To talk about …

… why being an intern keeps you from fighting for your workers rights: Über Interndinner, prekäre Kulturarbeit in Wien, Consciousness Raising und wie es weitergehen kann.

To talk about why being an intern keeps you from fighting for your workers rights – dieser Satz war Teil einer Einladungskarte, die Praktikant_innen und prekär Arbeitenden aus dem Kulturbereich vorschlug, zu einem Abendessen mit Diskussion ins 21er Haus Museum für zeitgenössische Kunst zu kommen.

Das Interndinner – eine aus den Begriffen internship (Praktikum) und dinner (Abendessen) zusammengesetzte Wortschöpfung – hat sich aus einem Projektseminar mit dem Thema Selbstausbeutung und Krankheit im Kulturbereich entwickelt. Dieses Seminar fand ab März 2012 in Kooperation zwischen dem Master in Critical Studies (Akademie der bildenden Künste Wien) und dem 21er Haus statt und beschäftigte sich unter anderem mit Depression und Burn-out als Gesellschaftskrankheiten in zeitgenössischen Arbeitsverhältnissen. Wir waren als Studierende ins 21er Haus eingeladen, um dort in eine „Keine Zeit“ betitelte Ausstellung zu „intervenieren“, die durch unsere künstlerischen oder nicht-künstlerischen Arbeiten kommentiert und erweitert werden sollten. Inwieweit dieser Deal mit der Akademie (wir wurden vom 21er Haus ausreichend gefördert) etwas mit bestimmten inhaltlichen Schwerpunkten der Ausstellung zu tun hatte oder eher in Konflikt zu diesen stehen sollte, wissen wir nicht genau. Wichtig für unser Projekt war, auf die Einladung nicht mit einem Kunstwerk zu reagieren, sondern den Ort und das Geld anderweitig zu nutzen.

Die geteilte Erfahrung prekärer Kulturarbeit bildete den Hintergrund für das oben angesprochene Interndinner. Wir kennen alle drei das Problem, motiviert, engagiert und emotional verpflichtet unbezahlt stundenlang und tageweise an Theater-, Ausstellungs- oder auch Shop-Kunst-Projekten zu arbeiten, und wir wollten unsere Erfahrungen mit anderen teilen. Daraus entstand die Idee, alle – die größtmögliche sichtbare Anzahl von – unbezahlten Praktikant_innen des Wiener Kulturbetriebs zu einem Abendessen einzuladen. Der Abend sollte sowohl freundliche Geste, als auch praktisches Angebot zur Vernetzung sein.

Wir haben die Einladung dann – auch als Reaktion auf einige Antwortmails auf unsere erste Aussendung – auf „un- und unterbezahlte prekäre Kulturarbeit“ ausgeweitet, auch weil die Bezeichnung der Beschäftigung nicht entscheidend ist für die Ausbeutung. Diese manifestiert sich aus unserer Perspektive darin, dass der Kulturbetrieb darauf angewiesen ist, dass Leute in ihm arbeiten, die auch in „Vollzeitbeschäftigung“ nicht davon leben können. Wie das dann genau heißt, ob Arbeit auf Honorarbasis, Praktikum, Volontariat oder Assistenz, und ob es statt 0 Euro 350 Euro im Monat gibt, sind dabei nur Abstufungen in der Motivation und in den Möglichkeiten, sich zu wehren.

Wichtig schien uns, diese Arbeitsverhältnisse zusammenzufassen, auch um einem Gegeneinander-ausgespielt-Werden zuvorzukommen. Mit einem Fragebogen hatten wir versucht, auf verschiedene Widersprüche in den Beschäftigungsverhältnissen im Kulturbereich hinzuweisen. Da uns – wie bei solchen Fragebogen üblich – nicht allzu viele zurückgesendet wurden, lagen sie auch auf den Tischen aus. Aber die Motivation über Ausbeutung, Lebensweisen, Arbeitsverhältnisse und anderes zu sprechen, war auch so gegeben. Eine lange gemeinsame Diskussion nach dem Essen gab uns die Möglichkeit, einzelne Punkte zu vertiefen und viele neue aufzuwerfen.

Innerhalb der Institution zu arbeiten, schien zwar inhaltlich problematisch (da das Museum selbst auch zu oben genannten Bedingungen Praktikant_innen beschäftigt), bot uns aber die Möglichkeit, Kulturarbeiter_innen anzusprechen, die sich bis jetzt nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, sich aber gerade davon ansprechen lassen, im Museum zu Abend zu essen oder ihre Schwierigkeiten in ihrem Praktikum eher mit ihrem spezifischen Arbeitsplatz und nicht mit Praktika insgesamt in Verbindung gebracht haben.

Rechtliche (Schief-)Lage

Was bei der Diskussion im Anschluss an das Essen auch zur Sprache kam, war die rechtliche Lage von Praktikant_innen in Österreich. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass es keine Legaldefinition des Begriffs „Praktikum“ gibt. So kann ein Praktikum als Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis organisiert sein. Bei einem Arbeitsverhältnis gelten die sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie etwa Entgeltanspruch und Versicherungspflicht durch die Arbeitgeberin, bei einem freien Dienstvertrag gelten diese in eingeschränkter Form. Ist das Praktikum als Ausbildungsverhältnis organisiert, entfallen diese Verpflichtungen der Arbeitgeberin größtenteils, auf der anderen Seite sollte bei dieser Variante genügend Zeit für die Ausbildung zu Verfügung stehen. Der Praktikant oder die Praktikantin haben in dem Fall keine Arbeitsverpflichtung, das heißt unter anderem das Recht, nicht zu erscheinen und nur ausbildungsrelevante Tätigkeiten auszuführen.

Laut einer 2011 veröffentlichten Studie der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) werden reale Beschäftigungsverhältnisse in Österreich häufig als Praktika bezeichnet, um arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer_innen zu umgehen: „… Praktikanten/Praktikantinnen werden von Arbeitgebern/ Arbeitgeberinnen als günstige, hoch motivierte und qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt, und dies zugleich in Form einer Umgehung regulärer Beschäftigungsverhältnisse mit adäquater Entlohnung bzw. sogar als Ersatz regulär beschäftigter Erwerbstätiger.“ (FORBA 2011: 159) Die rechtliche Lage ist in anderen Ländern teilweise unterschiedlich, in Frankreich zum Beispiel müssen Praktika ab drei Monaten mit einem Drittel des Mindestlohns bezahlt werden, in Dänemark sind Praktika nur als befristete Arbeitsverhältnisse zulässig. Die FORBA-Studie weist neben dieser Problematik außerdem darauf hin, dass es keine quantitativen Studien zu den besonderen Problemfeldern Kulturbereich, Medien und Soziales gibt, in denen die Ersetzung realer Stellen durch Praktikant_innen vermutlich besonders verbreitet ist. Was auffällt, ist, dass Praktika in Österreich hauptsächlich von Frauen gemacht werden (70:30 Prozent) – im Kulturbereich ist der Frauenanteil vermutlich noch höher – und dass Kinder aus Familien mit schwachen Einkommen seltener Praktika machen.

Die von der FORBA-Studie veröffentlichten Daten zeigen, dass Praktikant_innen sehr oft als Gratis-Arbeitskräfte ausgebeutet werden, ohne irgendeinen arbeitsrechtlichen Schutz zu haben. Obwohl es theoretisch möglich wäre, nehmen Praktikant_innen ihr Recht nicht in Anspruch, das Geld einzufordern, das ihnen zustehen würde, wenn ihr Praktikum de facto ein Arbeitsverhältnis war. Frappant ist auch der Frauenüberhang bei den Praktika, der uns beim Interndinner schon aufgefallen war: Nur zehn der knapp 60 Zusagen, die wir auf die Einladung erhalten hatten, kamen von Männern.

