Bewegung gegen Institution. Die Kunst der Feindschaft zwischen der VolxTheaterKarawane und dem Festival der Regionen
Schon bei der Eröffnung des Festivals in Wolfsegg kam es zu ersten Verwerfungen: Statt die Kunst der Feindschaft zu zelebrieren, hatten die Festival-MacherInnen wie gewohnt den Kulturreferenten Pühringer zur Eröffnung eingeladen (kann mir bitte mal wer erklären, warum in aller Welt ein in Kunstfragen dilettierender Landeshauptmann ein Kunstfestival eröffnen muss?), gegen den 2000 in den Kunstinstitutionen entwickelten breiten Konsens, PolitikerInnen der Regierungsparteien keine Repräsentationsflächen zur Verfügung zu stellen. Ein gefundenes Fressen für die Karawane, die den Landeshauptmann mit überaffirmierenden Parolen wie "Josef, wir lieben dich" oder "Pühringer, du geile Sau" begrüßte.
Im zweiten Erscheinungsjahr der Kulturrisse, vor mehr als sechs Jahren, habe ich versucht, dem Veranstaltungstypus der Landesausstellungen, im speziellen der kärntner Landesausstellung "Alles Jagd", die damals noch vielversprechende Alternative des oberösterreichischen Festivals der Regionen gegenüberzustellen (Kulturrisse Okt. 97, 20f.). Mit einigem Abstand scheint die Perspektive inzwischen ziemlich verschwommen: Die vom nunmehrigen Rektor der Klagenfurter Universität Günther Hödl konzipierte kärntner Landesausstellung hat sich ex post als ganz passable Variante erwiesen im schaurigen Panoptikum der Landesausstellungen in den letzten Jahren zwischen billigem Spektakel und reaktionärer Affirmation der Volkskultur. Beim Festival der Regionen lässt sich zumindest an einem Aspekt eine umgekehrte Entwicklung feststellen. Hintergund dieser These, die ich im folgenden am Beispiel der Auseinandersetzungen zwischen Festivalleitung und AktivistInnen der VolxTheaterKarawane konkretisieren möchte, ist die ambivalente, widersprüchliche Position von progressiven Kunstinstitutionen in ihrer Pufferfunktion zwischen Staat und kritischer Kunstproduktion. Einerseits sind derartige Kunstinstitutionen Freiräume für die nach wie vor bezahlte, daher professionelle Realisierung von radikaleren Projekten zwischen Kunst und Politik, die sich weder einer kulturindustriellen noch einer mäzenatischen Logik unterwerfen müssen. Andererseits droht in der doppelten Verschärfung der Gangart der abbröckelnden Wohlfahrtsstaaten (reduzierte Subventionen, mehr Druck auf Inhalte) eine verstärkte Tendenz zur Vereinnahmung und Verwässerung.
Die VolxTheaterKarawane hat sich von einem autonom-anarchischen Projekt in den letzten Jahren verstärkt zu einer Grenzgängerin entwickelt, die genau diese Entwicklungen untersucht und durch gezielte Provokationen sichtbar macht. Die in der Widerstandseuphorie des Jahres 2000 entstandenen ersten Karawanen (die EKH-Karawane und das Kolonisierungsprojekt der kärntner Kulturkarawane) wurden unter dem Label der VolxTheaterKarawane ab 2001 auf internationalen Rahmen erweitert. Neben Interventionen in größere politisch-aktivistische Zusammenhänge wie G8-Gipfel und Noborder-Camps (hier gilt die Intervention auch dem Aufbrechen von dogmatischen Verkrustungen in der Bewegung) wurden in den letzten Jahren vermehrt solche in das Kunstfeld gestartet. Derartige Aktionen waren etwa die Interventionen auf der Diagonale und auf der documenta11 im Sommer 2002, im Rahmen der Kulturhauptstadt Graz und des Festivals der Regionen im Sommer 2003.
