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Antimuslimischer Rassismus ist in Österreich, internationalen Entwicklungen entsprechend, ein Phänomen der letzten 20 Jahre. Einhergehend mit dem europaweiten Aufstieg rechter Kräfte lässt sich antimuslimischer Rassismus als Radikalisierung im Prozess der Kulturalisierung sozioökonomischer Problemlagen verstehen.

Antimuslimischer Rassismus ist in Österreich, internationalen Entwicklungen entsprechend, ein Phänomen der letzten 20 Jahre. Einhergehend mit dem europaweiten Aufstieg rechter Kräfte lässt sich antimuslimischer Rassismus als Radikalisierung im Prozess der Kulturalisierung sozioökonomischer Problemlagen verstehen. Dies äußerte sich nicht zuletzt in den Wahlerfolgen der FPÖ, die an einen breiten gesellschaftlichen Zuspruch zu diskriminierenden und identitätsstiftenden Politiken anknüpfen konnte.

Rassismus erlebt u. a. dann Konjunkturen, wenn für politische und sozioökonomische Probleme wie steigende soziale Ungleichheiten oder Krisen in Geschlechterverhältnissen keine Lösungen auf derselben Ebene erarbeitet werden. Eine Funktion von Rassismus liegt darin, den Blick auf etwas Anderes innerhalb der Gesellschaft zu richten, Widersprüche in andere zu übersetzen (vgl. Elfferding 2000: 43). In den anhaltenden Debatten um Moschee- und Minarettbauverbote sowie um die Unterdrückung der muslimischen Frau und in den Verschärfungen der sogenannten „Fremdengesetzgebung“ lässt sich eine Kontinuität jener Funktion feststellen. Um sich allerdings einer Analyse des spezifisch antimuslimischen Rassismus anzunähern, bedarf es eines Blicks auf die sich verändernden kulturell-rassistischen Strukturen, die mit den sozioökonomischen und politischen Umbrüchen der letzten Jahrzehnte einhergingen.

Anfang der 1990er Jahre konfrontierte Pierre-André Taguieff europäische AntirassistInnen mit ihrer Nachlässigkeit, auf die „Metamorphosen des ideologischen Rassismus“ nicht entsprechend zu reagieren: „Es ist Zeit, dass die ebenso vielfältige wie in ihren Spaltungen erstarrte antirassistische Bewegung sich über den Bruch bewusst wird, der sich in den elaborierten rassistischen Darstellungen und Argumenten vollzogen hat, die Verschiebungen zu sehen, die sich von der biologischen Ungleichheit zur Verabsolutierung kultureller Differenzen ergeben haben, und hieraus die Folgerungen für Typus und Stil ihres Kampfes zu sehen“ (Taguieff [1991] 1998: 222f). Taguieff spricht hier Facetten antirassistischer – großteils akademisch geführter – Diskussionen an, die mit der Analyse eines Rassismus ohne „Rassen“ (vgl. etwa Colette Guillaumin, Robert Miles, Stuart Hall, Etienne Balibar) schon in der Nachkriegszeit begonnen haben und bis heute aktuell geblieben sind. Vor dem Hintergrund der Naturalisierung sozialer, religiöser und kultureller Verhaltensweisen bzw. der Kategorisierung und Zuteilung von Menschen zu kulturalisierten und als minderwertig definierten Gruppen ist antimuslimischer Rassismus zu verstehen.

