Interventionen gegen Rassismen
<p><i>Ein Rundgang durch die Ausstellung “Interventionen gegen Rassismen” im Wiener Galerieraum der IG Bildende Kunst.</i><br /> <br /> <br /> Schon der doppelte Plural im Ausstellungstitel verweist auf die Gleichzeitigkeit verschiedener – teils miteinander verschränkter, teils im Widerspruch stehender – rassistischer Diskurse. In seiner Auseinandersetzung mit Rassismus als ideologischem Diskurs schlug Stuart Hall bereits in den 1980er Jahren vor, anstatt von dem
Ein Rundgang durch die Ausstellung “Interventionen gegen Rassismen” im Wiener Galerieraum der IG Bildende Kunst.
Schon der doppelte Plural im Ausstellungstitel verweist auf die Gleichzeitigkeit verschiedener – teils miteinander verschränkter, teils im Widerspruch stehender – rassistischer Diskurse. In seiner Auseinandersetzung mit Rassismus als ideologischem Diskurs schlug Stuart Hall bereits in den 1980er Jahren vor, anstatt von dem Rassimus von Rassismen zu sprechen, da rassistische Diskurse historisch/sozial/kulturell unterschiedlich geformt sind und unter verschiedenen institutionellen und ökonomischen Bedingungen wirksam werden. Was umgekehrt auch bedeutet, dass es unterschiedlicher Ansätze und Strategien in der antirassistischen Arbeit bedarf, die die jeweiligen spezifischen Ausprägungen rassistischer Ideologien berücksichtigen und in der Lage sind, verschiedene Handlungsfelder zu erschließen. In diesem Sinne könnte man auch die verschiedenen Projektteile der Ausstellung “Inventionen gegen Rassismen” verstehen. Hier werden unterschiedliche künstlerische und aktivistische Positionen zusammengeführt, die sich mit Ursachen und Wirkungsweisen von Rassismen auseinandersetzen und antirassistische Praxen vorstellen. Daniela Koweindl und Martin Krenn haben als InitiatorInnen der Ausstellung die Rahmenbedingungen für eine Plattform geschaffen, an der ebenso einzelne KünstlerInnen wie ganze Projektgruppen beteiligt sind – die Organisation und Auswahl der Arbeiten für die Ausstellung erfolgte in einer offenen Arbeitsgruppe der TeilnehmerInnen.
Im Galerieraum der IG Bildende Kunst sind ältere und neuere Videoarbeiten von KünstlerInnen/AktivistInnen zu sehen, die u.a. die Lebenssituationen von “illegalisierten MigrantInnen” dokumentarisch festhalten und “Gegeninformationen” zur Berichterstattung bürgerlicher Medien liefern, wie etwa der 13-minütige Videofilm “Sans Papiers” von Tanja Ostojic und David Rych, der Illegalisierte in einem der größten Schubhaftgefängnisse in der BRD in Berlin-Köpernick porträtiert. Ein anderes Beispiel ist das Video “Community Matters” des Künstlerinnenduos Klub Zwei, die die MitarbeiterInnen von Kalayaan und UWA, der United Workers Association, die sich für die Rechte von vielfach illegalisierten Hausarbeiterinnen in Großbritannien einsetzen, interviewen. Die Struktur dieser zwei Organisationen ist die Konsequenz einer immer wiederkehrenden Erfahrung zwischen “MigrantInnen” und “Nicht-MigrantInnen” in der antirassistischen Arbeit: Während die United Workers Association als Organisation der Hausangestellten agiert, stellt sich Kalayaan als UnterstützerInnengruppe hinter die UWA – so wird sichergestellt, dass Hausangestellte selbst die Politik der Organisation mitbestimmen und privilegierte UnterstützerInnen nicht dominieren.
“Dienstleistung Fluchthilfe” von Martin Krenn und Oliver Ressler sowie die Arbeit der Gruppe schleuser.net setzen sich mit der gängigen Darstellung von “Fluchthilfe” und Migration auseinander und versuchen eine Umbewertung des negativen Bildes des “Schleppers”. Während Krenn und Ressler anhand von Gesprächen mit AktivistInnen die Thematik analysieren und kritisch kommentieren, üben sich schleuser.net in “Culture Jamming”, indem sie – ganz im Stile von Wahlwerbespots aus Politik und Wirtschaft – unter dem Slogan “Mobilität ist unser Ziel” für das Berufsbild “SchlepperIn/SchleuserIn” werben und gegen die “Überregulierung des Grenzregimes” zugunsten für “mehr Sicherheit im Reiseverkehr” auftreten.
Eine weitere Station der Ausstellung ist die auf DVD dokumentierte Arbeit der Projektgruppe “dezentrale medien”. Von 2000 bis 2003 arbeitete die Gruppe zusammen mit Jugendlichen migrantischer Herkunft in Wien an partizipativen Filmprojekten, die öffentliche und halböffentliche Räume als wichtige Schauplätze im Leben der Jugendlichen in dieser Stadt sichtbar machen und einen eigenen, selbstgewählten Blick auf Wien geben. Um die Autonomievorstellung von Kunst handelt Petja Dimitrovas Videoarbeit “§taatsbürgerschaft?”/”Nationality?”. Dimitrova geht der Frage nach, wie sich das “Privileg” “KünstlerIn mit Diplomabschluss” vor dem Hintergrund des Ansuchens um die österreichische Staatsbürgerschaft positioniert. Dem Video ist eine doppelte Funktion unterlegt: Einerseits ist es die Dokumentation über das von Behörden auferlegte Sammeln und Vorlegen von Nachweisen für die neue Staatsbürgerschaft, andererseits war es zugleich die Abschlussarbeit für Dimitrovas Kunstdiplom.