Das oberösterreichische Festival hatte seine diesjährige Ausgabe unter das Motto "Die Kunst der Feindschaft" gestellt und folgerichtig auch die Karawane zur Teilnahme eingeladen. Die Devise scheint sich vor der im letzten Heft der Kulturrisse so eindringlich formulierten Folie der Pühringer’schen Konsensmanie in Oberösterreich ebenso aufgedrängt zu haben wie vor dem Hintergrund der vergeblichen Suche nach Alternativen in einem schwarzblauen Österreich als Land ohne Opposition.
Die AktivistInnen der Karawane gingen - erwartungsgemäß - über den Vorschlag des Festivals hinaus, mit ihrem Bus verschiedene Festivalorte zu besuchen und die bisherigen Aktivitäten der Karawane in einer Ausstellung zu dokumentieren. Schon bei der Eröffnung des Festivals in Wolfsegg kam es zu ersten Verwerfungen: Statt die Kunst der Feindschaft zu zelebrieren, hatten die Festival-MacherInnen wie gewohnt den Kulturreferenten Pühringer zur Eröffnung eingeladen (kann mir bitte mal wer erklären, warum in aller Welt ein in Kunstfragen dilettierender Landeshauptmann ein Kunstfestival eröffnen muss?), gegen den 2000 in den Kunstinstitutionen entwickelten breiten Konsens, PolitikerInnen der Regierungsparteien keine Repräsentationsflächen zur Verfügung zu stellen. Ein gefundenes Fressen für die Karawane, die den Landeshauptmann mit überaffirmierenden Parolen wie "Josef, wir lieben dich" oder "Pühringer, du geile Sau" begrüßte. Grund genug, die anlässlich des angekündigten Auftauchens der - von Provinzbehörden noch immer als TerroristInnen eingeschätzten - Karawane massenhaft positionierte Staatspolizei auf den Plan zu rufen, die in ihrer Massivität offenbar selbst Pühringer in Angst und Schrecken versetzte.
Ab diesem Zeitpunkt begann eine fortgesetzte Kette der Interventionen der Staatspolizei und der Distanzierung der Festivalleitung von dem von ihr eingeladenen Projekt (vgl. die Dokumentation). Der Karawane wurde vermittelt, dass dem Festival der Geldentzug von Seiten des Landes angedroht worden war, dass sie sich also mäßigen sollte. Andererseits war das Festivalteam offenbar zu einem großen Teil der Festivalzeit damit beschäftigt, die Anrufe der Staatspolizei, die Skandalisierung in den Medien wie auch die Kriminalisierung der Karawane zu verwalten.
Was bleibt, ist einerseits der schale Geschmack, dass das Festival seinem Motto "Die Kunst der Feindschaft" nicht gewachsen war. Andererseits ein weiteres Gerichtsverfahren, das nunmehr gegen Mitglieder der Karawane anhängig ist: Als Kunstaktion im Rahmen des Festivals führte die Karawane auch eine anti-kontrollgesellschaftliche Aktion zur biometrischen Vermessung von SchülerInnen einer Schule in Lambach durch, die den durch die Kommunikationsguerilla-Methoden verwirrten Direktor der Schule dazu brachte, die Kunstaktion allzu ernst zu nehmen und die Karawanen-AktivistInnen wegen Amtsanmaßung, Täuschung und Urkundenfälschung anzuzeigen. Mal sehen, ob die Praktizierung der Kunst der Feindschaft vom Staatsapparat als Fehdehandschuh missverstanden wird...
Gerald Raunig ist Philosoph und Kunsttheoretiker, lebt in Wien und koordiniert das Kunst- und Forschungsprojekt republicart. Im Rahmen von republicart wird von 26. bis 28. Februar in der Kunsthalle Exnergasse die internationale Konferenz Public Art Policies stattfinden, die vor allem die Pufferfunktion von kritischen Kunstinstitutionen zwischen Staat und Kunstproduktion thematisieren soll.