Verhaltene Freude, offene Fragen, aber grundsätzlicher Optimismus
Seit Mai 2009 ist es fix. Im Doppelbudget 2009/2010 steht ein Fonds für nichtkommerziellen Rundfunk. Gemeint sind Freie Radios und Community TV. Dotiert mit einer Million Euro. Der Kampf um diese Förderung war ein langer. Vor allem für die Freien Radios.
Es gibt wieder (mehr) Geld
Seit Mai 2009 ist es fix. Im Doppelbudget 2009/2010 steht ein Fonds für nichtkommerziellen Rundfunk. Gemeint sind Freie Radios und Community TV. Dotiert mit einer Million Euro. Der Kampf um diese Förderung war ein langer. Vor allem für die Freien Radios. 1998 gingen die ersten on Air. Damals noch mit finanzieller Unterstützung des Bundes. Aber diese war (wie eh alle schon wissen) unter Schüssel & Morak dann weg. Damit war klar: Die Förderung oder Nichtförderung des Offenen Zugangs für alle Bevölkerungsgruppen zu den Medien Radio und Fernsehen war und ist eine höchst politische Entscheidung. Der Verband der Freien Radios (VFROE) (1) hat seither unzählige Anläufe getätigt, Gespräche geführt und Fördermodelle präsentiert. Erfolg hatte er damit erst beim Kabinett Gusenbauer. Auf dem Marsch durch die Wüste Gobi haben sich die Radios übrigens trotz bundespolitischem Gegenwind als zäh erwiesen, neue sind dazu gekommen, nur eines, das Volksgruppenradio MORA im Burgenland, ist verschwunden, und in Wien ist 2005 mit okto das erste Community TV entstanden.
2007 gab es für den Sektor erstmals seit 2001 wieder Geld vom Bund. 300.000 Euro an Akutförderung für 13 Freie Radios, dezidiert für die Bereitstellung des Offenen Zugangs gewidmet. Der Titel „Akutförderung“ kam nicht von ungefähr. Nicht zuletzt dank einer solidarischen Verteilung konnten kleine Radios vor dem Kollaps gerettet werden. Aber es ging nicht allein ums „Retten“! Endlich und bei einigen auch erstmals konnte in den Ausbau und die Betreuung des Offenen Zugangs, dem wenn man so will Kerngeschäft, investiert werden. 2008 stieg die Fördersumme auf 500.000 Euro. Dazu kamen noch Mittel für das Wiener Community TV okto. Mit dem neuen Fonds hat sich die Fördersumme für den Sektor seit 2007 also mehr als verdreifacht, wohl insgesamt die umfangreichste Förderentscheidung zugunsten des dritten Sektors in den letzten Jahren. Trotzdem: Der neue Fonds ist als Komplementärförderung angelegt. Aus dem Fonds kann ein Radio voraussichtlich zwischen 10% und 15% seines Finanzierungsbedarfs von rund 400.000 Euro decken. Die Hauptlast sollen Länder und Gemeinden tragen. Im Idealfall. Denn die meisten fördern deutlich unter dem Beitrag des Bundes. Von der Ausfinanzierung ist man weit entfernt. Derzeit hat Österreich 13 Freie Radios. Neben okto geht mit DORF in OÖ demnächst das zweite Community TV auf Sendung. Mittelfristig würde ein gut ausgebauter nichtkommerzieller Rundfunksektor jährlich zehn Millionen Euro brauchen, verschwindende 1,4% der GIS Gebühren. Die Höhe der neuen Förderung liegt jedenfalls unter den Erwartungen. Ab 2011 muss es eine deutliche Anhebung geben. Wie soll das gehen? In Zeiten wie diesen?
Weiter expandieren und Budgets nachhaltig anknabbern
Aus der Praxis (auch aus dem Kulturinitiativenbereich) weiß man, dass Förderungen meisten (nur) dann erhöht werden, wenn ein neuer Förderansatz geschaffen wird, wenn nachweislich zusätzliche besondere Leistungen erbracht werden oder neue FörderempfängerInnen dazukommen. Es ist zumindest in der Freien Kultur- und Medienlandschaft eine Illusion zu glauben, für das, was man ohnehin tut, deutliche Erhöhungen durchsetzen zu können, ausgenommen das Wasser steht schon bis über den Hals, wie es bei nicht wenigen Freien Radios bis 2007 auch tatsächlich der Fall war.