Kulturalisierender Rassismus in Österreich

In Österreich lässt sich – ähnlich wie in der BRD – eine Verschiebung politischer Krisen hin zu kulturrassistischen Politiken exemplarisch an der Institutionalisierung der Integrationspolitik Anfang der 1990er Jahre ausmachen, auch wenn sich dadurch die Funktion rassistischer Argumentationsweisen nicht verändert hat, sozioökonomische Probleme wie fehlende Arbeits-, Ausbildungs- oder Krankenhausplätze in Ermangelung einer Lösung mit Migrationsbewegungen zu verknüpfen. So lässt sich eine veränderte Struktur hin zu kulturalisierendem Rassismus in der restriktiver werdenden „Fremdengesetzgebung“ ablesen. Damals schon fungierte die FPÖ als politische Stichwortgeberin: „Noch im ersten Vor-Entwurf des Ausländeraufenthaltsgesetzes von 1993 gab es Formulierungen wie ‚die Ausländer werden sich insbesondere auf die hier geltenden Wertvorstellungen und Lebensformen einstellen müssen‘. Gleiches forderten FPÖ-Politiker kaum ein Jahr davor in ihren Ausländer-Halt-Programmen und vielen anderen öffentlichen Äußerungen. Die Grenze der Zuwanderung müsse sich an der ‚sozialen, kulturellen und ethnischen Verträglichkeit‘ der AusländerInnen mit den ÖsterreicherInnen orientieren“ (Matouschek 2000: 32).

Mit dem Wahlslogan „Pummerin statt Muezzin“ von 2005 griff die FPÖ auf ein seit Jahrhunderten gepflegtes islamfeindliches Ressentiment zurück. Den Referenzrahmen bilden in diesem Fall die Siege über das Osmanische Reich vor Wien (vgl. Lohlker 2010: 2), die sogenannten „Türkenbelagerungen“. Je nach Zeitrahmen und Machtverhältnissen wurden Konstruktionen des orientalisch Anderen forciert und mit hauptsächlich negativen Zuschreibungen bedient (vgl. Said 2009), um einen nationalen, okzidentalen Überlegenheitsdünkel zu manifestieren. Einer Reflexion des islamfeindlichen Alltagsverstands der österreichischen Mehrheitsgesellschaft können Kinderlieder dienen, aber auch Schul- und Geschichtsbücher (einen Ausschnitt dazu liefert der von Bunzl/Hafez 2009 herausgegebene Sammelband „Islamophobie in Österreich“).

Radikale Offensive

Eine internationale Konjunktur erlebten islamfeindliche Diskurse in der Schaffung des Feindbildes Islam, die mit den von oben veränderten Kräfteverhältnissen nach dem Ende des Kalten Krieges 1989/90 einherging. Mit dem Wegfall der Blockkonfrontation geriet der Westen in die legitimatorische Notlage, politische, ökonomische und militärische Entscheidungen auch ideologisch absichern zu können (vgl. etwa Attia 2009). Dank der Unterfütterung der ideologischen Auseinandersetzungen vor allem der 1980er Jahre mit kulturellen Differenzen, gelang es recht(sextrem)en IdeologieproduzentInnen, den „Kampf um die Hegemonie“ für sich zu entscheiden, was international mit den Folgen der Ereignisse vom 11. September 2001 noch zusätzlich an Symbolkraft gewann.

Sozioökonomische Umbrüche in der Klassenzusammensetzung und die neoliberale Isolierung sozialer Kämpfe und Bewegungen, die während der letzten Jahrzehnte mit einer zunehmenden Prekarisierung einhergingen, schufen dafür die Bedingungen. Auch in Österreich gelang es der FPÖ, „über ihre bürgerlichen und bäuerlichen KernwählerInnenschichten deutschnationaler Prägung hinaus AnhängerInnen [zu] gewinnen und zu einer Großpartei [zu] werden (…). Darüber hinaus richtete sie den Fokus ihrer Agitation auf jene, die von den Krisen- und Umbruchprozessen (potenziell) betroffen sind und durch die neoliberalisierte Sozialdemokratie nicht mehr repräsentiert werden“ (Schlitz/Wiegand 2010: 4). Der Mangel linker Alternativen und die Hilflosigkeit seitens bürgerlicher bis liberaldemokratischer Kräfte (von der ÖVP bis zu den Grünen), auf „die sozialen Fragen“ Antworten zu liefern, brachten der FPÖ einen breiten Zuspruch in der Gesellschaft, welcher Tür und Tor für eine Radikalisierung des antimuslimischen Rassismus öffnete.

