Jour Fixe mit Kulturstadtrat Werner Miedl

Rahmenbedingungen für die Kulturarbeit in Graz
Jour Fixe mit Werner Miedl, Kulturstadtrat der Stadt Graz

Jour Fixe am 6. Dezember 2005, Radio Helsinki, Graz

Rahmenbedingungen für die Kulturarbeit in Graz
Jour Fixe mit Werner Miedl, Kulturstadtrat der Stadt Graz

6. Dezember 2005, 18:00 Uhr, Radio Helsinki, Griesgasse 8, 8020 Graz
Live-Übertragung auf Radio Helsinki

Grazer Kulturstadtrat Werner Miedl über Bedingungen für Kulturschaffende in Graz und „dunkle Gestalten“

Stadtrat Werner Miedl und IG-Obmann Michael Petrowitsch
Stadtrat Werner Miedl und IG-Obmann Michael Petrowitsch

Martin Dopler: Begrüßung seitens Radio Helsinki, „Produktionsbedingungen waren in den letzten Jahren für Kulturschaffende in Graz nicht so gut.“

Michael Petrowitsch: Begrüßung seitens IG Kultur Steiermark, Vorstellung Werner Miedl (aus Oberwölz, Maschinenschlosser, Polizist, Wiki Graz, zuletzt VP-Nationalrat, jetzt in Graz zuständig für Bau, Schulen und Kultur, Kultur von Stadtrat Buchmann übernommen, „der eine Zwischendecke eingezogen und die Kultur von den Kulturschaffenden durch Beiräte abgekoppelt hat“), bemerkt, dass der vor zwei Wochen abgehaltene Grazer Kulturdialog zu oberflächlich abgelaufen ist. Zu sprechen wird sein über: Finanzen der Stadt Graz, freie Theater, das große Vakuum nach 2003-Neupositionierung der Stadt Graz. Wie stellen Sie sich die Zukunft vor, Herr Stadtrat?

Werner Miedl: Zum Kulturdialog: War froh, dass nicht konkreter geredet wurde, weil ich zu diesem Zeitpunkt nicht so sattelfast war. Inzwischen war ich relativ viel unterwegs bei Kulturschaffenden. Ich bin 1999 aus Graz nach Wien gegangen und war verblüfft, was seither viel mehr an Inhaltlichem in Graz kulturmäßig geschehen ist. Wir bekommen und studieren gerade den Evaluationsbericht des gesamten Kultur-Geschehens in der Stadt, der nach der Unesco-Methode LIKUS durchgeführt wurde und bemisst, wie hoch ist der Anteil der Kultur am Geschehen und wie hoch ist der Anteil des Budgets dafür ist. Ja, natürlich wird da auch nach Sparten unterschieden und auch zwischen großen Häusern und Initiativen. Ich biete gern an, dass wir zu diesem Bericht, der öffentlich auf der Homepage zugänglich ist, eine zweite Veranstaltung machen.
Zur Nachfolge von 2003: Die Idee sich als Architekturhauptstadt zu positionieren hat so im Stadtsenat nicht funktioniert, ich versuche da breiter zu werden und das Architektr-Projekt mit einer zusätzlichen Ausrichtung zu versehen: Soziokultureller Raum, Siedlungsräume, Angsträume (...) Integration. Dafür habe ich eine strategische Verbindung mit der Stadträtin Tatjana Kaltenbeck aufgenommen. Es geht darum, Strategien zu entwickeln, wie man möglichst ohne Polizei eine sichere Stadt machen kann (Beispiel Paris hätte man vorbegen können....)

M. Petrowitsch: Liebe meine Heimatstadt ja sehr, möchte aber Paris nicht mit Graz vergleichen. Ich hab eher Angst, durch die Kärntnerstraße zu fahren, weil die so schirch ist.

Miedl: Das ist schon richtig. Aber ich nenne Ihnen ein Beispiel. Ich habe Wiki aufgebaut in Graz. Da wurde in einer Siedlung ein Sozialarbeit-Projekt eingerichtet. Aber in 20 Jaren hat sich das Sozialleben in dieser Siedlung komplett verändert. Da ist Bedarf an anderem. Es darf zB. Nicht mehr sein, dass Frauen Angst haben, durch den Stadtpark zu gehen. Da gibt es eine Studie einer Berliner Architektengruppe, die wir uns gerade anschauen, die durch einfache Mitel wie Licht etc. aus Angsträumen Lebensräumen machen.

