Umverteilung ist eine Alternative!
<p>Die Artikelserie „Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik“, der IG Kultur Österreich, die im Sommer 2011 gestartet wurde wird nun, ein Jahr und 25 Artikel später, abgeschlossen. Es liegt damit eine <b>Sammlung an Handlungsfeldern</b> vor, die als Grundlage für eine kulturpolitische Weichenstellung in Richtung Zukunft genützt werden könnte. Wenn man nur wollte. So kurz ist in Österreich der Weg von konkreten Alternativen zum Konjunktiv, zum Irrealen. Denn
Die Artikelserie „Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik“, der IG Kultur Österreich, die im Sommer 2011 gestartet wurde wird nun, ein Jahr und 25 Artikel später, abgeschlossen. Es liegt damit eine Sammlung an Handlungsfeldern vor, die als Grundlage für eine kulturpolitische Weichenstellung in Richtung Zukunft genützt werden könnte. Wenn man nur wollte. So kurz ist in Österreich der Weg von konkreten Alternativen zum Konjunktiv, zum Irrealen. Denn gerade im Sommer, wenn die Salzburger Festspiele wieder die Herzen der Politiker_innen erfreuen, wenn rote Teppiche beschritten und die Beseeltheit echter Künstler_innen angestaunt werden kann, dann, ja dann, findet sich eine rückwärtsgewandt verwaltende Kulturpolitik, die sich nur in Sonntagsreden aus der rot-goldenen Sicherheit der Konzertsäle herauswagt, bestätigt.
Dabei wäre genau das Hinausgehen das Wagnis wert, denn es gäbe für die Kulturpolitik dabei einiges zu entdecken. Ein Beispiel: Eva Jantschitsch/Gustav, eines der Aushängeschilder österreichischer Popkultur (und die u.a. 2011 einen Liederzyklus für die Salzburger Festspiele komponierte), hatte ihren ersten Auftritt beim Frauenbandenfest 2002, einem feministischen Grassroot-Projekt, das Nachwuchskünstlerinnen Auftrittsmöglichkeiten bietet. In solchen dezentralen, über das ganze Bundesgebiet verstreuten und chronisch unterfinanzierten Initiativen entstehen die künftigen großen Karrieren, nicht in einer geheimen Retorte im Keller der Bundestheater.
Doch regionale Kulturarbeit ist nicht nur eine Brutstätte für den künstlerischen Nachwuchs, sondern sorgt auch für eine umfassende intellektuelle und kreative Aktivierung in den Regionen und, nicht zuletzt, für eine bessere Lebensqualität.
Diese Erkenntnis könnte dabei hilfreich sein, regionale Kulturarbeit unter anderen Gesichtspunkten zu sehen als unter dem eines Störfaktors, der die traute Übereinkunft mit dem Boulevard beeinträchtigt, wie Michael Wimmer vermutet. Sie würde auch dabei helfen, jene unnachvollziehbare und durch nichts gedeckte Zweiklassengesellschaft in der Fördergebahrung abzuschaffen, die einerseits den großen Institutionen ein Förderabo mit Inflationsabgeltung ohne jede Form der Qualitätskontrolle sichert, den kleinen Institutionen und Projekten hingegen abverlangt, bei jedem neuen Antrag um ihre Existenz zittern zu müssen und auch Kleinstbeträge mit unverhältnismäßigem Aufwand abzurechnen. So können beispielsweise die Salzburger Festspiele gesetzliche Vorgaben zur Bilanzlegung wie auch Kritik des Rechnungshofes als unverbindliche Vorschläge auslegen. Kulturinitiativen müssen aber, wie ein mittlerweile legendäres Beispiel zeigt, sogar das Klopapapier aliquot abrechnen, damit jedes Detail stimmt.
Diese Schieflage hat sich in der Regierungszeit von Claudia Schmied auf der Basis eines unreflektiert konservativen Kunstbegriffs verschärft. Während noch zu Beginn der beiden Amtszeiten eine Studie zur sozialen Lage der Künstler_innen in Auftrag gegeben wurde, wird am Ende der zweiten Legislaturperiode die Verantwortung für die katastrophale Einkommenssituation verleugnet. Stattdessen wurde eine Handvoll Spitzenförderungsprogramme für einige wenige Einzelpersonen eingerichtet. Durch die Absenz einer kohärenten kulturpolitischen Strategie kann nur ein kleine Elite von ihrer Arbeit auch leben, während der große Rest geradezu in die Armut hineingefördert wird. Umverteilung zugunsten zeitgenössischer Kunstproduktion tut dringend not, die aktuelle Situation ist nicht nur einer selbst ernannten Kulturnation unwürdig, sondern auch ökonomisch hochgradig ineffizient.
Elisabeth Mayerhofer ist strategisch-politische Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich.
ALTERNATIVEN ZUM VERLUST DER KULTURPOLITIK:
Teil 26: Umverteilung ist eine Alternative. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 25: Die engen Grenzen der Kunst. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 24: Internationale Kulturpolitik zwischen Dialog, Selbstrepräsentation und Ausgrenzung. Von Franz Schmidjell
Teil 23: Kulturpolitik machen – für eine Verteilungsdebatte, jetzt! Von Juliane Alton
Teil 22: Umverteilung jetzt! Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 21: Die Wissensgesellschaft und ihre freien Idioten. Von Andrea Roedig
Teil 20: Kunst irrt. Von Juliane Alton
Teil 19: Gipsy Dreams. Von Gilda-Nancy Horvath
Teil 18: Intervention zur Wienwoche. Von Ülkü Akbaba und Andreas Görg
Teil 17: Kulturpolitik für Menschen, nicht für Institutionen! Von Marty Huber
Teil 16: Mobilität statt Barrieren!. Von Petja Dimitrova
Teil 15: Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik: Ein Zwischenresümee. Von Gabi Gerbasits
Teil 14: Von Schönheitsfehlern und Mißtönen abgesehen. Von Gerhard Ruiss
Teil 13: Lasst alle Hoffnung fahren. Von Otto Tremetzberger
Teil 12: Soziale Lage? Oder Wallfahren für Linke. Clemens Christl
Teil 11: Ein Lüfterl oder ein Brain-Storm? Gottfried Wagner
Teil 10: Panic on the Streets of London. Michaela Moser
Teil 9: Gefällige Demokratur oder demokratische Kultur? Stefan Haslinger
Teil 8: Räume der kulturellen Tat. Marty Huber
Teil 7: Transparenz in der Kulturverwaltung - a never ending story. Juliane Alton
Teil 6: Musiktheater als bürgerlicher Selbstbedienungsladen? Juliane Alton
Teil 5: Zwei ökonomische Argumente, warum man sich bei der Kultur nichts erspart und ein Plan B. Paul Stepan
Teil 4: Eine Kulturpolitik für Alle und von Allen. Ljubomir Bratić
Teil 3: Abschminken ist angesagt! Michael Wimmer
Teil 2: Keine Angst vor den freien Szenen? Elisabeth Mayerhofer
Teil 1: Fehlt da jemand? Stefan Haslinger
Teil 0: Geht's noch? Marty Huber