Modern Times
Kunst und Kultur zu rezipieren kostet Geld – und auch wenn sie groß „für alle“ ausgeschrieben sind, ist doch nur an „manche alle“ gedacht.
Kunst und Kultur zu rezipieren kostet Geld – und auch wenn sie groß „für alle“ ausgeschrieben sind, ist doch nur an „manche alle“ gedacht. Nachdem die großen Festivals ihre guten Vorsätze gleich im Kindesalter verloren haben und ihre Resttickets längst nicht mehr um den (bedingt) sozialen 10 Euro-Preis an das gemeine Volk abtreten, strichen zuletzt auch die wenigen noch verbliebenen Produktionshäuser das partizipationsfördernde „pay as you wish“ aus ihrem Programm. An den Einnahmen soll es nicht gelegen sein, also geht es da um was anderes. Wünscht man sich andere RezipientInnen, wer gilt wo als gewünschtes oder spannendes Publikum, und welche Rolle spielt dabei seine oder ihre Kaufkraft? Aber vor allem: Soll Kultur viel kosten? Alles hehre Gedanke, die mich, während ich beim AMS warte, beschäftigen. Kann ich mir auch leisten, darüber nachzudenken – mit dabei: mein Glück, klein, rosa und handlich, heißt „Hunger auf Kultur“ und macht’s möglich. Eigentlich sollte ich ihn auch bei meiner nächsten prekären Projektbeschäftigung beibehalten, denn was ich dort verdiene, wird mich ebenfalls vom Theatersaal fern halten. Anyway. Mein rosa Glück habe ich noch mit und ich hoffe, es wird auch sobald nicht modernisiert. Denn ab dem 01.01.2008 wird modernisiert: vorerst das AlVG.
AlVG heißt Arbeitslosenversicherungsgesetz und Modernisierung heißt... Starten wir einen neuen Versuch: AlVG heißt Arbeitslosenversicherungsgesetz und Modernisierung heißt in dem Fall, die Einbeziehung von freien DienstnehmerInnen – schon der Name ist blanker Hohn, denn das einzige, wovon die befreit sind, ist die Zuversicht, krank werden zu können oder bezahlten Urlaub zu haben – in besagte Versicherung. Ein seit gut zehn Jahren überfälliger Schritt, der eine minimale Absicherung für diese Gruppe schaffen soll. Ob aber dieses Gesetz tatsächlich Verbesserungen für ArbeitnehmerInnen bringt oder sie einseitig belastet, ArbeitgeberInnen aber – denn dafür stehen die freien Dienstverträge – weiter aus der Pflicht entlässt und gleichzeitig Arbeitsvermittlungsstrukturen mit überdimensionalen Kontroll- und Zwangsmöglichkeiten ausstattet? Vorgeschlagen wird im Gesetzesentwurf für die Erwerbstätigen jedenfalls eine Beitragshöhe, die wiederum für viele und gerade für prekäre Selbständige die Arbeitslosenversicherung schwer leistbar macht. Auffallend dabei ist auch die fehlende Kompetenz – oder mangelt es an Willen? – in Einwanderungsbelangen. Die Koppelung des Familienzuschlags z.B. an die Familienbeihilfe schließt verschiedene BezieherInnen unter der ohnehin verletzlichen Gruppe der MigrantInnen zusätzlich aus.
Gesetz hin oder her, in Zeiten, in denen Erwerbslosigkeit mehr denn je gesellschaftliche – und gesellschaftlich bedingte – Realität ist, geht es darum, sich gemeinsam dagegen zu wehren, diesen Topos zu individualisieren, sowie abseits von konkreten Verschlechterungen/Verbesserungen jene Modelle voranzutreiben, die soziale Absicherung und kulturelle Partizipation für alle anstreben und ermöglichen. Damit auch die SchreiberInnen solcher Gesetzestexte ihr kleines rosa Glück haben können.