Entlang der oben genannten Konjunkturen islamfeindlicher Ressentiments artikuliert sich eine strategisch eingesetzte rassistische Politik seitens der organisierten Rechten, was auch in Österreich zu zahlreichen verbalen Übergriffen auf MuslimInnen geführt hat. Um sich darüber einen Überblick zu verschaffen, reichen diese Seiten kaum aus (siehe dazu etwa die Ausgaben 04 und 05 der Zeitschrift der.wisch). Paradigmatisch für die antimuslimisch-rassistische Paranoia jenseits der FPÖ ist Hannes Missethons (ÖVP) Überblick über zentrale Brennpunkte: „Minarette sind nicht Teil der österreichischen Kultur. Die aktuelle Diskussion greift mir aber zu kurz. Stattdessen sollten wir nun eine tiefer gehende Debatte führen: Darüber, wie sich der Islam mit dem verträgt, wie wir leben. Integration hat ihre Grenzen. Unsere bisherige Linie, wonach es genügt, wenn sich Migranten an unsere Gesetzeslage halten, reicht meines Erachtens nicht mehr aus. Denn wir merken am Verhalten von einem Teil der Muslime, dass sie anders sind. (…) Für mich heißt Integration: Lernen unserer Spielregeln – und sicher nicht umgekehrt.“ (Interview aus Der Standard, Printausgabe 14.09.2007: 4).

Interessant an dieser Aussage ist, wie sie der Logik der Kulturalisierung folgt: Im Zuge der Debatte um Moschee- bzw. Minarettbauverbote wird der Islam zu einer Kultur der Anderen und scheint deswegen unvereinbar mit österreichischen Werten. Menschen werden aufgrund ihrer vermeintlichen Religionszugehörigkeit einer homogenen Gruppe zugeteilt. Es wird schlichtweg nicht wahrgenommen, dass es gläubige, nicht-gläubige, mäßig gläubige, orthodoxe, konvertierte, aber auch unpolitische wie politische „MuslimInnen“ gibt. Über die jeweilige sozioökonomische Situation wird weiterhin geschwiegen. Besonders aufschlussreich wird die Verschleierung materieller Lebensbedingungen im Zuge der Kopftuch-Debatten: „Das häufig genannte Beispiel, dass das Kopftuch niemanden stört, solange es von Putzfrauen getragen wird, aber zum ,Problem‘ avanciert, wenn eine Ärztin, Anwältin oder Lehrerin es tragen will, kann uns als Hinweis darauf dienen, dass hier gesellschaftliche Zugangschancen (mit-)verhandelt werden“ (Wagner 2010: 16).

Move Antiracists!

Die (erfolgreichen) Versuche rechter, konservativer und liberaler Kräfte, antimuslimischen Rassismus zu benutzen, um auf die Fragen nach sozialer Sicherheit, Arbeitsmarkt- und Asylpolitik zu antworten und die Gesellschaft mit einer konstruierten Wir-Sie-Debatte zu spalten, sehen sich momentan nur punktuell mit Widerstand konfrontiert. In Wien war es kürzlich die Initiative Ausschluss Basta!, die jene rassistischen Politiken in einen breiteren Zusammenhang gesellschaftlicher Missstände gestellt hat. (1) Emanzipatorische Herangehensweisen lassen sich demnach nur in einer kollektiven Auseinandersetzung um die tatsächlichen Probleme erarbeiten. Linke Positionen müssen sich nicht in einem Spannungsverhältnis von Kulturrelativismus und kultureller Differenz wiederfinden. Oft werden jene Standpunkte als die einzigen zur Wahl stehenden hingestellt. Die Debatte um Religion und Emanzipation der anderen Frau (vgl. Rommelspacher 2008) innerhalb der Linken kann nicht als Platzhalter dienen, um sich vor antirassistischen Strategien zu drücken. Besonders aus der Position einer hegemonialen Schwäche heraus muss anerkannt werden, dass auf diese Fragestellungen keine einfache Lösung zu finden ist.

Mit dem Plädoyer, verstärkt auf die soziale Frage bzw. Klassenverhältnisse zu fokussieren, möchte ich mit einem Zitat aus einem Vortrag zu Islamophobia schließen, den Tariq Ali 2010 in London gehalten hat: „… Migrant population with Muslim origin as any other origin (…) integrate as best as they fit and they do so. (…) But we know the situation in Europe well. (…) In France they [Anm.: migrants] were French citizens. From the beginning: You are a citizen of a French colony then you are a citizen of the French commonwealth, you are therefore a citizen of France. And these young kids who went to French schools were told: When you leave these schools you are going to be French citizens with all the rights of a French citizen. And then they find out – Surprise! Surprise! – that 90% of them suffer discrimination when they leave school, leave for universities and in terms of getting jobs. (…) And when the police attacked them and in some cases killed them, these young new French kids of Muslim origin are so well integrated that they do what the French normally do when they were repressed. They attack property, they are building barricades, and they defend themselves.“

Fußnote
(1) Ausschluss basta

Fanny Müller-Uri studiert an der Uni Wien und ist aktiv bei der Gruppe Perspektiven.

Literatur
Attia, Iman (2009): Die „westliche Kultur“ und ihr Anderes. Zur Dekonstruktion von Orientalismus und antimuslimischem Rassismus. Bielefeld.

Balibar, Étienne (1990): „Der ,Klassen-Rassismus‘“. In: Ders./Wallerstein, Immanuel: Rasse, Klasse, Nation. Hamburg. 247-260.

Bunzl, John/Hafez, Farid (2009) (Hg.): Islamophobie in Österreich. Wien.

der.wisch 04: Don't panic, I'm Islamic. Wien: Oktober 2008.

der.wisch 05: Kulturdelikt. Wenn die Aufklärung fundamentalistisch wird. Wien: September 2008.

Elfferding, Wieland (2000): „Funktion und Struktur des Rassismus“. In: Räthzel, Nora (Hg.in): Theorien über Rassismus. Hamburg. 43-54.

Guillaumin, Colette (2000): „Zur Bedeutung des Begriffs ,Rasse‘“. In: Räthzel, Nora (Hg.in): Theorien über Rassismus. Hamburg. 34-42.

Hall, Stuart (1989): Ideologie. Kultur. Rassismus. Ausgewählte Schriften 1. Hamburg.

Lohlker, Rüdiger (2010): „Islamophobie, Islamfeindlichkeit, antimuslimischer Rassismus“. Online unter: PDF Download (letzter Zugriff Nov. 2010).

Matouschek, Bernd (1999): Böse Worte? Sprache und Diskriminierung. Klagenfurt/Celovec.

Miles, Robert (1994): Racism after ‚Race Relations’ London.

Rommelspacher, Birgit (2008): „Feminismus und kulturelle Dominanz. Kontroversen um die Emanzipation ,der‘ muslimischen Frau“. Unter: PDF Download (letzter Zugriff Nov. 2010).

Said, Edward [1978] (2009): Orientalismus. Frankfurt/Main.

Schlitz, Nico/Wiegand, Felix (2010): „Die FPÖ – Nutznießerin der Krise?“. In: Perspektiven. Magazin für linke Theorie und Praxis Nr. 12, Autoritäre Antworten auf die Krise. Wien. 4-13.

Taguieff, Pierre André [1991] (1998): „Die ideologischen Metamorphosen des Rassismus und die Krise des Antirassismus“. In: Bielefeld, Ulrich (Hg.): Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der Alten Welt. Hamburg, 221-268.
Wagner, Constantin (2010): „Wem nutzt antimuslimischer Rassismus?“. In: ZAG. Antirassistische Zeitschrift Nr. 56., Islambilder. Antimuslimische Ressentiments in Europa. Berlin. 15-17.