Eine Spinne in Europas braunem Netz
Wenn irgendwo in Europa rechtsextreme Netzwerke geknüpft werden, dann ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in aller Regel nicht weit. Seit Jahren gehört sie zu den treibenden Kräften einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit des rechten Lagers.
Wenn irgendwo in Europa rechtsextreme Netzwerke geknüpft werden, dann ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in aller Regel nicht weit. Seit Jahren gehört sie zu den treibenden Kräften einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit des rechten Lagers. Bei der Auswahl potenzieller Partner ist sie dabei keineswegs zimperlich. Und auch wenn die angestrebte Kooperation nicht immer reibungslos verläuft, sind erste Erfolge durchaus zu konstatieren.
Wohlfeile Synonyme für völkische Konzepte der Ab- und Ausgrenzung
Während Anfang Mai überall in Europa an das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 65 Jahren gedacht wurde, war die FPÖ mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Auf Einladung ihres Parteiobmanns Heinz-Christian Strache weilte der Vorsitzende der extrem rechten Plataforma per Catalunya (PXC, Plattform für Katalonien), Josep Anglada i Rius, in Wien. Es galt, die Parteibeziehungen zu vertiefen und mit einem „Freundschaftsabkommen“ zu adeln. Strache betonte anschließend in einer Erklärung, es sei Ziel der FPÖ-Politik, „Verbündete im Kampf für unsere Anliegen quer durch ganz Europa zu finden. Heute setzen wir einen weiteren Schritt in dieser Hinsicht.“
Das unterzeichnete Abkommen umfasst in neun Punkten die Essentials der FPÖ- Europapolitik: „Die Schaffung eines Europas der freien und unabhängigen Nationen im Rahmen eines Staatenbundes souveräner Nationalstaaten“, die Begrenzung der EU auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum und eine gemeinsame Sicherheitspolitik bei gleichzeitiger „Abkehr von allen Versuchen, eine Verfassung für einen zentralistischen europäischen Superstaat zu schaffen“, die Absage an einen Beitritt der Türkei und die Durchsetzung einer restriktiven Einwanderungspolitik sowie „eine pro-natalistische Familienpolitik, die die Förderung des Kinderreichtums der europäischen Völker in der traditionellen Familie bezweckt“. Die Kurzformeln für diesen, von der FPÖ und anderen europäischen Rechtsparteien als „alternatives Konzept“ bezeichneten politischen Ansatz lauten wahlweise „Europa der Vaterländer“ oder „Europa der (selbstständigen) Völker“. „Die europäische Einheit muss auf der Vielfalt beruhen. Dies wird immer eine Herausforderung sein, ist aber eben der Charakter unseres Kontinents“, zeigte sich Strache in der Erklärung überzeugt.
Dass es sich bei diesen Begriffen um wohlfeile Synonyme für völkische und kulturalistische Konzepte der Ab- und Ausgrenzung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene handelt, liegt beim nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Charakter der beteiligten Protagonisten auf der Hand. Traditionslinien eines solchen Europaverständnisses lassen sich bis zum historischen Faschismus und Nationalsozialismus ziehen.
Der Auftritt des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Johannes Hübner beim Wahlkampfauftakt der offen antisemitischen und antiziganistischen ungarischen Partei Jobbik (Die Besseren) am 16. Januar 2010 in Budapest zeigt zudem, dass die FPÖ bei ihren internationalen Kontakten keineswegs wählerisch ist. Zum Zeitpunkt seiner Rede hatte der Oberste Gerichtshof in Budapest bereits das von zwei Vorinstanzen erlassene Verbot gegen die Magyar Gárda (Ungarische Garde), die uniformierte Partei-Miliz von Jobbik, bestätigt. Ihr Erscheinungsbild gleicht dem der von 1944 bis 1945 in Ungarn regierenden faschistischen Pfeilkreuzler. Die Aufmärsche und Aktionen der Garde richteten sich vor allem gegen die Roma-Minderheit. Nach Protesten im In- und Ausland versuchte die FPÖ, den Vorfall zu relativieren. Formale Beziehungen, so hieß es, beständen zwischen beiden Parteien nicht. Gleichwohl meldete das FPÖ-Zentralorgan Neue Freie Zeitung am 21. Januar 2010, Parteichef Heinz-Christian Strache habe eine Jobbik-Delegation in Wien empfangen. Ziel sei es gewesen, die „Zusammenarbeit zu vertiefen“ und „weitere Tätigkeiten zu besprechen“.