M. Petrowitsch: Wäre es da nicht billiger, 3 Polizisten am Stadtpark zu positionieren, als die Architektengruppe aus Berlin zu bemühen?

Miedl: Es war nur ein Beispiel und ich habe noch eines: In Lissabon am Hafen hatte man das Problem, dass sich dort dunkle Gestalten herumtrieben und der Hafen von den meisten Menschen gemieden wurde. Dann wurde dort ein Kulturzentrum eingerichtet und die dunklen Gestalten verschwinden zunehmend aus dieser Gegend.

Anita Hofer: Aber die Gestalten verschwinden ja nur anderswo hin. Auch Paris zeigt af: a geht es um eine Ghettoisierung, um eine Vertreibungspolitik an die Stadtränder.

Miedl: Ich habe letzte Woche mit dem Soziologen Peter Gasser-Steiner gesprochen, (der für Graz die Wohnungsvergaberictlinien erarbeitet hat) und zwar über ein Projekt, welche Strategien diesbezüglich zum Erfolg führen. Wir wollen Anreize für die durchmischte Besiedelung bieten.

Publikum: Aber die Idee der Architekturhauptstadt – und schade, dass die Architekten heute hier nicht vertreten sind – darf nicht von Soziokulturellem getrennt werden und ebenfalls nicht von den örtlichen Architekten. Es sollte selbsverständlich sein, dass die Architektur auch gefragt wird.

Miedl: Was für Sie selbstverständlich erscheint, ist es für jeden anderen noch längst nicht. Natürlich wollen wir mit Architektengruppen aus Graz arbeiten.

Publikum: Wir haben über Sicherheit, Wohnkultur, Architektur geredet – ist es das worum es heute geht? Nicht auch über Musik etc.? Ich sehe alles déja-vu. Ich komme aus Los-Angeles. Ich verfolge die Wohnungssuche vieler Menschen aus Türkei, Afrika, Irak usw. hier in Graz, weil ich mit ISOP zu ihnen Verbindung habe. Diese Wohnungssuche ist mühsam, weil die Leute aus Waltendorf, St. Peter und so weiter wollen nix an Ausländer vermieten. Die sprechen nicht einmal mit ihnen. Also suchen sich die Leute eben lieber in Gries und Lend Wohnungen, weil man da eher für sie offen ist – wenn auch zu völlig überhöhten Preisen! Ich muss ständig intervenieren!

Anita Hofer: Wenn die Integration in Lend und Gries eher geht, heißt das ja, dass in diesen Bezirken die Integration funktioniert und mit den anderen Bezirken müsste gearbeitet werden, dort müssen die Leute offener werden!

Miedl: Genau das. Die Rezepte der Politik bisher gingen nicht auf. Wir wollen das ändern, wollen Neues versuchen, mit diesen Soziologen.

Publikum: Bin Lehrerin und finde, Graz sollte sich als Stadt neu positionieren, sich an die Spitze setzen Ich habe dafür eine einfache Lösung, die langfristig wirkt, allerdings kostet sie auch was: Im Kindergarten Kleingruppen machen. Da müssen alle lernen: Die zugewanderten Kinder lernen die Sprache und die Eltern lernen mit. Die hiesigen Kinder lernen das Fremde kennen und die Angs vor dem remden fällt weg. (...)

Herwig Höller: Es ist eine interessante Tendenz hier, für eine IG-Kultur-Diskussion. Die Personalentscheidung Werner Miedl war ja auch schon eine Statement: Die Einführung der Sicherheits-Thematik. Der Ansatz: Kultur als Vorbeugung, Kultur als Integration – wie drückt sich das in der budgetären Kultursubvention aus?

Miedl: Wie gesagt, der Informationsbericht über 2005 ist nachlesbar im Internet. Wir müssen vieles neu andenken. Zum Geld: Das Thema Sicherheit ist nicht mein Hauptanliegen. Den Grundsatz des Hinhörens und Zulassens will ich aufrecht halten. Ich bringe mit, dass ich die Politik kenne und ich bin streitbar. Ich stehe für das Freimachen eines kulturellen Weges, mit meinen Kenntnissen der Politik. ZB Stadtmuseum: Das stand bei meinem Amtsantritt insgesamt in Frage: Brauchen wir das überhaupt noch, ist es zeitgemnäß? Jetzt haben wir nicht nur die Struktur sondern auch einige gute Ausstellungen für 2006 beschlossen und die Finanzierung steht, bzw. wird Monatg im GR beschlossen.