Lisl Pongers Videoarbeit “Passagen” von 1996 sowie “Dar-el-Beida” von Tim Sharp erzählen (E)Migrationsgeschichten aus einer anderen, erneuerten Bilderperspektive – so fügt beispielsweise Sharp Szenen des Filmklassikers “Casablanca” zu einer unerwarteten Geschichte von Flucht und Migration, Nicht-Verortung und einer Reise ohne Ende zusammen.
“STATUS 03” von Zuzana Hruskova Albertsens baut auf ihren Erfahrungen als Dolmetscherin für Asylsuchende im Norden Englands. 2001 verließ sie die Slowakei und ließ sich in Newcastle nieder, wo sie seitdem als Übersetzerin arbeitet. “A silent video” lautet der Untertitel der Arbeit – die beharrliche Stille gleicht der Sprachlosigkeit oder dem Nicht-Angehört- und Stumm-gemacht-werden jener, die sich als “Immigrants” und “Asylum Seekers” in England aufhalten.
Im Mittelpunkt des Videoparcours steht die eindrucksvolle Arbeit von Adla Isanovic, deren Titel “MI/ME” sowohl das englischsprachige Pronomen “Ich” als auch das Wort “Wir” auf Bosnisch beinhaltet. Über die Bilder, die anonyme Menschen auf einer Straße in Dubrovnik zeigen, ist die Stimme der Künstlerin gelegt, die in knappen, simplen Sätze spricht: “I am an artist”, “I lived through war” oder “I am not traumatized”. Während am unteren Bildrand – ganz “CNN-Style” – Eckdaten zur Geschichte des “Balkans” vorbeifließen, bleibt der westliche Blick auf den unbekannten Menschen auf der Straße haften, nicht in der Lage, das Individuum zur Stimme zu erkennen.
“Interventionen gegen Rassismen” ist ein mehrteiliges Projekt, das über die Ausstellung der besagten Videoarbeiten hinausgeht. Neben der Gestaltung eines gemeinsamen Zeitungsprojektes – zusammen mit “Die Bunte Zeitung” wurde eine Sondernummer mit Inserts der ausstellenden KünstlerInnen herausgegeben – wird im Rahmen von “Interventionen gegen Rassismen” die “Aktion Gemeindebau” von Lisa Lnenicka präsentiert. Mittels Workshops, gemeinsamen Videodrehs und Performance-Aktionen wird in der Maresch-Siedlung im 15. Wiener Gemeindebezirk versucht, Freiräume für Diskussionen und individuelle Artikulation zu kreieren. Ein weiterer Teil des Projektes war die Diskussionsveranstaltung “Geteilte Territorien – Erkämpfte Gemeinsamkeiten”, die die Allianzenbildung zwischen “MigrantInnen” und “MehrheitsösterreicherInnen” thematisierte. Hier wurde einmal mehr die Anstrengung, an der Auflösung der eigenen Identität (im Sinne einer fremdbestimmten Zuschreibung) zu arbeiten und gleichzeitig Identitätspolitiken als “strategischen Essenzialismus” zu begreifen, deutlich.
Antirassistische Engagements scheitern – und hier im Gegensatz zu gemischten feministischen oder schwul/lesbisch/queeren Gruppen, wo solche kritischen Punkte ungleich schneller debattiert werden würden – wiederholt in zweierlei Aspekten: die Vereinnahmung durch und die Dominanz von privilegierten AktivistInnen, die nicht rassistisch diskrimiert sind, und das Einfrieren von MigrantInnen als “von Rassismus betroffene”, schwache, schützenswerte Opfer – die einzige Kompetenz, die “MigrantInnen” in antirassistischen Gruppen zugestanden wird, scheint die Erfüllung dieser Opferrolle zu sein. Rúbia Salgado von MAIZ formulierte in ihrem Diskussionsbeitrag das Bedürfnis nach gemeinsamen Kooperationen folgendermaßen um: “Wir brauchen die Zusammenarbeit, weil sie strategisch notwendig ist, nicht, weil wir euch ÖsterreicherInnen so sehr lieben – wir wollen euch benutzen und werden über euch Territorien besetzen!”.
Immer wieder schwierig gestaltet sich das Ringen um Sprache und Kategorien. Begriffe wie “MigrantIn” oder “MehrheitsösterreicherIn” werden und wurden in den Arbeiten und Diskussionen im Rahmen der Ausstellung ständig, beinahe selbstverständlich verwendet. Allerdings stellt sich doch noch immer die Frage, wer wen aufgrund welcher “Merkmale” unter der Bezeichnung “MigrantIn” oder “migrantischer Herkunft” subsumiert und wer subsumiert wird – z.B. mit oder ohne österreichischem Reisepass bzw. überhaupt mit Ausweispapieren, Angehörige der Ersten, Zweiten, Dritten Generation, Klassenzugehörigkeit etc. “So kann es passieren, dass einer nach 15 Jahren ,Aufenthalt’ in Österreich zum ersten Mal das Prädikat ,Migrantin’ verliehen wird”, bemerkte etwa Anna Kowalska in der Schwerpunkt-Ausgabe “Antirassistische Öffentlichkeiten – Feministische Perspektiven” der Zeitschrift “Vor der Information”. Labels wie “MigrantIn” stellen keinen wie auch immer gearteten Konsens dar – sie sind höchstens temporäre “Arbeitsbegriffe”, die selbst eine wiederholte Überprüfung wert sind.
Vina Yun studiert Sprachwissenschaft und Gender Studies an der Universität Wien. Sie ist freie Autorin und Redakteurin bei der Monatszeitung MALMOE.