Gedanken zum Sparpaket aus kulturpolitischer Sicht
Während in Deutschland die Schließung jeder zweiten großen Kultureinrichtung diskutiert wird, können sich Kulturschaffende in Österreich an der Ansage der Kunstministerin wärmen: „Im Kulturbereich wird nicht eingespart.“
Bei einer Analyse des Sparpakets aus kulturpolitischer Sicht muss es einerseits um die Kunst- und Kulturbudgets des Bundes und der Länder, und andererseits um die kulturpolitischen Auswirkungen des gesamten Stabilitätsgesetzes gehen. Dazu gibt es Stellungnahmen der einzelnen Interessenvertretungen. Hier sei deshalb nur ein kurzer Kommentar der Debatte angehängt, der versucht, einzelne Eckpunkte zu verknüpfen.
Das Kunstbudget ist einer der ganz wenigen Bereiche, der bereits aus den Verhandlungen der Regierung als privilegiert, weil nicht gekürzt, hervorgegangen ist. Während in Deutschland die Schließung jeder zweiten großen Kultureinrichtung diskutiert wird, können sich Kulturschaffende in Österreich an der Ansage der Kunstministerin wärmen: „Im Kulturbereich wird nicht eingespart.“ Wie bringt man in diesem Kontext medial noch unter, dass seit Jahren in der Kulturpolitik so viel im Argen liegt? Dass die Budgets schon lange nicht mehr reichen, um neben den staatseigenen Institutionen auch andere Initiativen ausreichend zu finanzieren? Dass gesellschaftlichen Herausforderungen kulturpolitisch nicht mehr begegnet wird? Die Novellierung des Urheberrechts, das veränderte Mobilitätsverhalten, die sich verschlechternde soziale Lage von KünstlerInnen, die soziale Schieflage in der Kreativwirtschaft, Fragen der Stadtentwicklung und Gentrifizierung: Wo sind die Antworten auf diese Entwicklungen? Oder anders gefragt: Wo sind Ansätze einer gestaltenden Politik zu erkennen?
Das Budget für die Kunst zu retten, ist zweifellos eine Kernaufgabe der zuständigen Ministerin, aber das Budget ist die Begleitmusik zur kulturpolitischen Schwerpunktsetzung.
Seit der Platzierung der rechten Neiddebatte auf dem kulturpolitischen Feld, die 1995 von der FPÖ bei den Gemeinderatswahlen als „Kulturkampf“ zum Wahlkampfthema erhoben wurde, wankt der gesellschaftspolitische Konsens, dass Kunst und Kultur von der öffentlichen Hand gefördert werden sollen. Dem wurde von den anderen politischen Lagern wenig entgegengehalten. Heute sind wir so weit, dass sich die Kunstministerin scheut, Evaluationen zu veröffentlichen, um diesen Diskursen nicht zuzuarbeiten. Da ist eine Erhöhung der Kunstbudgets politisch, gesellschaftlich oder medial nur mehr schwer durchzusetzen.
Europaweit wird das Kulturbudget reduziert, von Italien bis zu den Niederlanden wurden die Etats gekürzt. Portugal hat vor wenigen Monaten das Kunstministerium aufgelöst. Nur in Schweden, wo die Krise schon vor Jahren die Politik zum Sparen zwang, wurde das Kunstbudget kräftig erhöht.
Trotzdem wagen es die Kulturschaffenden, unzufrieden zu sein. Nicht nur, weil sie schon so lange unzufrieden sind, sondern weil offensichtlich geworden ist, dass im Sparpaket die Verteilungsdebatte umschifft wird. Seit Jahrzehnten steht die Forderung im Raum, das Kunstbudget auf ein Niveau anzuheben, das einen Ausgleich zwischen der Finanzierung bürgerlicher Repräsentationskultur und alternativer, zeitgenössischer Kunstformen sowie dem soziokulturellen Bereich ermöglicht. Dieses Ungleichgewicht politischer Zuwendung wurde auch unter sozialdemokratischen KunstministerInnen niemals angetastet.
Genauso wenig wird aus gesamtgesellschaftlicher Sicht in diesem Sparpaket die verteilungspolitische Schieflage ins Lot gebracht. Können KünstlerInnen und Kulturschaffende dazu schweigen, nur weil im Kulturbereich nicht eingespart wird?