Kulturjahr 2020: Was bisher geschah
Das 2017 angekündigte Kulturjahr 2020 konkretisiert sich zwar, wirft dabei jedoch mehr Fragen auf, als es Antworten liefert. Zuvorderst irritiert das rasante Tempo und die fehlende Transparenz, mit der dieses Projekt bislang durchgeführt wurde.
Das Kulturjahr 2020 avanciert zurecht zum heißen Thema, immerhin wird für dieses (womöglich regelmäßig wiederkehrende) „Schwerpunkt- und Themenjahr“ ein Sonderbudget von 5 Millionen Euro ausgeschrieben. Das Projekt, das dezidiert kein Kulturfestival sein wird, soll das Bewusstsein für das vielfältige Kulturschaffen in der Stadt Graz stärken, die bestehenden Kulturinstitutionen, -initiativen und -schaffenden fördern und als Standortbestimmung dienen. Man kann davon ausgehen, dass die involvierten Akteur*innen unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie das lokale Kunstgeschehen gefördert und gestärkt werden soll. Das hängt meist davon ab, welche Rolle sie in der Grazer Kulturlandschaft einnehmen.
Das Sonderbudget soll möglichst direkt in konkrete Projekte fließen, ein Teil davon trägt jedoch die Schleife „Marketing“, um „ein Kulturjahr-Feeling“ zu erzeugen. Kulturinstitutionen, -initiativen und -schaffende sind zu Einreichungen eingeladen. Darüber hinaus sollen laut Konzept „neue Räume“ erschlossen und vermehrt der öffentlichen Raum bespielt werden. Die thematische Klammer des Kulturjahres lautet dabei „Die Zukunft der städtischen Zivilisation und die Zukunft der städtischen Kultur“.
Als eine wesentliche Maßnahme wurde im Abschlussbericht die Beteiligung der existierenden Grazer Kulturinstitutionen und Kunst-/Kulturschaffenden genannt. Diese Beteiligung fiel bislang jedoch sehr unterschiedlich aus. In der Vorplanungsphase gab es bereits Veranstaltungen, jedoch nur für ein ausgewähltes, eingeschränktes Publikum: Eine Intendant*innen-Konferenz (22.Mai), ein Expert*innenworkshop zur Ziel- und Maßnahmenformulierung (4./5.Juni) und ein Stakeholder-Frühstück (5.Juni). Expert*innen von „kleinen“ Initiativen waren hierzu nicht eingeladen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die geladenen Gäste einen Informationsvorsprung besitzen und ihnen damit die Vorbereitung auf den Call erleichtert wurde.
Erst im Rahmen des „Kulturdialogs“ am 20. Juni, also mit fast einem Monat Verspätung gegenüber der Intendant*innenkonferenz, informierte der Projektbeauftragte Otto Hochreiter über die Ergebnisse der Vorplanungsphase und blieb dabei sehr oberflächlich. Die Frage, wieso genau jene Personen zu den Veranstaltungen geladen waren, um hinter verschlossenen Türen das Projekt zu besprechen, blieb dabei ungeklärt. Der Kulturdialog ist für die gesamte Grazer Kulturszene eingerichtet, es ist sowohl befremdlich, als auch bezeichnend, dass keine Vertreter*innen der großen Institutionen und Festivals daran teilnahmen, und so der Kulturdialog nicht dazu dienen kann, einen gemeinsamen Strategieentwicklungsprozess aller Kulturschaffenden zu initiieren. Obwohl einige Mitglieder des Grazer Kulturbeirates sich darum bemühen, kulturpolitische Entscheidungsprozesse zu demokratisieren und für Partizipation zu öffnen, enttäuschte der „Kulturdialog” somit diese Erwartungen.
Die sogenannte freie Szene wird zwar oft als wichtiges Markenzeichen der Stadt Graz hochgehalten, gleichzeitig aber aus wichtigen Entscheidungs- und Planungsprozessen ausgeschlossen bzw. nicht oder verspätet mit nötigen Informationen versorgt. Die freie Szene erhält im Ergebnis nicht die gleichen Chancen, am Kulturjahr 2020 zu partizipieren und Projekte zu realisieren wie große Institutionen.
Das rasante Tempo und die fehlende Transparenz des Kulturjahr-Prozesses manifestierten sich auch in der Besetzung von Schlüsselpositionen. Erst am 18. Juli 2018 wurde die Ausschreibung eines neu geschaffenen Spitzenjobs, namentlich des „Kulturmanagers“ für das Kulturjahr 2020, veröffentlicht. Nicht einmal zwei Wochen später, am 30. Juli, fanden bereits die Hearings statt. Ende August wurde dann überraschenderweise nicht nur Christian Mayer als Kulturmanager, sondern auch die Zusammensetzung des Programmbeirats öffentlich bekanntgegeben.
Der Programmbeirat ist kein Spartenbeirat, das heißt ein im Abschlussbericht angedachter Beirat aller vertretenen Interessensgruppen, sondern setzt sich aus in Kulturmanagement und Kulturvermittlung tätigen Personen zusammen. Viele nunmehrige Beiratsmitglieder sind überdies nicht in Graz aktiv. Diese Auswahl vermittelt nur vermeintlich Unabhängigkeit und Objektivität des Konsortiums. Immerhin soll das Kulturjahr 2020 im direkten Bezug zur Stadt Graz stehen. Inwiefern die ausgewählten Expert*innen, die größtenteils von Institutionen kommen, in der Lage sind, die Vielfalt, Komplexität und lokale Spezifitäten der Grazer Kulturlandschaft zu überblicken und Projekteinreichungen entsprechend zu beurteilen, ist fragwürdig. Durch die oben beschriebene Kurzfristigkeit des Projektes Kulturstadt 2020 wird ihnen effektiv keine Chance gegeben, sich mit den Besonderheiten der Stadt und ihrer lokalen Kultur(-szene) vertraut zu machen. Können diese Top-Kulturmanager*innen die gesellschaftliche Relevanz und Qualität von lokalen Initiativen einschätzen? Ist der gewünschten und proklamierten Objektivität bzw. Fairness damit Genüge getan, dass es sich um externe Personen handelt? Es bleibt zu hoffen, dass zumindest die Beiratsmitglieder aus der Grazer Kulturszene über ein entsprechendes Wissen verfügen und dieses auch entsprechend in den Entscheidungsprozessen durchsetzen.
Apropos Eiltempo: Im November soll es den öffentlichen Call für alle Kulturschaffenden geben, der laut Abschlussbericht jedoch nur bis Ende des Jahres laufen soll. Es wird also ein überaus knappes Zeitfenster für Entscheidungen über (Nicht-)Teilnahmen geben, was wiederum negative Wirkungen auf die Plan- und Umsetzbarkeit von Projekten zur Folge haben wird.
Wir warten nun den Call und die noch ausständigen Ergebnisse der mehrjährigen Förderverträge ab und bleiben gespannt.
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Verweise:
Abschlussbericht des Weiterentwicklungsprojektes „Graz Kulturjahr 2020“
Aktuelles aus dem Kulturamt Graz
Bericht an den Gemeinderat „Kulturjahr 2020“
kultur.graz – eine kulturpolitische Standortbestimmung
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Update: Der Call wird bis ca. Mitte März offen sein!
"Um den Künstler*innen genügend Zeit für neue und substantielle Einreichungen zu geben, einigte sich der Beirat auf eine möglichst lange Zeitspanne des öffentlichen Calls. Dieser wird sich demnach von spätestens Ende November 2018 bis ca. Mitte März 2019 erstrecken und ist inhaltlich wie örtlich an Graz gebunden und international ausgerichtet."
Siehe [hier]
Veranstaltungshinweis: "Kulturjahr 2020 - Veröffentlichung des Calls" - Donnerstag, 22. November 2018, 16:00 - 19:00 Uhr im Orpheum Extra, Orpheumgasse 8, 8020 Graz. Für eine Teilnahme an dieser Veranstaltung ist eine Anmeldung unter @email notwendig. Es wird Mag. Christian Mayer für Fragen zum Call vor Ort sein. Siehe [hier]