Förderpraxis bleibt unfair - intransparente Fair-Pay-Umsetzung bei Bundesförderungen
Am 27.Jänner 2022 hat die Staatssekretärin für Kunst und Kultur in einer Pressekonferenz 6,5 Mio € für Fair-Pay für 2022 in Aussicht gestellt. Das war die gute Nachricht. Von einer nachhaltigen Verbesserung der sozialen Situation für Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen sind wir immer noch weit entfernt.
Um tatsächlich zu fairen Bezahlungen zu kommen, braucht es eine Neuausrichtung der Förderpolitik. Nach jahrzehntelanger wild gewachsener und intransparenter Förderstrukturen, die verstärkt durch Corona ihre Schwachstellen für alle sichtbar gemacht haben, ist es hoch an der Zeit für Reformen. Die schlechte Nachricht ist, dass alles so bleibt wie es ist. Kulturpolitisch brisante Themen wie Fair-Pay werden auf Budgetfragen im Fördersystem beschränkt. Zur Umsetzung der Fair-Pay-Strategie konnte oder wollte die Staatssekretärin in der Pressekonferenz keine Details bekannt machen.
Stattdessen wurde auf die für Ende Februar und März 2022 anberaumten Gesprächsrunden mit Interessenvertretungen und Gebietskörperschaften hingewiesen. Die Einbindung der Interessenvertretungen läuft jedoch bei genauer Betrachtung ins Leere. Bis diese Gespräche tagen und Lösungen ausgearbeitet wurden, ist das Geld schon ausgegeben. Die fördertechnischen Fragen zu Fair Pay und damit die Umstellung auf eine faire Förderpraxis sollten sinnvoller Weise vor der Verteilung der Mittel ausgearbeitet sein. Die Expertise der Interessenvertretungen in Nachhinein einzuholen kann nur mehr als Showeffekt gewertet werden. Seit dem Frühjahr 2020 (!) fordern wir in zahlreichen Gesprächen und Presseaussendungen Arbeitsgruppen zu den wichtigen Fragen der Umsetzung. Nun ist klar, dass wir hier nichts mitzureden haben. Grüne Kulturpolitik reiht sich in Fragen der Intransparenz und Beteiligungsfeindlichkeit in die Praxis ihrer Vorgänger*innen nahtlos ein.
Zurück zur guten Nachricht. Von den 6,5 Mio € werden jene von unseren Mitglieder profitieren können, die bisher schon Bundesförderung bekommen haben. Allerdings kann auch damit nicht der gesamte Fair-Pay-Gap geschlossen werden, sondern es wird nur der Bundesanteil prozentuell angehoben. Da wir nicht informiert wurden wie und wann die Kultureinrichtungen dazu einreichen müssen, empfehlen wir sich mit der Förderstelle direkt in Verbindung zu setzen. Sobald uns nähere Informationen zugänglich sind, stellen wir sie natürlich sofort auf unsere Website.
Die Summe von 6,5 Mio € beruht auf einer Schätzung auf Grundlage der in der Kunstsektion verfügbaren Daten. Es wurde zwar vom Gallup Institut eine Fair-Pay-Gap Studie durchgeführt, allerdings haben sich daran nur rund 200 Institutionen beteiligt, so dass der dort erhobene Bedarf nicht repräsentativ war.
Daher hat das Staatssekretariat eine grob hochgerechnete Summe budgetiert, die überraschenderweise in die bereits im Budget 2022 vorhandenen höheren Mittel für die Freie Szene von 10 Mio € passt. Allerdings wurde in der Pressekonferenz auch darauf hingewiesen, dass keine Garantie besteht diesen Betrag auch im nächsten Jahr zur Verfügung zu haben. Es heisst also vorsichtig zu sein bei einer allfälligen Anpassung der Arbeitsverträge. Auch hier empfiehlt sich eine Nachfrage bei der Förderstelle.
Die Studienergebnisse der Fair-Pay-Gap Studie findet sich hier. Einige der interessantesten Absätze haben wir herausgesucht:
Von den 262 Kulturorganisationen, die sich an der Umfrage beteiligten, sind 117 (45%) in Wien und jeweils 29 (11%) in den Bundesländern Steiermark und Tirol angesiedelt. Aus dem Bundesland Kärnten haben 19 (7%), aus Vorarlberg 15 (6%), aus Niederösterreich 14 (5%) und aus Salzburg 11 (4%) Einrichtungen teilgenommen. Aus dem Burgenland, dem einwohnerschwächsten Bundesland, beteiligten sich 2 Kulturorganisationen an der Befragung.
Ein Großteil der teilnehmenden Kulturorganisationen, nämlich 164 (63%) der Stichprobe, weist die Struktur bzw. die Rechtsform eines Vereins auf.
Setzt man den Fair-Pay-Gap mit den Sparten in Beziehung, so zeigt sich, dass er im Bereich Bildende Kunst mit 70% am größten ist, gefolgt von den Interessengemeinschaften und Sonstiges mit jeweils 49% sowie den Sparten Soziokulturelle Aktivitäten mit 47% und Musik mit 46%. Den geringsten FairPay-Gap verbucht die Sparte Film, Video – hier liegen die Unterschiede zwischen aktueller Bezahlung und Bezahlung unter Fair-Pay-Konditionen bei 14%.
Der größte Fair-Pay-Gap besteht prozentuell bei Einzelunternehmen/Neuen Selbständigen (n=40), wo er 87% ausmacht, der kleinste mit 2% bei Einrichtungen, die die Struktur einer GmbH aufweisen. Einrichtungen, die unter die Kategorie Sonstiges fallen (n=6), weisen einen Fair-Pay-Gap von 35% auf, bei Vereinen (n=137) beläuft sich der Fair-Pay-Gap auf 37%.