Die Sorge von Politik und Kulturverwaltung ist bekanntermaßen die, dass neue Projekte und Initiativen wie Schwammerln aus dem Boden schießen und nicht mehr verschwinden wollen. Erst im Frühjahr hat ein Geschäftsführer von Arthur D. Little in der Tageszeitung Der Standard rund um Linz 2009 davor gewarnt, Strukturen aufzubauen, deren „Betrieb das Kulturbudget nachhaltig anknabbert“ (2). In anderen Worten: Will man die Kultur- und Förderpolitik unter Druck setzen, muss man zusätzliche Strukturen aufbauen und/oder bestehende erweitern. Also: Noch mehr Radios, mehr Community TVs, weitere Sendestandorte, größere Versorgungsgebiete, mehr Vollprogramme usw. Und wenn’s so weit ist, dann darf man vor allem niemandem (nicht der Politik, nicht der Verwaltung, schon gar nicht sich selbst) auf den Leim gehen, wenn es dann wieder heißt: Dafür sind keine Mittel vorgesehen. Das müsse man verstehen. Dann müsse man ja den anderen, die schon so wenig haben, wieder was wegnehmen ...
Damit sich nicht jeder selbst der nächste ist und der Blick aufs große Ganze gewahrt bleibt, gibt es Interessensvertretungen. Jene der Freien Radios (VFROE) hat sich auch den Ausbau des Dritten Rundfunksektors auf die Fahnen geschrieben. Sehr gut, sagen wir! Denn es dient der Sache, wenn der VFROE nicht nur kleinhäuslerisch seine Mitglieder abspeist, sondern auch einen Beitrag zur Expansion leistet.
Strukturförderung statt Inhalteförderung
Mit der neuen Förderung will die Bundesregierung einen Beitrag zur Sicherstellung der Finanzierbarkeit leisten und dafür sorgen, dass bestehende Arbeitsplätze abgesichert und Impulse für weitere Investitionen angeregt werden (3). Das vorliegende Modell greift zurück auf Überlegungen zur „Neuen Medienförderung“, die seit 2007 im Gespräch war und als Pendant zur Basisförderung unter dem Schlagwort „Contentförderung“ bei den Freien Radios auf Skepsis stieß (4). Tatsächlich geht es nun auch darum, Inhalte (Sendungen, Sendereihen, Beiträge) zu fördern, welche „insbesondere einen Beitrag zur Förderung der österreichischen Kultur, des österreichischen und europäischen Bewusstseins sowie der Information und Bildung der Bevölkerung“ leisten, weniger aber die Strukturen zu finanzieren, die diese Leistung erst ermöglichen. Dahinter steht die kaum von der Hand zu weisende und nicht einmal sonderlich medienpolitische Erkenntnis, dass es mit hochqualitativen Inhalten in den herkömmlichen privaten Programmen nicht weit her ist. Stichwort: Einheitsbrei.
Mehr Inhalte und mehr Kultur als in allen anderen Medien
Eine „Inhalteförderung“ ist für nichtkommerzielle Sender genau genommen aber nicht nur ideologisch fragwürdig und sachlich problematisch, denn die Programmleistung entsteht ja user-generiert: Die Inhalteförderung behandelt auch ein Leiden, das es im nichtkommerziellen Rundfunk nicht gibt. Denn im Unterschied zu kommerziellen Sendern und zum ORF mangelt es nicht an inhaltlicher Vielfalt, an redaktioneller Qualität, an der Lokalität der Themen oder an kultureller und sprachlicher Vielstimmigkeit. Es mangelt an der Ausstattung: am Geld für Strukturen, an Personal zur Betreuung z. B. von österreichweit rund 3.000 Radiomachenden (5), an der Vermittlung, an Öffentlichkeitsarbeit über das, was es schon gibt und deshalb vor allem an Präsenz.
Die Programmleistung Freier Radios wird noch immer völlig unterschätzt. Die Freien Radios in Oberösterreich (vier von insgesamt 13 in Österreich) haben deshalb den Programmoutput für ein Jahr ermittelt. Das Linzer Radio FRO, das Freie Radio Freistadt, das Freie Radio Salzkammergut und das Freie Radio B138 in Kirchdorf haben 2008 zusammen für 9300 Stunden redaktionelles Programm im Offenen Zugang gesorgt. 550 RadiomacherInnen haben über 40.000 Stunden ehrenamtlich journalistisch gearbeitet. Eigenverantwortlich. Auf hohem Niveau. Mehr als die Hälfte dieser Programme sind Magazine zu kulturellen, sozialen, politischen und Bildungsthemen. Die Freien Radios stellen als „regionale Kultursender“ nicht nur ihre kommerziellen Gegenüber in den Schatten. Schlecht, ja sogar sehr schlecht, sieht dabei auch der ORF aus. Zu den 9300 Stunden Programm im Offenen Zugang kommen noch jährlich 1650 Stunden professionell produzierte Magazine, z. B. mit ausführlichen Infos zu Veranstaltungen der großen Kulturhäuser von Stadt Linz und Land OÖ. Die Freien Radios nehmen so einen regionalen Informationsauftrag wahr, den der ORF schon allein aus Programmplatzgründen gar nicht wahrnehmen kann. Auch – und wie viele vermutlich gar nicht wissen – im Bereich der Hochkultur.
