„Kampfzonen in Kunst und Medien“
Gäbe es ein offizielles politisches Buch zur österreichischen Kulturpolitik, wäre es vermutlich golden. Nicht Grün- zur Diskussion, nicht Weiß- mit Vorschlägen oder gar Schwarz- mit Negativbeispielen, sondern ganz im Ton dieses Edelmetalls, das sich als besonders korrosionsbeständig von anderen unterscheidet – beständig also gegen die Reaktion eines Werkstoffs mit seiner Umgebung.
Gäbe es ein offizielles politisches Buch zur österreichischen Kulturpolitik, wäre es vermutlich golden. Nicht Grün- zur Diskussion, nicht Weiß- mit Vorschlägen oder gar Schwarz- mit Negativbeispielen, sondern ganz im Ton dieses Edelmetalls, das sich als besonders korrosionsbeständig von anderen unterscheidet – beständig also gegen die Reaktion eines Werkstoffs mit seiner Umgebung. Zu diesem Schluss führt die Lektüre des Sammelbandes „Kampfzonen in Kunst und Medien“, herausgegeben von Konrad Becker und Martin Wassermair. 25 Beiträge kritischer Stimmen will dieser Sammelband „zu einem gemeinsamen kulturpolitischen Statement“ vereinen. Ausgangsbasis für die „Texte zur Zukunft der Kulturpolitik“ ist das Geschehene: die zentralen Auseinandersetzungen zweier formal kurzer, rechtspopulistischer Regierungsperioden 2000-2006 und deren lange Schatten in die gegenwärtige Wiedernichtbelebung der großen Koalition. Aus den vermeintlich bekannten Konflikten um Museumsquartier, Mozart, Morak und Co. schaffen es die versammelten KulturpublizistInnen und WissenschafterInnen durch Personalpolitik, Szenezwist und Parteigestreit hindurch auf den Grund einer österreichischen Kulturlandschaft zu stoßen – und diese ist eben wohlweislich etwas ziemlich genau ganz anderes als eine Kulturpolitik. Drei Kapitel samt Lektionen:
Kunst kommt von gönnen
„Gold aus überall“ nennt Thomas Trenkler die Ausstellungen, mit denen sich das Kunsthistorische Museum als Vorreiter der Ausgliederung staatlicher Kunsthäuser schmückte. Sie stehen symptomatisch für die neue Schwerpunktsetzung im Ausstellungsbetrieb: große Namen zum kleinsten gemeinsamen Nenner, Besucherzahlen-Steigern bei höherem Eintritt und Macht-Konzentrieren in der Hand einiger weniger Hausherren. Die österreichische Kulturförderung ergebe „fast das Abbild eines feudalen Staates im Staat“, schreibt Joachim Riedl. Seit 2006 gibt es zwar wieder ein Ministerium für die Kultur, doch die Strukturen, die Kunst zur „Chefsache“ erklären, die sitzen tiefer: Alle Regierungen der 2. Republik widmeten den Großteil ihres Kulturbudgets den Großinstitutionen und der Pflege der Erbschaft. Die Bundestheater etwa erhalten allein mehr als ein Drittel der Gelder. Schwarz-Blau propagierte dann Umverteilung: von Institutionen zu einzelnen KünstlerInnen und von Wien in die übrigen Bundesländer. Liest man Gerhard Ruiss’ Beitrag, erfolgte jedoch eine Transaktion ins Nirwana, denn die auf der einen Seite gekürzten Gelder kamen auf der anderen nie an. (Bewilligung braucht Billigung, dieses Prinzip schon.) Umgekehrt machte sich laut Gunnar Landsgesell Provinzialität in der Filmförderung breit: Filme müssten gesehen werden, was heißt, man müsse sich in ihnen wiederfinden: in nationalen Erzählungen mit Wiedererkennungswert. Identifikation, gestiftet in intimen Kreisen. Selbst Staatsgeschichte wird zum privaten Erinnerungsraum, zur „Erinnerung an innerfamiliäres Leid“ und der „Entdeckung des eigenen Opfertums“ (Isolde Charim). Von oben dröhnen 25 Peaces, Intervention wäre Landfriedensbruch.
