VorRisse
Ende November 2011 lud der Kulturrat Österreich anlässlich von zehn Jahren Künstlersozialversicherungsfonds-Gesetz (KSVFG) zu einer Tagung in Wien. In diesem Rahmen kritisiert wurde unter anderem einmal mehr die im KSVFG festgeschriebene Einkommensuntergrenze als Zuschussvoraussetzung.
Ende November 2011 lud der Kulturrat Österreich anlässlich von zehn Jahren Künstlersozialversicherungsfonds-Gesetz (KSVFG) zu einer Tagung in Wien. In diesem Rahmen kritisiert wurde unter anderem einmal mehr die im KSVFG festgeschriebene Einkommensuntergrenze als Zuschussvoraussetzung. Diese führe schließlich, wie die anwesenden KünstlerInnen und ihre InteressenvertreterInnen plastisch darlegten, zur paradoxen Situation, dass die Sozialleistung ausgerechnet jenen vorenthalten bleibt, die sie aufgrund ihres niedrigen Einkommens besonders dringend benötigen. Auf Unverständnis stieß diese Kritik hingegen bei manchen der ebenfalls anwesenden KulturpolitikerInnen. So suchte etwa ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann mit glaubhaft zur Schau gestelltem Erstaunen nach Erklärungen dafür, warum nicht jede künstlerische Tätigkeit für ein Auskommen (weit) jenseits besagter Untergrenze sorgt. Alleine die Vorstellung, dass Kunst- und Kulturschaffende häufig mit Einkommen auf äußerst bescheidenem Niveau leben können und vor allem müssen, scheint für manche also nach wie vor unmöglich zu sein.
Solch verzerrte Vorstellungen über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen und Kulturschaffenden können als Indiz dafür gelesen werden, wie wenig über diese – selbst aufseiten der verantwortlichen KulturpolitikerInnen – vielfach bekannt ist. Für die Kulturrisse ein Anlass, den Heftschwerpunkt der vorliegenden Ausgabe dem Thema zu widmen. Gestützt unter anderem auf die letzte große Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen in Österreich von 2008 erläutert Sylvia Köchl dabei in ihrem einleitenden Text, wie Bildende KünstlerInnen eigentlich ihr Geld (nicht) verdienen. Der von ihr aus Faktoren wie der miserablen Einkommenssituation oder der lückenhaften sozialen Absicherung gefolgerte Handlungsbedarf lässt sich in ähnlicher Form für den Tanz- und Performance-Bereich konstatieren, wie Elisabeth Mayerhofer in ihrem Beitrag deutlich macht. Als empirische Basis dient ihr dabei eine Umfrage, die im Rahmen des Festivals CROSSBREEDS 2012 durchgeführt wurde. Dieses beschäftigte sich, wie Sabina Holzer im Anschluss daran ausführt, mit Strategien des „Über_Leben/s“ in diesem Bereich unter den Bedingungen aktueller Prekarisierungsprozesse. Sowohl Mayerhofer als auch Holzer weisen dabei auf den verschärften ökonomischen Druck hin, der aufseiten der betroffenen TänzerInnen und PerformerInnen widersprüchliche Effekte zeitige: Während im Hinblick auf künstlerische Fragen Resignation als Reaktionsschema nämlich nicht dominiere, sei dies hinsichtlich von Fragen der politischen Gegenwehr sehr wohl der Fall.
Zumindest auf den ersten Blick alles andere als resignativ zeigt sich aktuell das florierende Feld der unabhängigen Plattenlabels in Österreich, die auf der Basis verschiedenster Geschäftsmodelle vielfältigen Musikgenres und ihren ProduzentInnen ein Forum bieten. Wie Christina Nemec in ihrem Beitrag zeigt, steht in ökonomischer Hinsicht jedoch auch hier vieles auf tönernen Füßen. Letzteres trifft, wie aus dem Text von Harald Friedl hervorgeht, in vergleichbarer Form für den Bereich des (Kino-)Dokumentarfilms zu. Die von ihm formulierte Erkenntnis, dass die seitens des Publikums der eigenen Arbeit entgegengebrachte symbolische zwar für fehlende materielle Wertschätzung entschädigen, diese aber nicht ersetzen kann, lässt sich auch auf das von Kulturinitiativen bespielte Feld übertragen. Die Frage, wie diese zu ihrem Geld kommen, haben wir abschließend zum Heftschwerpunkt an vier zentrale Institutionen in diesem Bereich adressiert.
Durch das in den Beiträgen gesammelte Wissen über die „ökonomische Gestricktheit“ unterschiedlicher Sparten des zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffens soll den eingangs erläuterten Verzerrungen etwas entgegengesetzt werden. Vor allem jedoch soll dieses – ja auch in anderen Quellen wie der erwähnten Studie zur sozialen Lage seit Längerem bereits vorrätige – Wissen die Notwendigkeit und Möglichkeit politischen Handelns verdeutlichen.