Die Wende in der Kulturpolitik. Oder Nichts, was nicht schon vorher dagewesen wäre...
Eine Ministerin wurde ins Amt berufen, die zwar aufgrund ihres beruflichen Backgrounds fern der Inhalte der Kulturinitiativen bzw. der jenseits von Hochkultur stattfindenden Aktivitäten schien, die jedoch bereits in ihren ersten öffentlichen Aussagen ihre Dialogbereitschaft hervorhob. Keine vorschnellen Entscheidungen wollte sie treffen, sondern immer erst auch die „Betroffenen“ hören.
Lange haben wir gewartet. Viel hatten wir uns erhofft. Gerne wollten wir die ersten Unheil verkündenden Zeichen übersehen. Aber. Mehr als neun Monate später blicken wir erstaunt ins Leere. Nichts. Nichts, was nicht schon vorher da gewesen wäre. Nach sieben schweigsamen Jahren in der Kulturpolitik, die ohne jeden Dialog mit den KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen eine völlig unbedeutende Periode hinlegte, waren wir alle voll des Tatendranges und brannten darauf, die dringend anstehenden Entwicklungen loszutreten. Wir warteten auf unser Gegenüber.
Eine Ministerin wurde ins Amt berufen, die zwar aufgrund ihres beruflichen Backgrounds fern der Inhalte der Kulturinitiativen bzw. der jenseits von Hochkultur stattfindenden Aktivitäten schien, die jedoch bereits in ihren ersten öffentlichen Aussagen ihre Dialogbereitschaft hervorhob. Keine vorschnellen Entscheidungen wollte sie treffen, sondern immer erst auch die „Betroffenen“ hören. Nun, Entscheidungen wurden bisher keine getroffen, keine jenseits von Staatsoper und Bundesmuseen – also in den Bereichen, in denen die Ministerin bereits verortet war.
Alte Fragen und neue Gesichter
Aber sie gab auch ein Versprechen zur Verbesserung der sozialen Lage von KünstlerInnen ab. Schließlich ist sie ja einer Partei verpflichtet, die sich sozialdemokratisch nennt. Da sollte dann doch nicht nur von der Staatsoper und den Salzburger Festspielen die Rede sein. Das unter der schwarz-blauen Regierung beschlossene Künstlersozialversicherungsfondsgesetz hatte begonnen, seltsame Blüten zu treiben. Bedrohliche Effekte zu zeitigen. Gerade mit Amtsantritt der neuen Ministerin war klar geworden, wie viele Zuschüsse der Fonds wieder zurückforderte, da die KünstlerInnen zu wenig verdient hatten. Wer bereits arm war, sollte noch ärmer werden. Kein guter Anfang oder ein aufgelegter Elfmeter. Auch Elfmeter können vergeben werden. Dieser Ball liegt seit neun Monaten auf der Strafstoßmarke. Die Ministerin spricht mit den Betroffenen. Nein, nicht die Frau Ministerin. Nein, nicht mit allen betroffenen KünstlerInnen. Die KünstlerInnen werden von ihren Interessenvertretungen vertreten, die Ministerin von ihrem Büro. Einmal war auch sie zugegen. Wer das Tor schießen soll? Natürlich die Ministerin. Aber wann? Die Interessenvertretungen haben dazu alles gesagt, was sie zu sagen hatten. Aber noch immer sehen wir nichts, was nicht schon vorher da gewesen wäre.
Wir sehen neue Gesichter. Zwei neue Sektionsleitungen im Kunst und Kulturbereich. Beide ohne Erfahrungen im Kulturbereich – bzw. ähnlich hochkulturellen, wie auch die Ministerin. Aber beide werden sich in die Materie rasch einarbeiten. Wer schon mal im Kino war, ist ein Kulturexperte / eine Kulturexpertin und wer schon mal ein Fußballmatch sah, NationalteamtrainerIn. Österreich – ein Land der ExpertInnen für „eh alles“.
Der delegierte Dialog
Noch einmal zurück zum Dialog. Der delegierte Dialog. Die direkte Repräsentation. Die Ministerin wird dort gesehen, wo wir, hätten wir die Zeichen nicht ignorieren wollen, erwarten hätten können, dass sie gesehen wird. Bei den Salzburger Festspielen, beim Leharfestival in Bad Ischl und in der Kunsthalle Krems. Die Ministerin wird dort nicht gesehen, wo wir gehofft hätten, sie zu sehen. Bei Gesprächen mit den einzelnen Interessenvertretungen der KünstlerInnen oder der IG Kultur Österreich. Dabei hätten wir so vieles zu besprechen. Die soziale Lage der KünstlerInnen. Die Schaffung von mehrjährigen Förderverträgen für Kulturinitiativen und Kunstinstitutionen. Die Situation der Netzkulturinitiativen. Die Finanzierung der Freien Radios. Die Beteiligungshindernisse bei Europäischen Förderprogrammen. Das Beiratswesen. Die Transparenz in der Kulturverwaltung. Die Kulturforschung. Die Wahrnehmung von MigrantInnen in der Kulturarbeit. Die Hinterfragung des Prinzips der Subsidiarität in der Kunstförderung. Die Schnittstellen von Kunst und Wissenschaft. Die Ausländerabzugsteuer. Die Unterstützung des kulturtheoretischen Diskurses. Und das hätte nur der Anfang sein sollen.
Warten auf die nächste Regierung?
Die Zeichen sind nicht mehr zu ignorieren. Schon gar nicht im symbolisch aufgeladenen Kunstfeld. Wir werden wieder kein entscheidungsbefugtes Gegenüber für unsere Anliegen finden. Neun Monate sind vergangen. Neun Monate, in denen wir einzelne Themen in den verschiedenen Vorräumen deponieren durften. Dass sie je einen Weg durch jene Türen, durch die Staatsoperndirektoren und MuseumsdirektorInnen ein- und ausgehen, finden werden, glauben wir nicht. Ihre Strahlkraft liegt weit unter der Wahrnehmungsschwelle. Gegen die Bühnenscheinwerfer der Bundestheater sind die Probleme der Netzkulturinitiativen nicht mal das Bild David gegen Goliath wert. Oder wer stellt sich schon auf den Fav AC Platz beim Spiel gegen KSV Ankerbrot, wenn er oder sie gleichzeitig in der VIP Lounge medienbegleitet Österreich gegen Japan sehen kann?
Aber was wäre die österreichische Nationalmannschaft ohne Vereine wie den Fav AC? Tot. (Sofern sie das nicht schon ist.) Und was wäre das Ars Electronica Festival ohne Netzkulturinitiativen? Was das Tanzquartier ohne die jahrelangen Kämpfe der freien Tanzszene? Eben. Kann man diesen Weitblick von PolitikerInnen erwarten? Man kann ihn einfordern. Das tun wir. Wir danken für die Gespräche in den Vorzimmern. Wir wollen Taten sehen. Wir wollen in den versprochenen Dialog eintreten. Wir wollen nicht wieder auf die nächste Regierung warten müssen.
Gabi Gerbasits ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich.