In realistischen Schritten denken
Im Februar hat Brigitte Winkler-Komar die Leitung der Abteilung 14 – Kunst und Kultur übernommen. Wir sprachen beim Jour fixe mit ihr über die anstehende Kulturstrategie, Fair Pay und die Herausforderungen im Förderwesen für Kärnten/Koroška.
Brigitte Winkler-Komar (Leiterin Abteilung 14 - Kunst und Kultur) und Veronika Gaugeler-Senitza (Präsidentin kultur-forum-amthof) beim Jour fixe der IG KiKK.
Jour Fixe mit Brigitte Winkler-Komar, 19.06.2023, Amthof Feldkirchen
Zu Gast:
MMag.a Brigitte Winkler-Komar, Leiterin Abteilung 14 – Kunst und Kultur
Ing. Dr. Michael Pichlhöfer BA, MA, Abteilungsleiterin-Stellvertreter, Personalcontrolling, Qualitäts- und Prozessmanagement, Wirkungsorientierung, IKS
Mag.a Katharina Herzmansky, Förderungen Literatur und slowenische Kulturverbände
Mag.a Andrea Kirchmeir BEd, Förderungen Bildende Kunst und Fotographie, Museen, Kulturinitiativen, Internationaler Kulturaustausch
Moderation: Elena Stoißer, BA MA (IG KiKK)
Winkler-Komar zeigt sich als Teamplayerin, so begrüßen wir beim Jour fixe auch Mitarbeiter*innen der Kulturabteilung. Sie war 20 Jahre in Wien im Kulturministerium, und hat den Fairness-Prozess des BMKOES auf ministerieller Ebene gelenkt. Sie betont, dass es in mehreren Bereichen ein Kräftebündeln und ein aufeinander zugehen braucht.
Kulturstrategie
Der Prozess soll im Herbst starten und zwei Jahre dauern. Winkler-Komar will sich mit den Bundesländern, die schon eine Kulturstrategie entwickelt haben, über erfolgreiche Vorgangsweisen austauschen. Die IG KiKK empfiehlt den erfolgreichen Prozess in Salzburg unter Thomas Philipp vom LIquA, Linzer Institut für qualitative Analysen. Auch der Prozess in der Steiermark geht gut voran.
Tourismus und Kultur zusammenbringen
Im Juli trifft Winkler-Komar den neuen Leiter der Kärnten Werbung, Klaus Ehrenbrandtner. Dem will sie nicht vorgreifen; ihr Ziel ist, über den Kanal Tourismus die Kultur zu visibilisieren. Kultur darf frei und wild sein, aber auch kommerziell. Wir müssen synergetisch denken.
Kultur in Tourismuswerbung aufzunehmen, wird von allen Anwesenden begrüßt. Vorschläge und Wünsche werden diskutiert. Es gilt zu bedenken, dass das Angebot der Kulturinitiativen grundsätzlich auf die (ganzjährige) Versorgung mit Kunst und Kultur für die Bevölkerung vor Ort ausgerichtet ist. Tourismus muss den Wert der Kultur (an)erkennen und transportieren.
Problemfelder und Entwicklungen
Praxiserfahrungen zeigen auf, dass kulturelle Räume verschwunden sind. Es fehlen Produktionsräume und Aufführungsmöglichkeiten, ein gewichtiger Grund für den fehlenden (künstlerischen) Nachwuchs. In der Kulturarbeit sind die Auflagen schwieriger geworden, oft fehlt dabei die Unterstützung der Kommunen (Anrainer, Sperrstunde, … ).
Umstellungen in der Kulturabteilung
Die Kulturabteilung hat als erste in der Kärntner Landesregierung die elektronische Akte eingeführt, das ist ein großer Paradigmenwechsel. Derzeit belastet jedoch die hybride Arbeit (Papier und digital). Winkler-Komar lobt und bedankt sich bei ihrem Team.
Die Brücke und der Kulturchannel sind im Umbau, rechtliche Probleme bringen Verzögerungen. Die Befüllung ist sowohl für die Kulturtätigen als auch die Abteilung umständlich. Dies soll nach der Umstellung besser werden.
