Umverteilung jetzt!

Das Kunst- und Kulturfeld sieht sich im Kontext des „Spar“paketes nicht nur mit äußerst unsicheren Perspektiven, sondern auch mit einem Ministerialentwurf über ein „koordiniertes Förderwesen“ konfrontiert, der zumindest erstaunt.

Stellungnahme der IG Kultur Österreich zum Sparpaket und den geplanten Änderungen der Förderpraxis

Das Kunst- und Kulturfeld sieht sich im Kontext des „Spar“paketes nicht nur mit äußerst unsicheren Perspektiven, sondern auch mit einem Ministerialentwurf über ein „koordiniertes Förderwesen“ konfrontiert, der zumindest erstaunt. Der Ministerialentwurf aus dem Finanzministerium, der an alle Ressorts erging, wurde entweder völlig ohne Bedacht auf den Kunst- und Kulturbereich erstellt oder es stehen grundlegende Veränderungen an, die eine fundamentale Umstellung der Kulturförderung bedeuten und den Großteil der vorhandenen Institutionen in massive Schwierigkeiten bringen werden. BM Schmied beruhigt die Kulturszenen zwar über die Medien [1], eine klare Stellungnahme steht jedoch noch aus.

Letzteres gilt auch für die zu erwartenden Folgen des Sparpakets, das eine Kürzung der Ermessensausgaben um 5 % vorsieht. Bislang versuchte das Ministerium zu beruhigen, doch das Vertrauen in mündliche Versicherungen ist gering.

Insgesamt lassen sich die zu erwartenden Veränderungen in zwei Bereiche unterteilen, in Inhalte und Abläufe.

Inhalte: Projekte statt Strukturen

Was Inhalte betrifft, so gibt es natürlich nur Indizien über künftige Schwerpunktsetzungen, da eine Diskussion über kulturpolitische Ziele und die Mittel, diese zu erreichen, seit Jahren systematisch verweigert wird. Zu groß ist die Angst vor der offenen Auseinandersetzung, eine Politik des leisen Aushungerns wird hier vorgezogen. Und das Bild ist trist: Kleinere Infrastrukturen, die für eine niederschwellige Kulturversorgung in den Regionen sorgen, werden nicht in ihrer Relevanz anerkannt und entsprechend dotiert, sondern ignoriert. Wer von der öffentlichen Kunst- und Kulturförderung, die zum größten Teil in die Institutionen der „Hochkultur“ fließt, profitiert, wird nicht hinterfragt. Dafür erschrickt die Ministerin, wenn in Umfragen 70% der Befragten meinen, bei Kunst und Kultur können gekürzt werden [2] Zusammenhang wird aber keiner gesehen.

Weil nun alle Gelder mehr denn je gebunden sind, bringt die Zukunft eine weitere Verstärkung der Projektförderung, das heißt den weiteren Rückbau von Strukturen und eine Verschärfung der ohnehin prekären Produktionsbedingungen von Kunst- und Kulturschaffenden. Die Förderungen bleiben eingefroren, Valorisierungen gibt es in der Welt der freien Kulturarbeit nicht. Der vermeintliche Vorteil für Kulturpolitik und –verwaltung, dass über Projekte jene Institutionalisierung vermieden werden kann, die Gelder bindet, wird durch die Kosten höchst ineffizienter Parallelstrukturen neutralisiert.

Nur: Auch mit den immer spärlicheren Restgeldern (den alljährlich sinkenden Ermessensausgaben), aus denen diese Projekte gefördert werden, kann keine proaktive Kulturpolitik gemacht werden. Nicht einmal die symbolischen Maßnahmen wie die Frauenförderung an der Spitze (der Institutionen), ein paar Nachwuchsstipendien mehr oder ein vereinzeltes Mentoringprogramm greifen mehr, die Glaubwürdigkeit reicht gerade mal für die Chefetage, nicht mehr für die prekarisierten Künstler_innen und Kulturarbeiter_nnen, die seit Jahren an der Armutsgrenze die Werke produzieren, die dann präsentiert werden.

Dieser Zustand beschreibt die Orientierungslosigkeit der österreichischen Kulturpolitik. Eine breite Neuverteilungsdebatte, die unter Einbeziehung der Vertreter_innen des Kunst- und Kulturbereichs geführt werden muss, unumgänglich. Dabei müssen u.a. folgende Fragen behandelt werden: Welche Kunst/ Kultur für und von wem wird gefördert? Wofür sollen öffentliche Gelder eingesetzt werden? Als Mainstream-Verstärker und Erfolgsprämien für Produktionen und Institutionen, die auf dem Markt ohnehin existieren können oder für jene Bereiche, für die es keine effiziente Lösung über den Markt gibt? Wer soll Zugang zu Kunst und Kultur haben und was wird dafür getan?


Abläufe: Good Governance oder ein koordiniertes Förderwesen?

Der zweite große Reformbereich betrifft die Abläufe der Administration. Hier steht vor allem die Frage im Raum, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß der Ministerialentwurf einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über ein koordiniertes Förderwesen im Kunst- und Kulturbereich wirksam wird. Denn er wirft eine Vielzahl an Fragen auf:

  • „Vermeidung unerwünschter Mehrfachförderungen“

Bislang wurde es im Kulturbereich als äußerst positiv bewertet, wenn Mittel von mehreren Förderstellen lukriert werden konnten. Hier steht nun offen, ob diese jahrelang geförderte und verlangte Praxis künftig als „Mehrfachförderung“ unterbunden wird oder als „Kofinanzierung“ bestehen bleibt.

  • „One-stop-shops“: Privatisierung der Kulturverwaltung?

Die geplanten One-stop-shops, die die Förderabwicklung durchführen sollen, sind zwar begrüßenswert, wenn sie tatsächlich eine Erleichterung der Antragstellung bewirken. Die konkrete Umsetzung ist jedoch fraglich. So sieht der Entwurf auch die Möglichkeit einer Auslagerung an private Träger vor, die auf Basis eines Wettbewerbes vollzogen werden soll. Wem gegenüber sind private Träger rechenschaftspflichtig? Welche Auflagen in Bezug auf Transparenz sind einzuhalten? Wodurch soll sich im Vergleich zur öffentlichen Hand ein Sparpotenzial ergeben, wenn davon ausgegangen wird, dass erst ein Aufbau von Know-how vonstatten gehen soll? Und wie wird sich künftig das Verhältnis zwischen den „One-stop-shops“ und jenen Bereichen gestalten, die weiterhin von der öffentlichen Verwaltung betreut werden?

  • Evaluierung und Messung

Bei der Evaluierung sind qualitative und quantitative Indikatoren genannt. Wie werden diese entwickelt und wer ist an dieser Entwicklung beteiligt?

...und die Pflichten der Fördergeber_innen?

Was bisher aber völlig fehlt, sind Beschreibungen, wie die Qualität der Abläufe seitens der öffentlichen Hand gesteigert werden soll: Wo findet sich eine Beschreibung von Mindeststandards, von Transparenz? Im Ministeralentwurf gibt es ausschließlich Anforderungen an die Fördernehmer_in, jedoch keine an die Fördergeber_in.

Fazit: Weiterwurschteln

Wieder einmal werden Chancen vergeben. Diesmal die Chance auf Umverteilung zugunsten zeitgenössischer, nicht-elitärer Kunst, die Chance Institutionen aufeinander abzustimmen sowie die Chance, einen zeitgemäßen Kunstbegriff zu diskutieren und zu fördern.

Anregungen

Die IG Kultur Österreich schlägt eine kleine Leseliste vor, wo sich sehr konkrete Anregungen zur Verbesserung von Abläufen geholt werden können:

Tasos Zembylas und Juliane Alton: Evaluierung der Kulturförderung der Stadt Graz. Endbericht, Wien 2011 PDF-Download

Tasos Zembylas: Good Governance' und die österreichische Kulturförderungsverwaltung. Ist-Analyse und Visionen über eine andere Verwaltungskultur. in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Schwerpunktthema: Kultur und Demokratie, 2006/3, S. 255-273 PDF-Download

Tasos Zembylas und Meena Lang: "Gut sein, besser werden. Kulturförderung als normative und administrative Herausforderung", Wien 2008

Tasos Zembylas: Good Governance in der Kulturförderungsverwaltung. Einsichten aus einer empirischen Studie“. Wien, IKM 2005 PDF-Download

[1] http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Tirol/4438657-2/streiterin-f%C3%BCr-…
[2] http://derstandard.at/1331206895408/Diskussion-zur-Lage-Abhaengig-bist-…


Elisabeth Mayerhofer ist strategisch-politische Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich

 

ALTERNATIVEN ZUM VERLUST DER KULTURPOLITIK:

Teil 26: Umverteilung ist eine Alternative. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 25: Die engen Grenzen der Kunst. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 24: Internationale Kulturpolitik zwischen Dialog, Selbstrepräsentation und Ausgrenzung. Von Franz Schmidjell
Teil 23: Kulturpolitik machen – für eine Verteilungsdebatte, jetzt! Von Juliane Alton
Teil 22: Umverteilung jetzt! Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 21: Die Wissensgesellschaft und ihre freien Idioten. Von Andrea Roedig
Teil 20: Kunst irrt. Von Juliane Alton

Teil 19: Gipsy Dreams. Von Gilda-Nancy Horvath
Teil 18: Intervention zur Wienwoche. Von Ülkü Akbaba und Andreas Görg
Teil 17: Kulturpolitik für Menschen, nicht für Institutionen! Von Marty Huber
Teil 16: Mobilität statt Barrieren!. Von Petja Dimitrova
Teil 15: Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik: Ein Zwischenresümee. Von Gabi Gerbasits

Teil 14: Von Schönheitsfehlern und Mißtönen abgesehen. Von Gerhard Ruiss
Teil 13: Lasst alle Hoffnung fahren. Von Otto Tremetzberger
Teil 12: Soziale Lage? Oder Wallfahren für Linke. Clemens Christl
Teil 11: Ein Lüfterl oder ein Brain-Storm? Gottfried Wagner
Teil 10: Panic on the Streets of London. Michaela Moser

Teil 9: Gefällige Demokratur oder demokratische Kultur? Stefan Haslinger
Teil 8: Räume der kulturellen Tat. Marty Huber
Teil 7: Transparenz in der Kulturverwaltung - a never ending story. Juliane Alton
Teil 6: Musiktheater als bürgerlicher Selbstbedienungsladen? Juliane Alton
Teil 5: Zwei ökonomische Argumente, warum man sich bei der Kultur nichts erspart und ein Plan B. Paul Stepan

Teil 4: Eine Kulturpolitik für Alle und von Allen. Ljubomir Bratić
Teil 3: Abschminken ist angesagt! Michael Wimmer
Teil 2: Keine Angst vor den freien Szenen? Elisabeth Mayerhofer
Teil 1: Fehlt da jemand? Stefan Haslinger
Teil 0: Geht's noch? Marty Huber