Wunderkinder braucht das Land
„Goldkehlchengedudel“ tönt Konrad Becker auf der Suche nach Information entgegen, nicht weniger un-unpolitisch. Denn, was als Harmonie empfunden werde, sei weitgehend eine ideologische Entscheidung. Klassik als Konsens ignoriere nicht nur jüngere kulturelle Produktionsmittel, sondern auch die Arbeitsformen, die heute möglich sind. Der Entmaterialisierung der Kunst hin zu einer „prozesshaften Einflussnahme“, dem kollektiven Schaffen und Beschaffen, steht das Abfeiern des Genies und seiner Leistung gegenüber. Wo sonst als im „Land der Genies“ (Felix Stalder) hätte wie im Mozart-Jahr 2006 ein kontextfreier, absoluter und individualistischer Kreativitätsbegriff gefestigt werden können, der wiederum die Sprache des Urheber- und kulturellen Eigentumsrechtes legitimiert? Genial konsequent sind weitere „Kampfzonen“: der Künstlersozialversicherungsfonds, dessen Kommission Zuschüsse nach Talent statt nach Tätigkeit vergibt und ein Mindesteinkommen voraussetzt (Daniela Koweindl); sowie der Abbau der Universitäten zugunsten exklusiver „Exzellenzzentren“, wodurch sich die Bildungssegregation in Österreich weiter verschärft (Irene Zavarksy).
Rausschweigen und Aussitzen
„Goldstühlchensitzer“ beobachtet Marlene Streeruwitz bei einer Ausstellungseröffnung und bebildert so den Aufstieg eines Systems „andemokratisierter“ Macht. Aus dem antielitären Ziel „Kultur für alle“ wurde ein Werbeslogan des Museumsquartiers, wo kulturpolitische Zufälligkeit und Zahlungsbereitschaft im Namen des 21. Jahrhunderts Cluster bilden (Monika Mokre). Die übrige künstlerische Kommunikation belaufe sich auf „Wortspenden“ und zunehmend auf Klatsch, heißt es an anderer Stelle. Medien-Intellektuelle und Wende-Philosophen hätten sogar rechtsradikale Diskurse gestärkt (Gerald Raunig), in den Redaktionen herrsche neue politisch-journalistische Innigkeit – „die Inszenierung von Politik, in Kombination mit Diskussionsverweigerung“ (Gerhard Marschall). Wer aber kann sich diese Rede-, Atempause leisten, fragt Belinda Kazeem in ihrem Beitrag zu „Sauerstoff und antirassistischem Widerstand“. Wer durchhalten, dichthalten unter dem goldenen Deckel? Öffentlichkeit als „popularen Raum“ fordert deshalb Oliver Marchart gegen Ende. Die Öffnung eines Teilbereiches könne nicht funktionieren ohne die Demokratisierung des Ganzen. Dem Mythos vom Autor vor dem leeren Blatt hält Brian Holmes schließlich die Vision eines durch elektronische Kommunikation verstärkten, transnational schwärmenden Aktivismus entgegen und einer zweiten Chance für radikale Demokratiebewegungen. Genau diese kulturellen und medialen Utopien sind es, die ein …-Buch ebenso konkret machen müsste wie die vorliegenden Analysen der vergangenen Konflikte. Die „Kampfzonen“ sind gerade mal eröffnet. Bis dahin: glänzende Aussichten.
Katharina Ludwig ist Politikwissenschafterin und freie Journalistin.
BECKER KONRAD / MARTIN WASSERMAIR (Hg.): „Kampfzonen in Kunst und Medien. Zur Zukunft der Kulturpolitik“. Wien: Löcker 2008