White Australia has a Black history!

Abseits der üblichen touristischen Trampelpfade tut sich für eine kritische Reisende eine schwer zu verdauende Geschichte auf. Was ich finde (und es sollte mich nicht überraschen), ist eine buchstäblich weiß gewaschene Geschichte eines Kontinents, der sich mitten in (post-)kolonialen Kämpfen befindet.

Ehrlich gesagt hab’ ich mich bisher wenig bis gar nicht mit kritischer Tourismusforschung beschäftigt. Aber als Reisende, die ich im Moment bin, stoße ich kontinuierlich auf Kulturalisierungen im Urlaubsgeschäft. Das Bilderbuch Australien, das vielen im Kopf herumschwirrt, existiert: Strände – kilometerlang, mit ihren Surfdudes und Lifesavers, fantastische Tierwelten und Landschaften und natürlich Aboriginals und alle damit verbundenen Klischees, seien es Boomerangs, Didgeridoos oder dergleichen. Reisen hat immer diesen Nimbus des Entdeckens von Exotischem, Neuem, Ungewöhnlichem, aber auch Bildungs- und Kulturreisen liegen schwer im Trend.

Doch abseits der üblichen touristischen Trampelpfade tut sich für eine kritische Reisende eine schwer zu verdauende Geschichte auf. Was ich finde (und es sollte mich nicht überraschen), ist eine buchstäblich weiß gewaschene Geschichte eines Kontinents, der sich mitten in (post-)kolonialen Kämpfen befindet. Erst 1992 hob der High Court die Grundannahme auf, Australien wäre eine so genannte terra nullius, unbewohnte oder jedenfalls unzivilisierte Erde. Zur Erinnerung, die Briten nutzten den Kontinent als Strafkolonie. Die ursprünglichen indigenen BewohnerInnen zählten bis zu einem Referendum im Jahr 1967 offiziell zu Flora und Fauna und hatten keinerlei BürgerInnenrechte im eigenen Land. Das stand bisher in keinem Reiseführer. Unbeschriebene Routen sind bisweilen auch der Raub einer ganzen Generation, der so genannten stolen generation. Dabei wurden Kinder von ihren Eltern entfernt, um sie in eine weiße Kultur zu assimilieren. Mädchen wurden vorrangig als Dienst- bzw. Hausmädchen „ausgebildet“, Jungen wurden als billige Arbeitskräfte angesehen. Diese offizielle Politik wurde von 1909 bis 1969 vom Aboriginal Protection Board (sic!) durchgeführt, Geschwister wurden auseinander gerissen und in Heime und schließlich zu weißen Familien gebracht. Ziel war die Auslöschung indigener Kultur, u. a. mittels einer Fortpflanzungspolitik, die selbst vor dem Mittel der Vergewaltigung schwarzer Frauen durch weiße Männer nicht zurückscheute. Besonders hervorgetan haben sich auch die weißen Siedler auf Tasmanien, die in einer Treibjagd, der so genannten Black line, versuchten, die Aboriginals auf eine Peninsula zu hetzen und dort einzufangen. Erfolgreich waren sie keinesfalls mit ihrer Idee, aber im Laufe der Zeit waren es nur noch wenige, die die rassistischen Übergriffe und die schlechten Lebensbedingungen, hervorgerufen durch die Entwurzelung und den Mangel an Ressourcen, überlebten.

Dennoch finden sich auf meiner Landkarte immer öfter Geschichten von Selbstorganisation und Widerstand wieder. Beginnend mit dem Jahr 1925, in dem Fred Maynard die Australian Aboriginal Progressive Association gründete, gefolgt vom Jahr 1938, in dem die Selbstorganisationen Australian Aborigines League und die Aborigines Progressive Association gegen Landenteignung protestierten. Die Aborginal Tent Embassy forderte 1972 Landrechte und baute ihre Zelte vor dem Parlament in Canberra auf. Sie wurden zwar entfernt, aber 1992 kam die Tent Embassy wieder und besetzt seither das Terrain. 1984 besetzte die Oyster Cove Community auf Tasmanien ein Stück Land und bekam es zugesprochen. Vielerorts tun sich jedoch zusätzlich zu den alten neue Kämpfe auf. Im Northern Territory Australiens wird derzeit eine Politik der Entmündigung und der polizeistaatlichen Maßnahmen gegen die indigene Bevölkerung durchgeführt, die so genannte Intervention. Doch diese Reise steht mir noch bevor ...

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