Künstlersozialversicherungsfonds. Wer nichts hat, wird zur Kasse gebeten und ist auch kein/e KünstlerIn.
Angesichts des ohnehin kleinen und äußerst restriktiven Förderinstruments verkehrt der Fonds mit seinem aktuellen Gebaren seinen Grundzweck und wendet sich mit bürokratischer Schikane als Kontrollinstanz gegen das eigene Klientel.
Seit 2001 besteht in Österreich der Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF), ein mühsam errungenes minimalistisches Kompromissmodell, das KünstlerInnen einen Zuschuss zur Pensionsversicherung gewährt, wenn sie im Jahr mehr als aktuell 3997,92 Euro (Index 2006) und weniger als 19.621,67 Euro aus selbstständiger (künstlerischer) Arbeit verdienen[1]. Die Aufnahmekriterien und der angewandte Kunst- bzw. KünstlerInnenbegriff sind eng gefasst und diskursiv überholt. Im ersten Jahr des Fonds wurden gerade einmal 3500 Personen anerkannt. Den zuletzt publizierten Daten vom Dezember 2004 zufolge waren es 5808 KünstlerInnen, neuere Zahlen gibt es nicht, es ist jedoch davon auszugehen, dass es mehr geworden sind.
Die Rückforderungen des KSVF und der Widerstand von IGs und Betroffenen
Jetzt, im fünften Jahr seiner Tätigkeit, prüft der Fonds die Berechtigung derjenigen, die 2001 einen Zuschuss erhalten haben. Bereits im vergangenen Herbst hat der Kulturrat Österreich mit umgehenden Protesten reagiert, als öffentlich wurde, dass der KSVF Rückforderungen auch von denjenigen einfordern will, deren selbstständiges künstlerisches Einkommen 2001 unterhalb der Indexgrenze von 3554,57 Euro lag[2]. Aufgrund der Proteste hat der Fonds die Rückzahlungsforderungen vorübergehend eingestellt, um zunächst die Gesamtzahl der Betroffenen zu ermitteln. Das ist jetzt geschehen: Von 3500 ZuschussempfängerInnen im Jahr 2001 lagen ca. 300 oberhalb der Bemessungsgrundlage. Etwa 600 (!!!) Personen konnten im Jahr 2001 kein selbstständiges künstlerisches Einkommen über 3554,57 Euro erreichen, 200 von ihnen verdienen auch gegenwärtig unterhalb der Indexgrenze. Zur gleichen Zeit hat sich in den vergangenen Jahren im Fonds ein Guthaben von mehreren Millionen Euro angesammelt, sodass der Bund bereits im Jahr 2003 seinen Anteil an der Finanzierung des KSVF von jährlich drei Millionen Euro stillschweigend ausgesetzt hat. Angesichts dieser Grundkonstellation millionenhoher Rücklagen, eines ohnehin sehr restriktiv klein gehaltenen Personenkreises von Berechtigten und angesichts der zusätzlich geschaffenen sozialen Härte für die Betroffenen, protestieren die Interessengemeinschaften gemeinsam mit dem Kulturrat Österreich mit Nachdruck gegen die Rückforderungen bei Unterschreitung des geforderten Einkommens. Eine solche Praxis wäre grundsätzlich politisch unbotmäßig gegenüber den Betroffenen, juridisch unbillig und dem Grundzweck des Fonds widersprechend. Ausgerechnet diejenigen, die nichts haben, sollen jetzt rückwirkend zur Kasse gebeten werden. Das ist absurd und sicherlich nicht förderlich für die künstlerische Arbeit (dem Grundzweck des Fonds). Zudem benötigt allein die Erhebung und Einforderung der Rückforderungen einen Verwaltungsaufwand, der in keinem Verhältnis zu etwaigen Rückzahlungen steht und das ganze Unterfangen auch in budgetärer Hinsicht von vornherein in Frage stellt.
Fragwürdige Anspruchsvoraussetzungen und pedantische Kontrollen
Angesichts des ohnehin kleinen und äußerst restriktiven Förderinstruments verkehrt der Fonds mit seinem aktuellen Gebaren seinen Grundzweck und wendet sich mit bürokratischer Schikane als Kontrollinstanz gegen das eigene Klientel (z.B. mit Selbstauskünften über Vermögensverhältnisse, die über die Erfordernisse zum Erhalt von Notstandshilfe hinausgehen). Kontraproduktiv und dringend revisionsbedürftig ist die jetzige KSVF-Gesetzgebung überhaupt insbesondere gegenüber dem Nachwuchs: Es gibt keine Berufseinstiegsphase (wie etwa in der BRD fünf Jahre), in der das Einkommen nicht berücksichtigt wird; weder Stipendien noch Preise werden für das künstlerische Einkommen anerkannt, da sie von der Einkommensteuer bereit sind. Lukas Cejpek, betroffener Autor, hat deshalb mit Unterstützung der IG Autorinnen Autoren eine Klage beim Verfassungsgerichtshof eingereicht: Er erhielt 2001 ein Stipendium im Umfang von 13.000 Euro zur Fertigstellung eines Buches und ist ebenfalls bereits qua Bescheid zur (Rückforderungs-) Kasse gebeten worden. In der bundesdeutschen Künstlersozialversicherungskasse (KSK), die ein wesentlich größeres Klientel als des KSVF beherbergt, wird grundsätzlich auf Rückforderungen im Falle des Unterschreitens der Einkommensuntergrenze verzichtet, weil der Verwaltungsaufwand zu groß wäre – und diese Praxis budgetär nicht rentabel; weil die Versicherten der KSK ihre Einkommensangaben nach bestem Wissen und Gewissen geschätzt haben, und die Maßname der Rückforderung ihnen als Akt implizit das bewusste Angeben falscher Größen unterstellte (und das wäre ein unbilliges Vorgehen gegen die Versicherten); aber auch weil damit dem Grundzweck der KSK – Kunst bzw. KünstlerInnen zu fördern – widersprochen würde und die Forderung damit (nicht nur moralisch, sondern juridisch) unbotmäßig wäre.
Fazit
Die Interessengemeinschaften und der Kulturrat Österreich protestieren mit Nachdruck gegen die Rückforderungen und fordern seit Jahren die Weiterentwicklung des geltenden und eine umfassende Neufassung des gültigen KSVF-Gesetzes: „Die Abschaffung der Mindesteinkommensgrenze als Zuschussvoraussetzung ist zweifelsohne das dringlichste Anliegen überhaupt. Ein von den Interessenvertretungen ausgearbeiteter Forderungskatalog mit Sofortmaßnahmen liegt seit langem vor und ist auch Kunststaatssekretär Morak längst bekannt. Was fehlt, ist einzig der politische Wille!“, so Daniela Koweindl (IG Bildende Kunst) auf einer Podiumsdiskussion zum Thema im Depot.
1 Bei der Untergrenze gilt künstlerisches Einkommen, bei der Obergrenze das Gesamteinkommen.
2 Die Rückzahlungsforderungen sind mittlerweile alle ausgeschickt, es steht nur mehr die Entscheidung an, welchen Anträgen auf Verzicht auf die Rückzahlung stattgegeben wird.
Anmerkung Aktuelle Stellungnahmen des Kulturrat Österreich sowie der Forderungskatalog sind auf der Website des Kulturrat zu finden.