Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter

Die Vergabe des diesjährigen Wirtschaftsnobelpreises steckte voller Überraschungen: Nicht nur, dass mit Elinor Ostrom zum ersten Mal eine Frau den Preis erhielt, kündigte die Auszeichnung der Politikwissenschaftlerin doch einen unerwarteten Paradigmenwechsel in der politökonomischen Betrachtung von Gemeingütern (engl. Commons) an.

Die Vergabe des diesjährigen Wirtschaftsnobelpreises steckte voller Überraschungen: Nicht nur, dass mit Elinor Ostrom zum ersten Mal eine Frau den Preis erhielt, kündigte die Auszeichnung der Politikwissenschaftlerin doch einen unerwarteten Paradigmenwechsel in der politökonomischen Betrachtung von Gemeingütern (engl. Commons) an. Waren diese bisher vor allem Zankapfel eines männlich dominierten Streits, ob nun ein Mehr an staatlicher Kontrolle oder eine marktkonforme Privatisierung die bessere Lösung zur Verwaltung gemeinschaftlicher Ressourcen darstelle, beharrt die recht unkonventionelle Forschung Ostroms zu Almwirtschaften im Schweizer Wallis, Fischgründen der Ägäis oder Wasserversorgungssystemen in Nepal auf der Möglichkeit einer gemeinwirtschaftlichen Nutzung natürlicher (aber auch kultureller und sozialer) Güter.

In ihrem Beitrag für das von Silke Helfrich gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen Buch „Wem gehört die Welt? Zur Entdeckung der Gemeingüter“ betont Ostrom dann auch die Notwendigkeit, eigene institutionelle Regelungen zur Bereit- und Herstellung von Gemeingütern jenseits von Markt und Staat zu entwickeln. Dass Ostrom hier nur eine und wohl nicht unbedingt die radikalste Sichtweise in der Debatte um Zugangs- und Benutzungsrechte an Gemeingütern vertritt, zeigen die anderen Beiträge des Sammelbandes. In drei Teile gegliedert umfasst dieser insgesamt 285 Seiten, auf welchen der Frage nach dem spezifischen Charakter gemeinschaftlicher Ressourcen sowie der jeweiligen Bezugsgemeinschaft und ihrer praktizierten Eigentumsregime nachgegangen wird. Die Wiederentdeckung des unsichtbaren Dritten (neben Markt und Staat) erlaubt den AutorInnen, Gemeingüter nicht bloß als materielle Ressource zu sehen, sondern diese als eine soziale Beziehung zu denken. Denn, so die Herausgeberin in ihrer Einleitung, der Zustand der Gemeingüter spiegelt immer auch die Verfasstheit der jeweiligen Gesellschaft wider.

So verbirgt sich hinter dem Mythos von der „Tragedy of the Commons“ (Garrett Hardin), dessen Widerlegung das erklärte Ziel Ostroms und einiger anderer Buchbeiträge ist, das bisherige Menschenbild neoklassischer Prägung: ein auf seinen eigenen Nutzen bedachter und daher zweckrational handelnder homo oeconomicus, der aufgrund seines Eigeninteresses gar nicht anders kann als all jene Ressourcen, die kein privates oder öffentliches Eigentum sind, hemmungslos auszunutzen und damit zu zerstören. Dass dies zwar durchaus vorkommen, aber eben nicht als festgeschriebenes ökonomisches Gesetz gelten kann, zeigt sich innerhalb des Buches in einer Vielzahl an Beispielen, welche von Forstgemeinschaften in Mexiko über die Bewegung freier Software bis hin zu konkreten Praxen wissenschaftlichen Arbeitens reichen. Die Rede von den Gemeingütern birgt dabei für manche AutorInnen das Potenzial einer herrschaftskritischen Perspektive, welche sich nicht alleine mit der Verteidigung bereits bestehender Ressourcen begnügt, sondern zur Öffnung sozialer, kultureller und ökonomischer Räume beitragen soll. Auch wenn die zur Orientierung und Klärung dieser Prozesse notwendigen Begrifflichkeiten in der Lektüre noch etwas unscharf bleiben, ist es der unzweifelhafte Verdienst dieses Bandes, die Relevanz der Debatte erkannt und einen wichtigen Schritt in Richtung einer solchen Begriffsfindung getan zu haben.

Silke Helfrich und Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.):
Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter
München: oekom Verlag 2009

Die komplette Netzausgabe des Buches findet sich hier