Was passiert? Die vergebenen Chancen des Wiener Museumsquartiers
Kunstfinanzierung als Mittel zur Belohnung der Braven und Bestrafung der Aufmüpfigen, Subventions- und Raumvergabe mit ideologischer Treffsicherheit, das Museumsquartier als Prototyp schwarz-blauer Kulturpolitik? Keine Frage, doch zugleich dürfen auch die Jahrzehnte sozialdemokratischer und großkoalitionärer Planlosigkeit nicht vergessen werden, die den Boden für diese Situation geebnet haben.
MQ - Hier passiert es. Soviel, dass es kaum möglich ist, einen Satz zu schreiben, der nicht gleich wieder veraltet ist: Kündigung von Depot und Public Netbase, Verleihung des Preises der Stadt Wien und Weitergabe des Prix Ars Electronica an Public Netbase, positive Ergebnisse von Wirtschaftsprüfungen, "Projektionen" für das Kunstpublikum etc. Und außen prangt eine beschauliche Kärnten-Werbung wie eine Vorankündigung des neuen Kunstverständnisses, das den Geist der sogenannten "DrittnutzerInnen" (Depot, Public Netbase, Springerin) ablösen wird.
In den Medien werden indessen Fakten und Zahlen von "Europas größter Kulturbaustelle" präsentiert die den Hype um die konsequente Verdrängung der "Kleinen" ablösen. Wolfgang Waldner, Geschäftsführer der Museumsquartier Errichtungs- und Betriebs-GmbH, beruhigt deren letzte AnhängerInnen: "Ihre Inhalte werden auch weiterhin vertreten sein." Fragt sich nur, von wem. Die Springerin ist bereits ausgezogen, das Depot hat seine MitarbeiterInnen gekündigt und kann ab November nur mehr einen Notbetrieb aufrecht erhalten und auch Public Netbase hat schon seinen Kündigungsbescheid erhalten.
Eine Neubefüllung des "Quartier 21" behält sich die Errichtungsgesellschaft vor. Wieder Wolfgang Waldner: "Meine Idee ist, dass die Auswahl von einem Expertengremium vorgenommen wird. Gleichzeitig mit meinem Strukturvorschlag bekommen die Eigentümer auch einen Vorschlag zur personellen Besetzung." Das heisst im Klartext: Keine regierungskritischen Töne mehr aus dem MQ. Dieses soll ganz der Kunst gewidmet sein. Und diese ist nicht politisch, was die Errichtungsgesellschaft garantiert.
Kunstfinanzierung als Mittel zur Belohnung der Braven und Bestrafung der Aufmüpfigen, Subventions- und Raumvergabe mit ideologischer Treffsicherheit, das Museumsquartier als Prototyp schwarz-blauer Kulturpolitik? Keine Frage, doch zugleich dürfen auch die Jahrzehnte sozialdemokratischer und großkoalitionärer Planlosigkeit nicht vergessen werden, die den Boden für diese Situation geebnet haben: Kommerzielles wurde mit immensen Summen gefördert, Innovatives vergleichsweise verschämt unterstützt. Lange vor der Privatisierungseuphorie der jetzigen Regierung hat sich die Politik aus der Kunst verabschiedet. Zuerst aus der Diskussion, folgerichtig auch aus der Finanzierung. Die Erwartung, dass Kunst ein Teil der Österreich-Werbung zu sein habe, wurde seit langer Zeit bedient. Harmonie statt Dissens, Konsum statt Reflexion, Events statt kontinuierlicher Kulturarbeit und Corporate Identity statt Inhalte. Wichtig ist, dass was passiert, was genau, interessiert schon weniger.
Wahrscheinlichstes Zukunftsszenario zur Zeit: das Museumsquartier als Touristen-Schleuse, die auf einem antiquierten Rezeptionsschema aufbaut und durch geschmäcklerische Themenausstellungen Zufriedenheit mit Kunst, der Welt und überhaupt aufkommen lässt. Und das "Quartier 21" ist eben für die Zielgruppe der Unter-Dreißigjährigen konzeptioniert.
Womit der 30-jährige Krieg ums Museumsquartier endlich Frieden und Harmonie gewichen wäre: Kunst, die Tourismus und Geld bringt, ist in jeder Regierung mehrheitsfähig. Zeitgemäßes oder gar Neues wird dann allerdings wieder an anderen Orten dieser Welt als in Wien verhandelt werden müssen - denn just jene international anerkannte Szene, in der dies zur Zeit geschieht, soll nun weichen.
Diese Szene könnte eine Chance für die Institutionen darstellen, welche einziehen werden - nicht umgekehrt. Denn Auseinandersetzungen, in welchen Positionen der Kunst stets neu verhandelt werden, finden nicht in den großen Museumsunternehmen statt, welche zunehmend nach rein betriebswirtschaftlichen Kurzzeit-Kalkülen ausgerichtet sind.
Aus der spezifischen Situation ließe sich ein museologisches Konzept erarbeiten, in dem neue - keine dritten - Wege gegangen werden. In Kooperation mit allen NutzerInnen und ExpertInnen könnte ein Ansatz entwickelt werden, der versucht, die hybriden Ansätze und Interessen der verschiedenen NutzerInnen in Kontakt zueinander zu bringen.
Auch jene ghettoartige Abgeschlossenheit eines Ausstellungsviertels, das zur Geisterstadt wird, sobald die Touristen beim Abendessen sitzen, könnte vermieden werden, in dem man die genannten Initiativen dort belässt. Mit ihrem Auszug wird die bereits existierende Anbindung des Quartiers an die innovative Kulturszene der Stadt gekappt und damit letztendlich ein steriler Block mitten in der Stadt geschaffen.
In dem aber sicher immer irgendetwas passiert, was sich vermarkten lässt - und solange das gewährleistet ist, wird schon nix passieren.
Elisabeth Mayerhofer arbeitet als freie Wissenschafterin in Wien. Schwerpunkte: Gender Studies, Kulturpolitik. Mitglied von FOKUS, Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien.