Wir müssen über Verteilung reden! Offener Brief von Vorarlberger Kulturschaffenden und Kulturinitiativen
89 Vorarlberger Kulturschaffende und Kulturinitiativen wenden sich in einem offenen Brief an LH Markus Wallner, LSt.in Barbara Schöbi-Fink und den Vorarlberger Landtag und fordern Gleichstellung und Gleichbehandlung des Kultursektors mit anderen Bereichen. Veröffentlicht am 8. April 2021
Wir müssen über Verteilung reden!
In einer Pressekonferenz vom November 2020 zum Voranschlag für das Vorarlberger Landesbudget im Jahr 2021 verkünden Landeshauptmann Wallner und sein Stellvertreter LR Rauch: „Wir müssen in dieser schwierigen Zeit versuchen, das Wachstum wieder anzukurbeln. Wenn wir nicht gezielt investieren, wird es noch länger dauern, den Weg aus der Krise zu finden“, und sie beantragen einen um rund 31 Millionen Euro bzw. um 43 Prozent erhöhten Betrag für Investitionen auf insgesamt 102 Millionen Euro, der in der Landtagssitzung vom Dezember genehmigt wird. In einer weiteren Pressekonferenz vom 2.2.2021 verkünden LH Markus Wallner und LR Marco Tittler, dass das Land Vorarlberg 30 Millionen zusätzlich in die Vorarlberger Bauwirtschaft investiert und damit das Jahresbudget für 2021 in diesem Sektor auf insgesamt 150 Millionen erhöht. Am 23. März nun verkündet der Wirtschaftslandesrat unter dem Motto «Volle Kraft für Aufschwung und Zukunftsfähigkeit“, dass die Wirtschaftsförderungen im Land in diesem Jahr auf 9,5 Millionen erhöht werden.
Angesichts dieser Zahlen und Maßnahmen bleibt uns, den Vorarlberger Kulturschaffenden, buchstäblich die Spucke weg. Uns wurde bereits im Dezember durch die für uns zuständige Landesrätin Barbara Schöbi-Fink via Presse verkündigt, dass das Land Vorarlberg angesichts der aktuellen Pandemiesituation sparen müsse, und es «unabwendbar» sei, das Kulturförderbudget des Landes für 2021 auf 23,4 Millionen Euro zu kürzen. Für uns geht diese ungleiche Behandlung und die damit verbundenen existentiell bedrohlichen Situationen, denen wir seit nunmehr einem Jahr ausgesetzt sind, nicht mit den eingangs erwähnten Aussagen durch die höchsten Standesvertreter und den sie begleitenden Erhöhungen und Investitionen in die «Zukunftsfähigkeit des Landes» in anderen Sektoren zusammen.
Wir fordern endlich Gleichstellung und Gleichbehandlung des Kultursektors mit allen anderen Bereichen, denn wir sind ein genauso wichtiger Wirtschaftsfaktor wie Handel, Tourismus, Gastronomie, Landwirtschaft, Bauwirtschaft und Strassenbau (siehe auch die Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung vom Juni 2020 (1).) Wir fordern die angemessene, auch pekuniäre Wertschätzung unserer «Produkte», mit denen wir nicht nur zur finanziellen Wertschöpfung, sondern auch wesentlich zur psychischen und physischen Gesundheit der Bevölkerung beitragen, insbesondere auch von Kindern und Jugendlichen und anderen vulnerablen Gruppen und ganz besonders in gesellschaftlichen Ausnahmesituationen. Wir haben keine Gewerkschaft, aber das bedeutet nicht, dass wir keine faire Behandlung auf Augenhöhe verdienen. Wir nehmen es nicht länger hin, als marginal gesehen und mit «individuellen Lösungen» abgespeist zu werden. Diese reichen bei weitem nicht aus, auch wenn wir dafür dem Land Vorarlberg dankbar sind.
Es wurde von der Kulturpolitik öffentlich verkündigt, dass das Land «niemanden zurücklasse». Wir fühlen uns aber, je länger diese Krise dauert, und je mehr wir sehen, wie in andere Sparten investiert wird, nicht ernst genommen und zurückgelassen. Es ist höchste Zeit und steht dem Land Vorarlberg an, sich auch zum Kultursektor mit Weitblick und mit nachhaltig wirkenden Investitionen zu bekennen und das eigene Arbeitsprogramm, nämlich «Gute Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu schaffen» ernst zu nehmen.
