4 und das fehlende Verständnis für Diversität in der steirischen Kulturpolitik

Nur 4 von 15 Personen im neu besetzten steirischen Kulturkuratorium sind Frauen. Keine andere soziale Gruppe wurde abgebildet. Während die Politik diese Zusammensetzung als eine zufriedenstellende Repräsentation von Diversität ansieht, äußern wir hier mit einem Protestbrief Kritik.

© Land Steiermark/Binder

Letzte Woche hat sich das Kulturkuratorium des Landes Steiermark konstituiert. Auf Grund der mangelnden Diversität bei der Besetzung des Gremiums haben wir bereits letzten Dienstag einen Protestbrief an Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP), Landesrätin Ursula Lackner (SPÖ) und Medienvertreter:innen geschickt. (Den Brief findet ihr weiter unten.) Bis dato haben wir leider keine Rückmeldung erhalten. Diese Nicht-Reaktion ist an sich bereits besorgniserregend, noch befremdlicher sind allerdings die öffentlichen Berichterstattungen bzw. Stellungnahmen.

Dass die Besetzung des Kuratoriums einem alten parteipolitischen Muster gefolgt und nicht ohne interne Kämpfe abgelaufen ist, hat uns der Artikel in der Kleinen Zeitung verraten. Der ÖVP-Favorit auf den Vorsitz, Willi Gabalier, wurde in einer geheimen Abstimmung überstimmt. Edith Draxl und Gunilla Plank erhielten die meisten Stimmen und wurden als Vorsitzende bzw. Stellvertretende gewählt. Die Vermutung im Artikel der Kleinen Zeitung, dass dieses Ergebnis nur eine Rivalität zwischen den Geschlechtern darstellt, ist zu kurz gedacht. Sowohl Edith Draxl als auch Gunilla Plank sind seit Jahrzehnten aktiv innerhalb der steirischen Kulturlandschaft tätig und kennen diese somit jedenfalls gut genug, um über ihre Zukunft zu entscheiden. Bei der Analyse und medialen Berichterstattung rund um die Bestellung von Frauen werden noch immer häufig ihre Kompetenzen übersehen, die sie für die jeweilige Besetzung mitbringen. Das Gleiche gilt auch für Repräsentant:innen anderer sozialer Gruppen. Wir lesen das Abstimmungsergebnis im Kulturkuratorium als ein verstecktes Bewusstsein seiner Mitglieder, die mit dieser Entscheidung ein kleines Korrektiv zur asymmetrischen Besetzung leisten wollten.

Diese offensichtliche Asymmetrie wurde von der Landesrätin Lackner (SPÖ) scheinbar ganz gegensätzlich wahrgenommen. So hat sie die Konstituierung des Kuratoriums mit folgenden Worten begrüßt: „Es ist für eine lebendige Kulturlandschaft von zentraler Bedeutung, dass sie breit, vielfältig und bunt aufgestellt ist. Deswegen freut es mich sehr, dass sich diese Vielfalt auch im neu besetzten Kuratorium findet." Wir fragen uns, wie wir den Begriff der Vielfalt in diesem Kontext verstehen sollen. Als ein Übergewicht Weißer Männer, in dem sich Frauen (sowie andere Gruppen, die in diesem Fall leider gar nicht vertreten sind) erst eine eigene Position erkämpfen müssen? Es ist schockierend, dass solche Vorstellungen aus einer Partei kommen, der mit Johanna Dohnal einmal eine der Ikonen der österreichischen Frauenbewegung angehört hat.

Solch eine Interpretation des Vielfaltsbegriffes ist brandgefährlich. Zumal wir uns 2024 in einem wichtigen Wahljahr befinden und rechte politische Kräfte derzeit verstärkt für einen Monokulturalismus eintreten, der alle, die nicht ihrem eigenen beschränkten Kulturbegriff entsprechen, ausschließen (und vertreiben) will. Sowohl die Politik als auch die Zivilgesellschaft müssen sich bewusst sein, dass die Vielfalt einen Grundstein für jedwede Demokratie darstellt. Eine verkürzte Interpretation von Vielfalt ist deshalb nicht tragbar. Die diversen sozialen Gruppen sowie die Heterogenität, die unsere Gesellschaft auszeichnen, müssen in den offiziellen Strukturen abgebildet werden, um ein demokratisches Zusammenleben nachhaltig zu ermöglichen. Die Verantwortung dafür tragen wir alle. Eine dementsprechende Besetzung von Gremien ist nur ein erster Schritt.

 

Der Brief wurde am Dienstag, 9. Jänner 2024 an den Landeshauptmann und Kulturreferenten Christopher Drexler, an die Landesrätin Ursula Lackner, an ihren Büroleiter Stefan Perschler und Patrick Schnabel, Leiter der Abteilung 9 Kultur, Europa Sport geschickt.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,
sehr geehrte Frau Landesrätin,

heute war die konstituierende Sitzung des Kulturkuratoriums. Wir freuen uns, dass dieses neu bestellt wurde und wieder vollzählig arbeiten kann. Dennoch müssen wir an dieser Stelle anmerken, dass die fehlende Diversität innerhalb des Gremiums sehr enttäuschend ist. Traurigerweise sind von 15 Personen nur 4 Frauen, obwohl das Steiermärkischen Kultur- und Kunstförderungsgesetzes (§ 9) explizit betont: "Bei der Erstattung der Vorschläge und der Bestellung ist auf Ausgewogenheit in Hinblick auf die Regionen der Steiermark sowie die Geschlechter zu achten." Ebenso gibt es innerhalb des Gremiums keine einzige Person, die als angemessene:r Repräsentant:in einer jüngeren Generation oder jener sozialen Gruppen, die nicht die Mehrheitsgesellschaft darstellen, aufgefasst werden kann. Eine solche Zusammensetzung eines Gremiums, das mit über die Zukunft der Kulturlandschaft Steiermark bestimmt, lesen wir als eine Fehlentscheidung, da die steirische Kulturlandschaft in der Realität weit vielfältiger bzw. breiter aufgestellt ist als das Gremium, das sie abbilden soll.

Nach zwei Jahren voll von vertieften Gesprächen im Rahmen der Kulturstrategie 2030, in denen ein wichtiges Augenmerk auf die Vielfalt gelegt wurde, haben wir uns erwartet, dass diese Vorgehensweise auch bei der Besetzung eines so wichtigen Gremiums eine Rolle spielt. Wir sind der Meinung, dass ein Kulturland nur dann eine lebendige Zukunft haben kann, wenn auch in den offiziellen Strukturen die Vielfalt und Lebendigkeit des Kulturlandes gewahrt wird. Alles andere eröffnet unnötige Konflikte sowie Gräben und vertieft die bestehenden Ungleichheiten, die in Zeiten von multiplen Krisen unproduktiv und nicht zukunftsorientiert sind.

Wir hoffen, dass die finale Ausarbeitung der Kulturstrategie 2030 einen anderen Weg gehen wird. Einen Weg, der auf bestehender Diversität und Synergien aufbaut, um eine positive Resonanz und Resilienz in der Gesellschaft zu erreichen, die soziale Systeme, wie die Kulturlandschaft Steiermark, auch in herausfordernden Zeiten stärker und krisenfester machen. Diese Verantwortung muss in zukünftige Reflexionsprozesse einfließen und in der Besetzung zukünftiger Gremien sichtbar werden.

Im Sinne des produktiven Zusammenwirkens für eine nachhaltige Zukunft des Kulturlandes Steiermark würden wir uns freuen, wenn unsere Anregungen als konstruktiv gelesen werden und stehen jederzeit für einen weiteren Austausch zur Verfügung.