Förderwesen und Kulturbudget
Aufgrund der Wahlen gibt es noch kein Budget für 2023, es hätte bis Ende Juni fertig sein sollen. Auch in regulären Jahren kommen Förderzusagen und -gelder für Jahresprogramme oft erst im Juni. Winkler-Komar sieht strukturelle Probleme in den Subventionsvergaben, es braucht eine Antragsfrist im Herbst für die Jahresförderung. Das erfordert eine Änderung der Förderrichtlinien: die Kopplung an die Abrechnung der Vorvorjahresförderung. Aus Sicht der IG KiKK würde diese Entkopplung des Antrages um Jahresförderung von der Abrechnung des Vorjahres auch den Workload zur Antragszeit verringern.
Die Forderung nach Entbürokratisierung und Vereinfachung für die kleineren Fördernehmer*innen wird gestellt – damit die Ressourcen in die Kulturarbeit fließen können und nicht in die Administration.
Winkler-Komar spricht fehlende Indexierung des Kulturbudgets an. Jedes Jahr kommen neue Fördernehmer*innen dazu, mit derselben Summe sollen mehr Leute bedient werden. Die Erhöhung des Budgets für Kunst und Kultur steht im Regierungsprogramm. 85% gehen in die kollektivvertraglichen Personalkosten der öffentlichen Einrichtungen. Die öffentlichen Einrichtungen und die freie Szene dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Slow Down1 in der Kulturarbeit
Alina Zeichen regt an, nicht an der Personalsituation, sondern am Produktionsbudget zu drehen: Es gibt immer mehr Veranstaltungen, so auch LH Kaiser bei FOKUS PUBLIKUM am 13.06.2023 im kaernten.museum. Der Wachstumsgedanke ist in Kunst und Kultur angekommen. Sie gratuliert dem kultur-forum-amthof, dass reduziert wurde. Kulturvereine müssen reduzieren dürfen – das bedeutet auch, Publikumszahlen und Veranstaltungszahlen nicht als Indikator (Kennzahlen) bei der Bewertung heranzuziehen!
Die Kulturabteilung unterstützt ein Reduzieren. Nicht die Quantität, sondern die Qualität steht im Vordergrund. Der Appell von Winkler-Komar: produzieren Sie so, wie es für ihr kleines Universum gut ist! Es bräuchte eine Kulturstatistik, die Daten fehlen. In Kärnten/Koroška hat die IG KiKK mit der Basisdatenerhebung schon dreimal einen Beitrag dazu geleistet.
Fair Pay
Fair Pay steht auch im Regierungsprogramm und ist sehr finanzintensiv. Das Budget 2024 wird ab Herbst verhandelt. Die Kulturabteilung gibt Planungen ab. Am Ende muss das politisch verhandelt werden. Fair Pay wird Teil der Kulturstrategie sein.
Die Freie Szene ist ein prekäres Feld, da es keine Kollektiverträge gibt, nur Gehalts- und Honorarempfehlungen, die rechtlich nicht bindend sind. Winkler-Komar interessiert, wie die Szene mit den Richtsätzen kalkuliert. Sie empfiehlt, realistisch und mit Kostenwahrheit zu kalkulieren und gegebenenfalls die Produktion anzupassen, um zumindest „halb fair“ produzieren zu können. Ihr Appell: Reichen Sie die nötigen Fördersummen ein!
Die IG KiKK wünscht sich die Orientierung am Salzburger Modell. Nach einem erfolgreichen, strukturierten Prozess für Anstellungen kommt dort im Herbst Fair Pay auch für Künstler*innen.
Fair Pay ist mit Abstand das schwierigste Thema. Winkler-Komar: Wir müssen in realistischen Stufen denken und zusammen kleine Schritte machen.
Einnahmen und Finanzierung
Winkler-Komar verweist auf Drittmittel: Kulturorganisationen sollen Möglichkeiten wie Spendenbegünstigung und Umsatzsteuerbefreiung nutzen. Beim Thema Eintrittsgelder weist sie auf das bestehende Konzept „Pay as you wish“ hin. Dieses macht im Gegensatz zu „freier Eintritt“ / „freiwillige Spende“ sichtbar, dass Kultur einen Wert hat.
1 Slow down Kulturarbeit: Die IG Kultur Steiermark Kulturradio Sendung mit einem ausführlichen Studiogespräch zum Thema „Slow down Kulturarbeit?“
Simon Hafner (IG Kultur Steiermark) über Slow Down in der KUPF-Zeitung: Weniger ist mehr