Andreas Mölzer: Strippenzieher im Europaparlament
Der bis dato größte Erfolg der FPÖ-Vernetzungsbestrebungen war die Konstituierung der Europafraktion Identität, Tradition, Souveränität (ITS) im Januar 2007. Sie war möglich geworden, weil der mit Jahresbeginn vollzogene EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien die für eine Fraktionsgründung noch fehlenden sechs Abgeordneten rechter Parteien ins Europaparlament spülte. Die Europawahl 2004 selbst hatte dem späteren ITS-Spektrum zunächst nur 14 Abgeordnete beschert. Das Gros der Vorarbeit aber war zweifellos von Andreas Mölzer (FPÖ-MdEP) geleistet worden. Mölzer widmet sich auch publizistisch seit Jahren dem Projekt einer Euro-Rechten und ist der wohl wichtigste Strippenzieher auf europäischer Ebene.
Ein erstes europaweites Vernetzungstreffen zur Vorbereitung der ITS ging bereits vom 11. bis 13. November 2005 auf Einladung der „Freiheitlichen Akademie“ in Wien über die Bühne. In der österreichischen Hauptstadt versammelten sich an diesem Wochenende führende Funktionäre des belgischen Vlaams Belang (VB, Flämische Sache) wie Parteichef Frank Vanhecke und Philip Dewinter, der EU-Parlamentarier und Le Pen-Vertraute Bruno Gollnisch von der französischen Front National (FN, Nationale Front) und der Vorsitzende von Ataka (Attacke), Volen Siderov, aus Bulgarien. Weitere Delegationen kamen von der rumänischen Partidul Romania Mare (PRM, Großrumänienpartei)und den italienischen Neofaschisten der Alternativa Sociale (AS, Soziale Alternative) und des Movimento Sociale – Fiamma Tricolore (MSFT, Soziale Bewegung – Trikolore Flamme). Insgesamt, so hieß es, hätten an der Tagung rund 60 Vertreter von zehn Parteien aus sieben Ländern teilgenommen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen war damit in Wien bereits genau jenes politische Spektrum des europäischen Rechtsextremismus versammelt, aus dem rund ein Jahr später die ITS-Fraktion hervorging. Die am Ende der Zusammenkunft verabschiedete „Wiener Erklärung der europäischen patriotischen und nationalen Parteien und Bewegungen“ kann demnach als Grundlagenpapier der Fraktion angesehen werden, obwohl diese erst am 15. Januar 2007 offiziell Gestalt annahm.
Dass die ITS schon im November 2007 aufgrund interner Konflikte wieder zerfiel, war für die FPÖ ein empfindlicher Rückschlag bei dem Versuch, eine vereinigte Rechte als Akteur auf europäischer Ebene parlamentarisch und politisch zu etablieren. Eine Scharte, die auch bei der Europawahl im Juni 2009 nicht ausgewetzt werden konnte. Nach einer Anhebung des Quorums zur Gründung einer EP-Fraktion von 20 auf 25 Parlamentarier aus sieben statt bisher sechs Ländern sind die derzeit weniger als 20 Abgeordneten offen rechtsextremer Parteien (u.a. FPÖ, VB, FN, Jobbik, British National Party) fraktionslos und damit parlamentarisch weitgehend ohne Einfluss.
FPÖ-Entwicklungshilfe in Deutschland
Der Aufbau einer europaweit wirksamen Rechtsaußenformation ist ohne deutsche Beteiligung kaum vorstellbar. Das hat neben historischen auch realpolitische Gründe. Als größtem EU-Land im Zentrum Europas fällt Deutschland ein besonderes europapolitisches Gewicht zu. Gleichzeitig aber kann die extreme Rechte in der Bundesrepublik, von regionalen Ausnahmen abgesehen, keine vergleichbaren Wahl- und Etablierungserfolge aufweisen, wie sie in eigentlich allen anderen europäischen Ländern gegenwärtig an der Tagesordnung sind. Insbesondere die Grauzone zwischen demokratischem Konservativismus und NS-Parteien und Formationen wie der NPD und den militanten Neonazi-Kameradschaften ist derzeit organisatorisch völlig unterentwickelt, obwohl die kurzzeitigen Wahlerfolge der Statt-Partei und des Hamburger Richters Ronald Schill auf durchaus vorhandene (Wähler-)Potenziale in diesem Spektrum verweisen.
