Hacking the power oder Merkantilisierung der Offenheit? Die Netzkultur findet zu ihrem Diskurs zurück
Der digitale öffentliche Raum ist als Konfliktzone heiß umfehdet. Produktionsplattformen und künstlerische Netz-Projekte haben daher auch in Österreich ein schweres Los. Politischer Kampf muss gerade an der Schnittstelle von Kunst und Neuen Medien immer wieder Anlass für Überzeugungsarbeit sein.
Gut, dass es die Krise gibt. In schlechter werdenden Zeiten nimmt auch die Netzkultur wieder einen konjunkturellen Aufschwung im Diskurs. Tatsächlich hat der digitale Raum eine kontroversielle Beteiligung dringend nötig. Denn was als Rezession in den Datenwelten zur Zeit für ein Anwachsen des Gesprächsstoffes sorgt, belebt neben der Ursachenforschung vor allem auch die gemeinsame Suche nach geeigneten Strategien.
Das Interesse der Netzkultur-Szene gilt dem offenen und kritischen Umgang mit Medientechnologie und deren politischen Implikationen. Die soziale Genese der Techno-Kultur, wie sie hier zuletzt von Felix Stalder und Konrad Becker beschrieben wurde (Kulturrisse 02/04), wendet sich mehr denn je der Frage zu, wie die gesellschaftliche Relevanz einer emanzipatorischen Nutzung der Neuen Medien zum Tragen kommen kann.
Waren es in den 1990er Jahren vorwiegend Forderungen nach Zugängen zum Netz sowie nach Ermöglichung unabhängiger und nonkonformer Kommunikationskanäle, so stehen gegenwärtig Probleme an, die eine massive Bedrohung für ein offenes und freies Informations- und Mediensystem bedeuten. Digitale Kontrollsysteme legen die Verfügungsgewalt über Content und Wissensinhalte zunehmend in die Hand einzelner Konzerne der Massenunterhaltungsindustrie. “Intellectual Property” steht inzwischen nicht nur als Chiffre für einen dramatischen Raubzug im Informationszeitalter, sondern zielt mittlerweile mit der Keule “Freiheitsentzug” auch auf all jene, die mit Hilfe von offenen technologischen Standards unabhängige Netzinfrastrukturen und Interaktionsplattformen errichten und betreiben wollen. Auch österreichische Netzkultur-Projekte befinden sich auf stark vermintem Terrain.
Als sich das konsortium.Netz.kultur im Jahr 2001 als bislang kleinste Organisation im Spektrum der kulturellen Dachverbände konstituierte, musste zugleich eingestanden werden, dass ein Generalvertretungsanspruch für die Netzkultur schon alleine deshalb widersinnig ist, weil die Vielschichtigkeit der Community nicht ignoriert werden kann. Gerade dieses Merkmal muss aber offensiv strategisch vermittelt werden, wenn es nicht zu einem pluralen Kennzeichen von Privatangelegenheiten verkommen soll. Daraus resultiert in einer Standortbestimmung nicht zuletzt die Kompromisslosigkeit gegenüber jedwedem Liebäugeln mit einer Merkantilisierung der Offenheit, die dem Open Source-Charakter der netzkulturellen Praxis innewohnt. Mit Public Access ist kein Geschäft, mit dem Markt letztlich auch kein Staat zu machen. Daran hat sich für die freie Szene, die sich eine konfliktuelle Mitgestaltung von Gesellschaft und Technologie zur Aufgabe macht, nichts geändert.
Dieser Standpunkt ist auch keineswegs aus der Luft gegriffen. Im Rahmen des Salzburger BASICSfestival, einem Forum für Kunst, Technologie und Gesellschaft, das eine kritische Diskussion der “Neuen Selbstverständlichkeiten” anregen sollte, wurde Anfang Mai auch der affirmative Charakter der Medienkunst zur Sprache gebracht. Sie neige immer mehr dazu, meinte etwa der Kommunikationstheoretiker Claus Pias in seinem Vortrag, genau jene Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu reproduzieren, gegen die sich die Hacking-Kultur von einst noch so energisch wandte. Ein guter Teil dieser affirmativen Wirkung ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass manche in der Medienkunst eine engere Anbindung an den Markt geradezu suchen. Doch Achtung: Der Weg von der kritischen Medienkunst zum Klinkenputzen für die High-Tech-Industrie ist oft deutlich kürzer als vermutet.
“Hacking the power”, ein zentrales Motiv der Tactical Media, hat auch ein Jahrzehnt nach der ersten Blütezeit einer digitalen Auflehnung gegen Neoliberalismus, mediale Machtkonzentration und ökonomische Ausbeutung keineswegs an Bedeutung eingebüßt. Während mancherorts das Klagen über Identitätskrisen, gescheiterte Businessmodelle und Neuigkeitsmängel in der Netzkultur schon bizarre Formen annimmt, ist ein Teil der Community längst auf dem besten Wege, die “soziale Intelligenz der Techno-Kultur” auch auf Österreich zu übertragen. Dazu ein Beispiel: Die Linzer Stadtwerkstatt hat die gewachsene Hybridstruktur ihres Hauses bereits zu nutzen gewusst, um mit Netzkultur-Know-how auch TV-Projekte zu realisieren, die sich von Mainstream-Formaten und Konsumgewohnheiten in jeder Hinsicht unterscheiden. Das Prinzip der freien Zugänglichkeit, die sozio-kulturellen Ressourcen sowie das entwicklerische Potenzial bilden eine ideale Ausgangssituation für ein Fernseh-Experiment der Zukunft, das interaktiv und bidirektional funktioniert.
Die neue Rückbesinnung auf den Diskurs der Netzkultur bietet in erster Linie die Chance, Schlussfolgerungen aus den Debatten noch konsequenter anzuwenden. Der digitale öffentliche Raum ist als Konfliktzone heiß umfehdet. Produktionsplattformen und künstlerische Netz-Projekte haben daher auch in Österreich ein schweres Los. Politischer Kampf muss gerade an der Schnittstelle von Kunst und Neuen Medien immer wieder Anlass für Überzeugungsarbeit sein. Die Machtverhältnisse geben keinen Grund, zu Konzessionen in der strategischen Ausrichtung der Netzkultur bereit zu sein. Aussichtsreicher ist da noch immer die direkte Konfrontation.
Gabi Kepplinger (servus.at), Peter Riegersperger (Subnet) und Martin Wassermair (Public Netbase) sind Vorstandsmitglieder des konsortium.Netz.kultur.