30 Jahre Rosa Lila Villa
Film- und Videodokumente zur bewegten Geschichte eines Hauses an der Linken Wienzeile. Zwei gegensätzliche Filme über die Rosa Lila Villa
Bei der Wienwoche waren der Film La Villa von Jana Cejpek (1984) und zwei Filme von Tamara Euller: Die Rosa Lila Villa von 1983 und jener über das Frauencafé von 1984 zu sehen, die kinoki im Programm Her mit den Bildern. Autonome Bilder und Queerer Aktivismus zusammengestellt und im Schikaneder Kino in Wien gezeigt hat. Die anschließende Diskussion mit den beiden Filmemacherinnen sowie mit Hanna Hacker und Gabriele Szekatsch, moderiert von Katja Wiederspahn, thematisierte die auslösenden Momente der beiden gegensätzlichen Filme über die Rosa Lila Villa.
Der eine betrachtet und dokumentiert sie von außen, gibt Einblick in die von den Bewohner_innen angebotene Beratungstätigkeit und arbeitet mit einem Filmteam der Filmakademie und einer Sprecherin vom Fernsehen, die Eckdaten der Homosexualität in Österreich benennt und die Entstehungsgeschichte des 1982 von lesbisch-schwulen Aktivist_innen besetzten Hauses erzählt. Der andere entsteht als Reaktion auf Eullers Dokumentarfilm von innen, als Selbstbeschreibung der Bewohner_innen, und kommt fast ohne Ton aus. Nur einmal wird eine der Diskussionen vom Ton her asynchron wiedergegeben. Beide sind Zeugnis des „politischen Haus- und Bestärkungsprojekts für Trans*personen, Lesben und Schwule in Wien“ (zitiert aus dem Nachspann).
Die Besprechung der Filme führte am Schluss auch zur Frage nach Gegenwart und Zukunft der Rosa Lila Villa. Die Antwort kam aus dem Publikum: Marty Huber berichtete über die Verlängerung des Baurechtsvertrages um weitere 35 Jahre (Laufzeit bis 2045).
Die aktuelle Videoproduktion Home is where I can play
Wie die Geschichte der Rosa Lila Villa heute weiter geschrieben wird und in einen Austausch mit Planet 10 tritt, erfährt eine_r über die im Internet veröffentlichte Videoproduktion Home is where I can play, die im Rahmen der Wienwoche realisiert und präsentiert werden konnte. Dieses Video hätte das kinoki-Programm sehr gut ergänzt und ist auch eine mögliche Antwort auf die in der Diskussion im Schikaneder Kino offen gebliebene Frage nach Ausschlüssen, die feministische oder queere Kontexte hervorrufen können und wie sie diesen entgegen wirken.
Das 20-minütige Video von und mit Aktivist_innen beider Kontexte verarbeitet Material, das in zwei Workshops „erspielt“ wurde, in denen performative Umsetzungen zur Darstellung der gemeinsamen Interessen und Ziele gefunden wurden. Leitendes Motiv ist dabei die Frage der Umverteilung von Raum und Privilegien. Selbst hergestellte Schilder werden von Personen verschiedener Hautfarben in die Kamera gehalten, die sich durch Brillen und Perücken theatral verfremdet haben und abwechselnd Englisch, Türkisch und Deutsch sprechen. Übereinander getragene, mit Texten bedruckte T-Shirts werden nacheinander abgestreift und der Kamera vorgestellt: I am part of this story, Agrarsubvention für alle, TranScreen, Bleiberecht für alle, Be different. Think together.
Hinter einem Schild, auf dem das Gebäude von Planet 10 abgebildet ist, erklärt Rukky Unokan: „… Planet 10 is a mixed group with many languages, many genders, lots of people! We share space here.“ Die einzelnen Szenen sind rhythmisch mit Bild- und Tonunterbrechungen von schnipsenden Fingern voneinander getrennt. Zur Geschichte der Rosa Lila Villa erzählt Marty Huber: „Es gibt viele Geschichten von der Farbe Rosa, der Villa. Die ÖVP hat damals die Farbe Rosa bezahlt. Dann haben die wiederum Lesben- und Schwulenhaus darauf geschrieben. Das hat der ÖVP dann gar nicht gefallen.“ Im Video geht es auch um eine Analyse der Medien. Die Aktivist_innen lesen Zeitungsausschnitte vor, die im Zusammenhang mit den aufgeworfenen Themen stehen, und setzen diese neu in Beziehung. Diese Form der Verarbeitung ist, wie Ezgi Erol erzählt, Ergebnis des Zeitungstheater-Workshops. Die Präsentation des Filmes, die am 27. September im Rahmen der Wienwoche stattfand, greift den spielerischen Charakter auf: Nach dem sich das Publikum in der Rosa Lila Villa versammelte, wurde das Zeitungstheater in der gemeinsamen Busfahrt zum Planet 10 wiederholt.
Zwei Häuser, zwei Geschichten: Planet 10 und die Rosa Lila Villa
Das Video ist mit Inhalten gefüllt, deren Komplexität die Dauer jedoch überfordern: Deutschkurs, Sprache, Ehe, Bleiberecht, Wohnung, Räume, Medien. Die unterschiedlich lange Geschichte zweier Häuser wird erzählt, die Kämpfe seiner Bewohner_innen thematisiert, ihre – ihnen von den Medien und der Mehrheitsgesellschaft zugeschriebenen – Rollen im Bus 14A, mit dem die beiden Häuser verbunden sind, öffentlich problematisiert. Eine Fülle von Spielszenen, die ohne Pause die Workshop-Inhalte transformieren, beansprucht die Ausdauer der Zuseher_innen und lässt wenig Möglichkeit zum Nachdenken und zur Reflexion über die eigene Position.
Umso wichtiger erscheint die im Nachspann versteckte Information, dass es sich bei Planet 10 nicht wie bei der Rosa Lila Villa um ein Haus der Gemeinde Wien handelt, dessen Baurecht 1985 erstritten wurde. „Das Haus in der Pernerstorfergasse 12 im 10. Bezirk wurde mit Direktkrediten von Freund_innen und dem Geld aus Erbschaften von Familien mit Nazi-Täter_innen gekauft. Die Hausgruppe gründete sich, um ein partizipatives, in vielerlei Hinsicht gemischtes Hausprojekt zu realisieren. Seit Jänner 2010 gehört das Haus denen, die es bewohnen und nutzen …“(1)
Simone Bader arbeitet mit Jo Schmeiser als Künstlerinnengruppe Klub Zwei und an der Akademie der bildenden Künste in Wien mit Heimo Zobernig und Roland Kollnitz zusammen.
Fußnote
(1) Zitiert aus dem Nachspann
von Lila Tipp
17:25
Home is where I can play from Lila Tipp on Vimeo.