Aschermittwoch ist immer. Eine Zwischenbilanz über eine kulturpolitische Initiative

Das Übel war doppelt importiert. Da kam Jörg Haider im Helikopter auf die Stadt hernieder, um hier, in Ried im Innkreis, jenes Aschermittwoch-Spektakel zu imitieren, das lange vor ihm Franz Josef Strauß im nahen Passau kreiert hatte

Das Übel war doppelt importiert. Da kam Jörg Haider im Helikopter auf die Stadt hernieder, um hier, in Ried im Innkreis, jenes Aschermittwoch-Spektakel zu imitieren, das lange vor ihm Franz Josef Strauß im nahen Passau kreiert hatte. Die Zutaten waren ebenso einfach wie wirksam: eine randvolle Halle, ein vom Faschingskehraus beschwingtes Publikum, Blasmusik, Heringkäse, Bier in Strömen, dazu ein Maul voller Deftigkeiten - fertig ist das Gemisch, das sich Politik nannte und doch nur dumme Gaudi war.

Nun ist es aus der Sicht von Kulturvereinen, die auf dem Lande doch einen recht kargen Boden beackern, an sich nichts Frivoles, wenn jemand kommt und ein wenig Unruhe stiftet. Ganz im Gegenteil, dafür arbeiten sie schließlich jahraus, jahrein auch. Zweitens ist es Privatsache von ParteigängerInnen, woran sie sich berauschen - solange sie damit die übrige Bevölkerung nicht belästigen. Haiders Aschermittwoch-Auftritte in der ÖTB-"Jahnturnhalle" sprengten jedoch den Rahmen eines geschlossenen Klamauks, waren von Anfang an auf öffentliche Erregung angelegt. Die ZuhörerInnen im Saal waren bloß als willige StimmungsmacherInnen eingeplant, ihr Beifall und Johlen Teil der Inszenierung. Die bewusst gesetzten Provokationen waren nach außen adressiert. Ried war somit nur die Bühne und als solche im Grunde austauschbar, wenngleich optimal. Das Innviertel ist, was das Politische und das Ideologische betrifft, seit jeher ein sehr erdiger Boden, hier gedieh seinerzeit das Nationale prächtig und später dann das Freiheitliche. Hier würden, das war klar, Haiders Sprüche viele zum Erglühen bringen.

Dennoch hätten sich die Kulturinitiativen aus der Region um das, was da Anfang der 90er in Ried begann, nicht annehmen müssen. Sie hätten argumentieren können, dass das kein bodenständiges, sondern eben ein importiertes Ereignis sei, dem auf einer anderen, politischen Ebene zu begegnen sei. Sie hätten weiters mit Recht sagen können, dass sich Kulturarbeit nicht mit Parteipolemik anpatzen müsse. Gute Gründe, Haiders Aschermittwoch-Klimbim ins Leere gehen zu lassen. Und doch gilt zugleich das Gegenteil: Die Kulturinitiativen aus dem Inn- und Hausruckviertel konnten das Ereignis nicht ignorieren, mussten darauf reagieren und ihm alleine von ihrem Selbstverständnis her etwas entgegensetzen. Es ging um ihre eigene Glaubwürdigkeit.