Die FPÖ und der belgische Vlaams Belang unterstützen deshalb – inzwischen seit Jahren – die nationalkonservativen Republikaner (REP) und die rechtspopulistische „Pro Bewegung“ bei Wahlkämpfen oder Großveranstaltungen wie den zwei „Anti-Islamisierungskongressen“ 2008 und 2009 in Köln und anderen Orten Nordrhein-Westfalens (NRW). Auch bei dem mit einem Ergebnis von knapp 1,5 Prozent relativ erfolglosen Landtagswahlkampf von Pro NRW vor wenigen Wochen haben Wahlhelfer von jenseits der Grenze mitgemischt.
Den formalen Auftakt dieser Kooperation markiert die am 17. Januar 2008 in Antwerpen aus der Taufe gehobene und kommunalpolitisch ausgerichtete „Städte- Allianz gegen Islamisierung und Überfremdung“, an der – als „Achse Antwerpen- Köln-Wien“ bezeichnet – die deutsche „Pro Bewegung“, der belgische VB und die FPÖ beteiligt sind.
Ein ähnliches Projekt, die „länderübergreifende rechtsdemokratische Kommunalpolitiker-Plattform Euroregionale Kommunal“, haben der VB und die FPÖ zwei Tage später, am 19. Januar 2008, gemeinsam mit den REP initiiert. Das Bündnis soll sich erstmals im Juni desselben Jahres getroffen und den Europakongress der REP am 21. und 22. Juni 2008 in Rosenheim unter dem Motto „Wohin führt der Weg Europas?“ mit organisiert haben. Nach Veranstalterangaben nahmen rund 400 Menschen teil. Philip Dewinter rief auf dem Treffen zur Bildung einer „europäischen Front“ gegen illegale Einwanderung und Islamisierung und für Identität und Souveränität auf. „Der Islam gehört nicht nach Europa, denn Europa ist ein Kontinent von Schlössern und Kathedralen und nicht von Moscheen und Minaretten“, so VB-Mann Dewinter.
Rechte Europapartei steckt weiterhin in den Kinderschuhen
Ein drittes Projekt, das Anfang 2008 angeschoben wurde, ist die Gründung einer europäischen Rechtspartei, die offiziell vom europäischen Parlament anerkannt werden und damit Anspruch auf Europamitteln erwerben soll. Wieder standen die FPÖ und ihr Europa-Frontmann Andreas Mölzer im Zentrum der Bemühungen. Zu einer ersten Vorbereitungsrunde kamen vom 24. bis zum 26. Januar 2008 die Vorsitzenden von Parteien des vormaligen ITS-Spektrums in Wien zusammen. Dabei bekräftigten Volen Siderov (Ataka), Frank Vanhecke (VB), Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Jean-Marie Le Pen (FN), man wolle die Partei bis zum 15. November 2008 auf die Beine stellen.
Bisher ist das jedoch nicht geschehen, was am Anforderungsprofil fur eine Europapartei liegen dürfte. Denn nach derzeitiger Rechtslage müssen sich Parteien aus mindestens sieben EU-Staaten zusammenfinden, die entweder Abgeordnete im europäischen oder in nationalen Parlamenten haben oder bei der letzten Europawahl auf mindestens drei Prozent der Stimmen kamen. Solche Rechtsaußenparteien, zumal nicht anderweitig organisierte, sind nicht gerade reich gesät. Als Arbeitstitel des Vorhabens wurden „Europäische Freiheitspartei“ und „Europäische Patriotische Partei“ genannt. Zentrale politische Ziele seien die Bekämpfung der „Islamisierung“ und der „Selbstaufgabe Europas“ sowie der „unkontrollierten Massenzuwanderung“.
Carsten Hübner
arbeitet seit rund 20 Jahren zum Thema Rechtsextremismus. Er lebt in Berlin und betreibt in seiner Freizeit das Weblog eurorex, das sich mit der extremen Rechten in Europa befasst.