Prekäre Sicherheiten
Geht es um die Lebensbedingungen zeitgenössischer KünstlerInnen, so wird die Kostenfrage als wichtigstes Kriterium definiert. Und so sind sich alle Beteiligten – vom Ministerium bis zu den KünstlerInnen – ebenso einig darüber, dass ein allgemeines Grundeinkommen oder zumindest eine Grundsicherung die beste Lösung für die anstehenden Probleme wäre, wie auch darüber, dass das zur Zeit politisch nicht durchsetzbar ist.
Beginnen wir mit zwei Geschichten:
Geschichte 1: Im Vorjahr wurde von der Kulturministerin eine Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse waren nicht wirklich neu, aber immerhin so erschreckend, dass ihre Veröffentlichung auf die Zeit nach der Nationalratswahl verschoben wurde – mehr als ein Drittel der KünstlerInnen ist armutsgefährdet, viele von ihnen zahlen zwar ständig in verschiedene Versicherungen ein, sind aber nur selten berechtigt, auch Leistungen zu lukrieren, der Gender-Gap bei den Einkommen ist schockierend.
Geschichte 2: Im Jahr 2006 wurde der Tiefspeicher der Albertina eröffnet, einzigartig in der Kunstwelt, wie der Direktor Klaus-Albrecht Schröder stolz erörterte, vollautomatisiert mit besten konservatorischen Bedingungen. Vor wenigen Wochen sind in dieses Wunderwerk der Technik, dessen Errichtung 5,1 Millionen Euro gekostet hat, 2100 Liter Wasser geflossen. Die Gründe für den Unfall sind ebenso unklar wie die Verantwortlichkeiten; klar ist hingegen, dass die Kunstwerke gerettet und ordnungsgemäß gelagert werden müssen. Was das kostet, steht nicht zur Debatte – eine solche Frage wäre wohl auch fast als Frevel anzusehen, geht es doch um einige der wertvollsten Teile des österreichischen kulturellen Erbes.
Geht es hingegen um die Lebensbedingungen zeitgenössischer KünstlerInnen, so wird die Kostenfrage als wichtigstes Kriterium definiert. Und so sind sich alle Beteiligten – vom Ministerium bis zu den KünstlerInnen – ebenso einig darüber, dass ein allgemeines Grundeinkommen oder zumindest eine Grundsicherung die beste Lösung für die anstehenden Probleme wäre, wie auch darüber, dass das zur Zeit politisch nicht durchsetzbar ist. Und während in der Albertina die Kunstwerke Stück für Stück getrocknet werden, beschäftigt sich eine interministerielle Arbeitsgruppe von Kultur- und Arbeitsministerium mit kleinen, möglichst kostenneutralen Schritten, die den KünstlerInnen das Leben leichter machen sollen, insbesondere mit Vereinfachungen im Sozialversicherungswesen.
All das ist nicht schlecht – weder das Trockenlegen von Grafiken noch auch das Trockenlegen von Sümpfen, in denen das minimale Einkommen der KünstlerInnen versickert. Doch vielleicht wäre es nützlich, wenn auch versucht würde, für noch lebende KünstlerInnen nachhaltige Lösungen zu finden, die ebenso wie die Lagerung des Dürer-Hasen auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt sind und nicht nur dazu dienen, die größten Lecks zu stopfen.
Womit die Polemik erst einmal beendet werden soll. Denn es ist gut und wichtig, dass sich eine Arbeitsgruppe um die Lösung der dringendsten sozialen Probleme der KünstlerInnen bemüht. Und es ist höchst erfreulich, dass die Interessensvertretungen in die Diskussionen einbezogen werden, dass Zwischenergebnisse und weitere Planungen bei einer Arbeitstagung mit Interessierten diskutiert wurden, dass sich die Ministerin an der Thematik interessiert genug zeigte, um die Tagung nicht nur zu eröffnen, sondern auch bei der Präsentation der Ergebnisse anwesend zu sein.
Wollen wir hoffen, dass bei der Etablierung neuer Strukturen bedacht wird, dass alle Reformen nur Sinn machen, wenn KünstlerInnen in Österreich ein akzeptables Einkommen erzielen können. Um noch einmal den Vergleich mit der Albertina zu bemühen. „Der Robot ist nicht ausgefallen, was ausgefallen ist, ist der Strom“ (1), verteidigt Schröder sein Sicherheitssystem. Und so wie Roboter Strom brauchen, funktionieren auch Versicherungssysteme nur, wenn die potenziellen Versicherten das nötige Geld haben, um in sie einzuzahlen.
(1) siehe: ORF Meldung