Aus diesen Gründen fordern wir schnellstmöglich die Verdopplung des aktuellen Kulturförderbudgets auf dann immer noch lediglich 2,38 % des gesamten Landesbudgets 2021, um endlich ein verbindliches Fair Pay System in der Vorarlberger Kulturförderung verankern zu können. Wir fordern die Investition in sinnvolle, ausreichend dotierte Maßnahmen, welche es uns Vorarlberger Kulturschaffenden ermöglichen, aus der aktuellen Bittsteller*innenfunktion zu kommen und ein würdiges Leben auch in der Pandemiesituation zu führen. Diese Investitionen sind absolut und bitter nötig, wenn der Kultursektor nicht ausgehungert werden soll. Und: Sie tragen zweifellos zum «Aufschwung und zur Zukunftsfähigkeit» des Landes bei!
Mit freundlichen Grüßen
Brigitta Soraperra, freischaffende Theatermacherin und Kulturarbeiterin, Feldkirch
Roland Adlassnigg, Bildhauermeister, Atelier f. außergewöhnliche Angelegenheiten / Rankweil
Bernhard Amann, Obmann Transmitter; ProKonTra / Hohenems
Sara-Lisa Bals, freie Künstlerin / Wien, Hittisau
Muhammet Ali Baş, Autor & Kulturvermittler / Wien, Dornbirn
Herwig Bauer, Gründer & Organisator poolbar-Festival / Dornbirn
Natalie Begle, Tanzschaffende, Musik- und Tanzpädagogin / Dornbirn
Sabine Benzer, Geschäftsführerin Theater am Saumarkt / Feldkirch
Robert Bernhard-Jagg, Musiker / Weiler
Theresia Bickel, Keramikerin / St.Gerold
Martin Birnbaumer, Tänzer, Choreograph / Hard
Bettina Bohne, Multimedia Künstlerin / Dornbirn
Gabriele Bösch, Schriftstellerin, bildende Künstlerin / Hohenems
Margret Broger, Pensionistin, Kulturarbeiterin / Hittisau
Günter Bucher, Malerei & Graphik / Götzis
Martin Deuring, Musiker / Bregenz
Hubert Dragaschnig, Schauspieler, Regisseur, Leiter Theater KOSMOS / Bregenz
Arno Egger, Kurator, Johanniterkirche Feldkirch / Feldkirch
Daniela Egger, Autorin / Bregenz
Roland Etlinger, Schauspieler und Regisseur / Dornbirn
Martina Feichtinger, bildende Künstlerin / Rankweil
Laurenz Feinig, Gestalter / Feldkirch
Willibald Feinig, Autor, Kurator / Altach
Natalie Fend, freischaffende Tänzerin und Choreografin, Bregenz
Danielle Fend-Strahm, Theaterregisseurin, Café Fuerte / Hittisau
Miriam Feuersinger, freischaffende Sopranistin, Bregenz
Evelyne M. Fricker, freischaffende Künstlerin, Kostümbildnerin, Geomantin…. / Dornbirn
Nina Fritsch, Theaterpädagogin, Geschäftsführerin Landesverband Vorarlberg f. Amateurtheater / Bregenz
Eugen Fulterer, Kultur-Mikrounternehmer / Wien, Vorarlberg
Helga Geiger, Musiklehrerin / Dornbirn
Sebastian Gerer, Zirkuspädagoge, Artist, Musiker / Dornbirn
Harald Gmeiner, bildender Künstler, Wolfurt
Martina Gmeinder, freischaffende Konzertsängerin / Wolfurt
Katharina Grabher, Schauspielerin, teatro caprile / Wien, Frastanz
Claudia Grava Birnbaumer, Tänzerin, Choreographin / Hard
Stephanie Gräve, Intendantin / Bregenz
David Helbock, Pianist und Komponist / Berlin, Koblach
Monika Helfer, Schriftstellerin / Hohenems
Yvette Heller, bildende Künstlerin / Dornbirn
Barbara Herold, Regisseurin, Dramaturgin, dieheroldfliri /Bregenz
Brigitte Herrmann, Autorin, Dramaturgin, Geschäftsführerin netzwerkTanz / Dornbirn
Cornelia Holzer, Künstlerin / Bildstein
Augustin Jagg, Regisseur, Leiter Theater KOSMOS / Bregenz
Brigitte Jagg, Tänzerin, Choreographin, Tanzpädagogin, Ensemble Spodium / Weiler
Maria Jansa, Künstlerin / Fraxern
Rainer Juriatti, Autor / Bludenz, Graz
Robert Kahr, Schauspieler, Theaterleiter Theater Wagabunt / Dornbirn
Stephan Kasimir, Regisseur, Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung / Bregenz
Heike Kaufmann, Geschäftsführerin Spielboden Dornbirn / Feldkirch
Florian King, Musiker, Komponist, Leiter Jazzseminar Dornbirn, Kisslegg (D)
