionen sind. Es bedeutet aber auch das Ende der fotografischen Off-Szene, die es in der Tat in Bamako nicht mehr gibt.
Ab Mitte der 1990er Jahre profitieren andere Organisationen von der Bekanntmachung der afrikanischen Kunst durch französische Entwicklungszusammenarbeit. 1995 fand die erste Ausgabe der Johannesburger Kunstbiennale statt. In den späten 2000er Jahren entstanden mehrere Fotoveranstaltungen: Fotofestivals in Lagos und in Addis Abeba, um nur einige zu nennen. Die OrganisatorInnen sind lokale und erfahrene KulturmanagerInnen. Diese setzen nicht mehr auf einen ambitiösen Panafrikanismus, sondern auf flexible opportunistische Netzwerke, verbinden unverschämt Kunst und Wirtschaft miteinander und arbeiten mit FotografInnen, die ihr Leben als FotojournalistInnen schon abgesichert haben.
Kämpfe um Unabhängigkeit gegenüber der ehemaligen Kolonialmacht
Aus seiner Position ist Frankreich nicht in der Lage, Einfluss zu nehmen, sogar wenn es sich das wünscht. Dennoch versucht die ehemalige koloniale Macht ihre Strategie dementsprechend anzupassen: So kann man den Rückzug von der Kunstbiennale Dak’art – die sowohl unter einer organisatorischen Stagnation als auch unter einem dekadenten politischen Klima in Senegal leidet – zugunsten der jüngeren Biennale Regard Bénin verstehen. Diese 2010 gegründete Biennale hat die Eigenschaft, in einem lokalen, horizontal strukturierten Netz organisiert zu sein. In diesem ruhigen demokratischen Land hat sich eine dynamische Szene an kleinen Kultureinrichtungen entwickelt, die bis jetzt von Frankreich kaum beachtet wurde. Aber auch hier gelangt Frankreich an seine Grenzen: Die Suche nach einem einzigen institutionellen, großen, privaten Partner (Zinsou Stiftung) oder nach einem ministeriellen Ansprechpartner stößt auf Widerstand seitens dieser kleinen Szene, die für ihre Unabhängigkeit kämpft.
Diese Chance haben auch die KünstlerInnen in Bamako aufgegriffen. Das Thema „Für eine nachhaltige Welt“ wurde angeeignet und weitergeführt. Statt ein naives optimistisches Plädoyer abzubilden, waren die Werke eher eine Bestandsaufnahme aus der Perspektive der AfrikanerInnen. Es mag auch sein, dass die KünstlerInnen „Durable/nachhaltig“ als „dur-able/hartnäckig“ verstanden haben: Damit meine ich, dass auf die diktatorische Führung in vielen Ländern Afrikas angespielt wurde. Nachhaltigkeit bekommt somit eine andere Prägnanz, wo Demokratie als Voraussetzung gilt. Die Bilder der tunesischen Revolution zählten kunstmarkttechnisch nicht zu den besten, waren aber definitiv die aussagekräftigsten im Bezug auf das Thema dieser Biennale …
Das Festival von 2011 war vielleicht der Höhepunkt des französischen Einflusses auf die Kultur Afrikas und kann doch zugleich als Symbol seines Untergangs gedeutet werden.
Sèdjro Mensah ist Kulturmanager mit Schwerpunkt auf internationale Kulturkooperationen, lebt seit 2004 in Wien und arbeitet bei kulturen in bewegung, der Kunst- und Kulturinitiative von VIDC, als Referent für bildende und darstellende Künste. Im November 2012 präsentiert er eine Auswahl aus der Bamako Fotobiennale in Wien.