M. Petrowitsch: Ich vertrete aber nicht den von mir sehr geschätzten Otto Hochreiter, sondern die freie Szene, die sich in anderen monetären Größenordnungen bewegt. Wie schaut es da aus mit der Finanzeirung?

Miedl: Es bedarf dafür eines Schulterschlusses. Finanzstadtrat Riedler und Fianzdirektor wollen die Auszahlung der Subventionen der Stadt Graz für 12.12.06 festsetzen – da hab ich dem Finanzdirektor abgerungen, dass das Datum der Auszahlung auf das im Antrag genannte Datum Rücksicht nimmt, zumindest in der ersten Hälfte des Jahres erfolgt. Um da gemeinsam etwas zu erreichen brauchen wir Ihre Hilfe.

M. Petrowitsch: Wenn wir die Basis nicht oder so spät fördern, brauchen wir über Strategien gar nicht mehr reden.

Miedl: Es gibt verschiedene Modelle, wie Sie zu einer Förderzusage kommen, die Ihnen dann auch Kredite ermöglicht: 1.) Durch die Unterschrift des Finanzdirektors die Subvention sichern, 2.) Eine rechtsverbindliche Subventionstzusage seitens der Stadt 3.) in Halbjahrestranchen auszahlen.

M. Petrowitsch: Wenn die Förderpolitik so betrieben wird, kommen wir dahin, dass die Intelligenz abwandert und die dunklen Gestalten bleiben...


 

Publikum: Es geht ach oft um kleine Beträge: Mit mir arbeiten hier im Radio Leute, die nichts haben und auch nichts bezahlt bekommen. Wir machen eine für Zuwanderer wictige Sendung am Sonntag Vormittag, wo nicht nur Musik gespielt sondern viele Informationen weitergegeben werden, über das praktische Leben hier. Die Sendungsmacher haben oft nicht einmal das Geld um ihre GVB-Monatskarte zum herkommen zu bezahlen. Sie können auch keine eigene Musik kaufen, die hier gespielt werden soll. Wovon sollen sie das kaufen? Sie haben nichts!

Miedl: Das Radio hat eine Subvention in höherer Variante als bisher üblich zugesprochen bekommen. Ich schätze und kenne das Radio Helsinki-Programm. Wie kann die Stadt unterstützen? Hier geht es neben kreativen auch um integrative Ansätze.

M. Petrowitsch: Ich muss noch einmal aufs Geld zurückkommen. Das Verhältnis große Häuser zu kleinen Kulturstätten stimmt einfach nicht. Der aliquotierte Anteil für die freie Szene ist zu klein. Gibt es Möglichkeiten hier umzuverteilen? Sonst bleiben wir im Finanzplan von 2004 stecken. (Da haben die freien Theater, die 100000 Personen Auslastung vorweisen können 0,8 Mio. Euro bekommen; die Vereinigten Bühnen, zusammen 300000 Auslastung, ein Budget von 17,6 Mio Euro)

Miedl: ach dem Spartenvergleich stehen wir gerade was die freien theater betrifft nicht schlecht da. Der Antei der freien Theater ist in Graz größer als in Linz, Salzburg..

Anita Hofer: Aber die freie Szene ist in Österreich insesamt in Graz wesentlich schlechter dotiert, als in allen aderen österreichischen Hauptstädten.

Miedl: Sie müssen das schon verstehen, wenn ich das Opernhaus und das Schauspielhaus nicht finanziere, dann gibt es das nicht mehr. Der Unterschied ist: Die Politik beauftragt die Oper und das Schauspielhaus, die freie Szene definiert für sich selbst den Auftreg. Daraus ergibt sich der Unterschied in der Behandlung drch die Politik. Ich möchte nur betonen die Vergleicszaheln im Bericht sind international gültig und vergleichbar und unmanipulierbar.

Andrea Dörres: Die Frage ist aber: Wollen Sie sich auch für die freien theater einsetzen, ebenso wie für die großen Häuser?

Miedl: Sie wissen wir arbeiten an einer Lösung für das Tanztheater, wollen vertraglich einen großen Raum mit Bühne gewinnen, aber vermeiden, dass sich eine gruppe diesen Raum aneignet und niemand anderen dort mehr hineinlässt... Die Öffnung muss gewahr bleiben und diesbezüglich muss der Vertrag entsprechend asgerichet sein.