Niklas Koch, Kulturarbeiter / Dornbirn
Michael Köhlmeier, Schriftsteller / Hohenems
Andreas Kosek, Schauspieler und Regisseur, teatro caprile / Wien, Vorarlberg
Erika Kronabitter, Schriftstellerin & Präsidentin LITERATUR VORARLBERG / Bregenz
Frauke Kühn, Kulturmanagerin, literatur:vorarlberg netzwerk / Feldkirch
Christine Lederer, bildende Künstlerin, Grafikdesignerin / Bludenz
Verena Leija, Gesamtleitung Galerie Vor-Ort, Drei Fenster zum Weg / Altach
Edgar Leissing, bildender Künstler / Bregenz
Philipp Lingg, Sänger, Songwriter / Schoppernau
Hanno Loewy, Literatur- und Medienwissenschaftler, Direktor Jüdisches Museum / Hohenems
Hannes Ludescher, bildender Künstler / Feldkirch
Bianca Lugmayr, bildende Künstlerin / Rankweil
Erika Lutz, Pädagogin, Tischlerin, Kulturschaffende, ARTquer / Frastanz
Victor Mangeng, Bildhauer / Schruns
Wolfgang Maurer, allerArt - Verein zur Förderung von Kunst und Kultur in Bludenz / Bludenz
Monika Mayer-Pavlidis, Tanzpädagogin, Tänzerin, Choreographin / Bregenz
May-Britt Nyberg Chromy, Künstlerin / Feldkirch
Andreas Paragioudiakis, freischaffender Musiker, Komponist, Musikpädagoge / Bregenz
Carolina Paragioudakis-Fink, freischaffende Tänzerin, Tanzpädagogin / Wolfurt
Stefania Pitscheider Soraperra, Kunsthistorikerin, Direktorin Frauenmuseum Hittisau / Feldkirch
Yener Polat, Lehrer & Kulturvermittler, Theater MOTIF / Bregenz
Sandra Maria Pöltl, Obmannstellvertreterin kulturverein bahnhof / Andelsbuch
Johannes Rausch, Theaterproduzent, Schauspieler / Nenzing
Johny Ritter, freischaffender Schauspieler / Dornbirn
Rachel Robin-Bowman, Tanz- und Ausdruckspädagogin, Sopranistin / Hohenems
Raffaela Rudigier-Gerer, Obfrau Zack&Poing / Dornbirn
Ursula Sabatin, freischaffende Tänzerin, Choreografin / Bregenz
Silvia Salzmann, Choreografin und Tänzerin / Höchst
Helmut Schlatter, Projektleiter ARTENNE NENZING / Nenzing
Maria Simma, Kulturmanagerin, Bregenz
Gerhard Skok, bildender Künstler / Feldkirch
Caro Stark, Bühnenbildnerin, Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung, Bregenz
Mirjam Steinbock, Kulturarbeiterin / Bregenz
Lisa Suitner, freischaffende Künstlerin / Feldkirch
Georg Sutterlüty, Vereinssprecher, Programmleiter kulturverein bahnhof Andelsbuch / Egg
Ronja Svaneborg, bildende Künstlerin / Sibratsgfäll
Dagmar Ullmann-Bautz, Theaterpädagogin und Regisseurin / Hard
Gabriele Ulmer, bildende Künstlerin / Schwarzach
Georg Vith, Künstler, Kunstpädagoge, Pädagogische Hochschule Vorarlberg, Mozarteum Innsbruck / Dornbirn
Aleksandra Vohl, Tänzerin, Choreografin, Sozialpädagogin / Bregenz
Brigitte Walk, Regisseurin, Schauspielerin, Theaterpädagogin, walktanztheater / Feldkirch
Lisa Weiß, Veranstaltungsorganisatorin, Kammgarn Hard / Bregenz
Verena Wohlrab, freischaffende Tänzerin / Feldkirch
[1] „Die Studie quantifiziert den Beitrag des erweiterten Kultursektors zum österreichischen Bruttoinlandsprodukt auf etwas unter 3%. Die direkten und indirekten Wertschöpfungseffekte des Kultursektors werden auf rund 9,8 Mrd. € geschätzt, er lastet dabei rund 150.000 unselbständig und selbständig Beschäftigte aus. Die ökonomischen Schäden im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise werden auf 1,5 bis 2 Mrd. € geschätzt und verteilen sich in unterschiedlichem Ausmaß auf die Teilsektoren des Kulturbereiches.“
Aus: „WIFO-Ökonomische Bedeutung der Kulturwirtschaft und ihre Betroffenheit in der COVID-19-Krise“, abzurufen unter https://www.bmkoes.gv.at/Service/Publikationen/Kunst-und-Kultur/berichte-studien-kultur.html
Rückfragen:
Mag.a Brigitta Soraperra
Regisseurin, Kulturarbeiterin, Projektleiterin
+43 (0)664 164 48 45 | @email
Artikelfoto: iStock/ronstik