Wettbewerb der Ideen
Über den Sommer 2009 wurde die neue Förderung in allen Details abgeklärt. Vor den Behörden der EU muss sichergestellt sein, dass sie den „Freien Wettbewerb“ nicht verzerrt. Das sollte kein Problem sein. Der VFROE hat dazu schon in seinem Fördermodell von 2006 eine fundierte juristische Expertise vorgelegt (6). Laut den Richtlinien zur Förderung werden nun aber doch vor allem Inhalte gefördert. Aber: Die Mittel sollen möglichst unbürokratisch verteilt werden und das noch heuer. Am Ziel einer Strukturförderung muss festgehalten werden. Die Freien Medien in Österreich sollten nun auf der Hut sein, nicht in einen „Wettbewerb der besten Ideen“ zu verfallen. Der in Medienangelegenheiten dazu gebräuchliche Fachbegriff sagt nicht viel, aber einiges: Beauty Contest. Es ist weiterhin Solidarität im Sektor von Nöten. Solidarität und Engagement darin, den Sektor auszubauen und als Ganzes zu stärken.
Analog zum Fonds für denn nichtkommerziellen Rundfunk bekommen auch kommerzielle Sender zusätzlich zu den diversen Werbekampagnen im allgemeinen öffentlichen Interesse demnächst echte Subventionen. Jährlich fünf Millionen, also das Fünffache des nichtkommerziellen Bereichs. Tatsächlich gibt es rund fünfmal mehr kommerzielle als Freie Radios und viel mehr kommerzielle (Kabel) TVs als nichtkommerzielle. Vor allem bei den Radios gilt: Nur ein Bruchteil der kommerziellen AnbieterInnen davon sind Lokalradios im klassischen Sinn. Viele sind direkt und/oder indirekt Teil eines der größeren Medienkonzerne und können den Fellners, der Krone, der Styria usw. zugeordnet werden. Viele übernehmen Mantelprogramme. Anders z. B. die Freien Radios: Zu 100% lokal verankert senden sie praktisch ausschließlich regionale Inhalte.
Die Bundesregierung hat ein koalitionäres Interesse daran, auch den kommerziellen VeranstalterInnen das Überleben zu sichern. Aber man muss auch fragen, welche Interessen diese VeranstalterInnen eigentlich verfolgen und wozu es sie überhaupt gibt? Um das zu beantworten, braucht man keine Medientheorie. Die Unterschiede zu den nichtkommerziellen liegen auf Hand: Mit der neuen Förderung im Rücken haben die Freien Radios und Community TV jedenfalls eine hervorragende Gelegenheit (und den Auftrag!), ihre unverwechselbare (und unterschätzte) Position in der hiesigen Medienlandschaft weiter zu stärken.
Anmerkungen
(1) vgl. Verband freier Radios VFRÖ
(2) vgl. derstandard
(3) Zit. aus den Erläuterungen zum Budgetbegleitgesetz; vgl. PDF Download
(4) Tremetzberger, Otto (2008): „Äpfel, Birnen und mutmaßliche Subventionskaiser: Freie Radios Und Community TV formieren sich zum Dritten Rundfunksektor“. In: KUPF Zeitung, Nr. 124, März 2008.
(5) Peissl, Helmut / Tremetzberger, Otto / Purkarthofer, Judith / Pfisterer, Petra / Busch, Brigitta (2008): Nichtkommerzieller Rundfunk in Österreich und Europa, Schriftenreihe der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, Band 3. Wien, S. 37. RTR
(6) vgl. Artikel auf VFRÖ
Markus Schennach ist Geschäftsführer von FREIRAD 105.9 Freies Radio Innsbruck und sonst fast überall dabei.
Otto Tremetzberger ist Geschäftsführer des Freien Radio Freistadt und Mitarbeiter der Gruppe matrix – Initiative für Community TV in OÖ. Otre