Was Haider im Laufe der Jahre aschermittwochs so alles abgesondert hat, ist bekannt und muss hier nicht wiederholt werden. Fest steht, dass er die Erwartungen der Seinen vollauf erfüllt und alle Befürchtungen seiner KritikerInnen sogar noch übertroffen hat. Der Rieder FPÖ-Aschermittwoch steht für billige Lacher auf Kosten anderer, Verhetzung und Verletzung, Schüren von Fremdenhass und Wecken dumpfer Ressentiments, Verunglimpfung und Verhöhnung, Geist- und Kunstfeindlichkeit, Beleidigung ... Gegen all das muss freilich Kulturarbeit, der es um eine offene, tolerante, aufgeklärte Gesellschaft geht, ankämpfen. Sie muss sich solchen Tatsachen stellen, ob sie will oder nicht. Es war dem Gastspiel Haiders also etwas entgegenzusetzen, ein kultiviertes Anti-Programm. Dieses Auftreten wurde auch prompt von einem großen Publikum goutiert. Stimmt schon, Besucherzahlen können für Kulturarbeit trügerisch sein, gerade in diesem Fall, wo es darum ging, auf ein Massenphänomen mit anderen Mitteln zu reagieren. Und dennoch, die auf dem "Kulturpolitischen Aschermittwoch" auftretenden KünstlerInnen machten vielen Menschen Mut, die damals angesichts der sich scheinbar unaufhaltsam ausbreitenden Frechheit und Rotzigkeit schwer verunsichert waren.

Der von der FPÖ erhobene Vorwurf, Kulturvereine würden sich zu Aschermittwoch in die Politik einmischen, war richtig und zugleich lächerlich. Dass sich Parteien anmaßen, von anderen absolute politische Keuschheit zu verlangen, sich selbst aber jede Parteilichkeit genehmigen, ist eine der vielen österreichischen Sonderbarkeiten.

Ja, der "Kulturpolitische Aschermittwoch" wollte hochpolitisch sein. Er war so konzipiert, das Engagement war kein irrtümlicher Fauxpas, kein verstohlenes Fremdgehen, für das es sich zu schämen gegolten hätte. Es war diese Veranstaltung schlicht eine Antwort auf massives politisches Versagen. Jahrelang hatten die etablierten Parteien dem Aufstieg Haiders mehr oder minder hilf- und tatenlos zugeschaut, ja diesen durch eigene Unfähigkeit nach Kräften beschleunigt. Sie waren weder fähig noch willens, dem Tabubrecher aus dem Süden Paroli zu bieten, sondern gaben ihm vielmehr Stück für Stück nach.

Der "Kulturpolitische Aschermittwoch" hat sich längst verfestigt. Er lebt aus sich selbst heraus und definiert sich nicht über eine Gegnerschaft, schon gar nicht braucht er Feindbilder. Er ist für etwas, und wenn sich davon jemand attackiert fühlt, ist das dessen Sache. Diese Veranstaltung ist mittlerweile in der Region fast so etwas wie eine Institution, und darin liegt wohl auch ihr Manko. Sie hat sich, allen heftigen internen Diskussionen zum Trotz, nie wirklich weiterentwickelt und verbreitert. Es ist leider nie gelungen, daraus mehr zu machen, als ein ehrenhaftes, aber halt alle Jahre wiederkehrendes, lokales Ereignis. Obwohl, soviel Beständigkeit über nunmehr schon zehn Jahre hat auch ihren Wert.

Heuer bleibt Jörg Haider aus, die Rieder Freiheitlichen legen keinen Wert mehr auf sein Kommen. Ist damit alles geklärt, hat sich der "Kulturpolitische Aschermittwoch" überlebt? Nein, keineswegs. In Zeiten, in denen die Parlamentsession mit Blasmusik eröffnet, der Nationalratspräsident Gott in der Bundesverfassung verankert sehen will und das Reaktionäre nur so sprießt, gilt es Wachsamkeit und Widerstand neu zu schärfen. Jetzt geht es erst richtig los.


Gerhard Marschall ist Redakteur des Wirtschaftsblatts und Kurt-Vorhofer-Preisträger 2002 für couragierten Journalismus. Der Kulturpolitische Aschermittwoch in Ried/ Innkreis wurde Anfang der neunziger Jahre von ihm mitbegründet.


Mittwoch, 5. März 2003, 19.30 Uhr

Kulturpolitischer Aschermittwoch in der Bauernmarkthalle in Ried/Innkreis (OÖ). Eine gemeinsame Veranstaltung von KiK Ried, K&K; Raab, LNI, Roßmarkt Grieskirchen, Treffpunkt Georgia und UnArt St. Martin.