Besonders problematisch ist die Situation für (unbezahlte) Praktikant_innen ohne österreichische Staatsbürgerschaft: EU-Bürger_innen müssen, wenn sie sich in Österreich melden, bereits finanziell abgesichert sein bzw. innerhalb von drei Monaten einen unbefristeten Vertrag mit adäquater Bezahlung vorweisen können, um vor Strafzahlungen geschützt zu sein. Nicht EU-Bürger_innen dürfen maximal drei Monate im Jahr gratis als Praktikant_innen arbeiten. Ist das Praktikum bezahlt, muss der Praktikant oder die Praktikantin an einer österreichischen (Hoch-)Schule studieren und vom AMS die Erlaubnis bekommen, Praktikant_in sein zu dürfen (siehe Ausländerbeschäftigungsgesetz bzw. Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz). Ein prinzipielles Problem ist natürlich auch, dass es sich nur Menschen, die finanziell abgesichert sind, leisten können, ein un- oder unterbezahltes Praktikum zu machen.

Inspirationen

Unser Abend im 21er Haus sollte explizit keine Museumsbesetzung werden und auch nicht die Demo in die Ausstellung holen. Der Rückgriff auf derlei Polit-Formeln scheint gerade im Kunstbereich im Kontrast dazu zu stehen, die eigenen Arbeitsverhältnisse immer außerhalb politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse zu sehen.

Dennoch gibt es bereits zahlreiche kluge und engagierte Initiativen, die sich mit ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen im Kulturbereich auseinandersetzen, in Österreich fordert zum Beispiel die Fair Pay-Kampagne der IG Kultur angemessene Löhne im Kulturbereich (siehe: www.igkultur.at/projekte/fairpay). Die Precarious Workers Brigade aus Großbritannien ist Teil des Carrot Workers Collective, das den Counter Internship Guide herausgegeben hat (siehe: www.carrotworkers.wordpress.com/counter-internship-guide) und Alternativen zur un- und unterbezahlten Arbeit im Kulturbereich andenkt. Art Leaks ist ein Kollektiv von Kulturarbeiter_innen, die das Ziel haben, Ausbeutungsverhältnisse im Kunstfeld öffentlich zu machen (siehe: www.art-leaks.org).

Was gemacht werden kann

Das Problem dabei, Praktikant_innen zu organisieren, ist deren besonders prekäre Situation: Praktika im Kulturbereich sind nicht nur meistens un- oder unterbezahlt, sie sind auch temporär. Deshalb liegt unser Interesse nicht nur darin, Arbeits- und Ausbeutungsverhältnisse im Bereich der Praktika zu bekämpfen, sondern wir verstehen Praktika vielmehr als Teil einer prekären und ausbeuterischen Kontinuität im Kulturbereich. Wir sehen verschiedene Handlungsebenen und -modi. Das geht von der persönlichen über die institutionelle bis hin zur Ebene des Gesetzgebers. Unabhängig davon, ob die Initiative Interndinner in ihrer jetzigen Form weiter besteht oder ob sie innerhalb bestehender Wiener Arbeitsgruppen weitergeführt wird, die Veränderung muss auf allen Ebenen ansetzen und dazu die passenden Handlungsstrategien entwickeln.

Literatur

FORBA (2011): Praktika und Praktikanten/Praktikantinnen in Österreich. Empirische Analyse von Praktika sowie der Situation von Praktikanten/Praktikantinnen, Wien. Download

Gesetzestexte

Links

www.igkultur.at/projekte/fairpay
www.cafe.prekaer.at
www.generation-praktikum.at
www.generation-precaire.org
www.art-leaks.org
www.carrotworkers.wordpress.com
www.carrotworkers.wordpress.com/counter-internship-guide
www.precariousworkersbrigade.tumblr.com
www.nopaynoway.wordpress.com
www.internaware.org

 

Ana de Almeida, Anke Dyes und Julia Tirler

haben mit dem Projekt Interndinner eine Auseinandersetzung mit Praktika und prekärer Kulturarbeit initiiert. Nach eigenen Erfahrungen in diesem Bereich wollen sie sich mit anderen prekär Arbeitende vernetzen und gemeinsam an Strategien, sich zu wehren, arbeiten. Weitere Infos über das Projekt unter: interndinner.wordpress.com