Martin Ohrt: Im Literaturbetrieb gibt es auch die großen Fische, und die kleinen für die kaum Raum übrig bleibt. ZB das gut finanzierte Literaturhaus bekommt noch großzügig Mittel für das Bookolino-Programm. Aber wenn wir von der Jugendliteraturwerkstatt mit einer Projektidee kommen, heißt es, ihr habt eh schon eine Jahresförderung, finanziert das doch daraus.

Miedl: ich habe mir das Bookolino angeschaut, das findet zum 2. Mal statt und war hochprofessionell. Ich biete Ihnen an: Wenn Sie eine Idee haben, oder so etwas machen wollen, dann kommen Sie rechtzeitig zu mir und nicht erst, wenn Ensctheidungen schon gefallen sind.

M. Petrowitsch: Thema Beirat. Sie haben in einem Interview erklärt, Sie werden in Zukunft vom Beirat beschlossene Dinge auch anders entscheiden, wenn Sie das für notwendig halten. Dadurch wollen Sie den Beirat obektivieren.

Miedl: Ich behalte mir vor, zu entscheiden und eizugreifen.

M. Petrowitsch: Und dann haben Sie auch gemeint, Sie stehen für eine „Entideologisierung des Kulturpolitik“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Miedl: In den Augen sehr vieler gibt es die Unterteilung in bürgerliche und andere Kultur. Für mich gibt es eine Kultur. Das heißt aber nicht, dass ich bei Institutionen, die Graz über die Region hinaus bekannt machen, kürzen werde. Beim Kunsthaus, bei Harnoncourt (der ist tief getroffen!) beim steirischen herbst bin ich streitbar. Zu denen stehe ich.

Publikum: Warum kann nicht diese bürgerliche Kultur von Sponsoren gefördert werden und der Rest von der Politik? AVL zahlt sicher etwas für den steirischen herbst, aber nichts für Radio Helsinki.

Miedl: Wien zieht in Österreich mit seiner Kulturpolitik Sponsoren ab. Ausnahmen in Graz sind die Diagonale, das Kulturhaus, der Jazz-Somer. Zum Jazz-Sommer: Hier sind Änderungen denkbar, zB für Größen Eintritte zu verlangen, für Basics und die junge Jazz-Szene öffentliche Finanzierung. Ich will nicht ins Programm eingreifen, aber in die Organisation. In Wiesen, beim azz-Festival wird Graz auch als die Jazz-Hauptstadt gefeiert, das soll so bleiben. Zum Sponsoring: Ich selbst werde sicher nicht ins Sponsoring-Geschäft einsteigen. Wenn ein Politiker Geld fordert, wird von ihm auch eine Gegenleistung eingefordert – da komme ich in Teufels Küche. Ich werde Strukturen schaffen – aber sicher nicht Sponsoring aufreißen.

Anita Hofer: Das Programm ist zwar international beim Jazz-Sommer, das Publikum ist es aber sicer nicht. Ebenso beim Kunsthaus.

Miedl: Ja, der Inhalt stralt nicht, mangels Geld, aber die Hülle stimmt...

Publikum: Es wäre doch eine Möglichkeit, dass die großen geförderten Häuser ein paarmal im Jahr Tag der offenen Tür machen, bei freiem Eintritt. Da wird die Frequenz höher.

Wenzel Mracak: Wie stehen Sie zu einem Gestaltungsbeirat für Architektur der Vorschläge für Bauvorhaben abgibt?

Miedl: Ich stehe dazu positiv. Den Gestaltungsrahmen muss ich mir anschauen. Die Altstadtkommission hat ein verfassungsrechtliches Problem, weshalb sie zwar angehört wird, aber ihre Expertisen oft unberücksicht bleiben: Als Gutachter kann sie nicht Endbeurteiler werden.

M. Petrowitsch: Also Herr Stadtrat, es gibt einiges zu verbessern: Sie haben versprochen, wir bekommen 2006 relativ rasch unsere Gelder. Es gibt eine öffentliche Präsentation als Architektrhauptstadt. Da braucht es ein neues Bekenntnis. Und es gab noch keinen ausdrücklichen Auftrag der Politik an junge Architektengruppen.

Martin Dopler: das Problem ist, Politiker erfinden immer gern Neues, weil sie zerschneiden so gern Bänder. Aber neben dem Bänder Zerschneiden sollen die bewährten Institutionen auch erhalten bleiben und erhalten werden können!