Freiräume erkämpfen

Die kulturellen Möglichkeiten in Vorarlberg sind begrenzt. Menschen, die abseits der etablierten Angebote Kultur schaffen wollen, werden in eine kommerzielle Verwertungslogik gezwungen. Kultur ist hierzulande längst zu einem unleistbaren Vergnügen verkommen.

Die kulturellen Möglichkeiten in Vorarlberg sind begrenzt. Menschen, die abseits der etablierten Angebote Kultur schaffen wollen, werden in eine kommerzielle Verwertungslogik gezwungen. Kultur ist hierzulande längst zu einem unleistbaren Vergnügen verkommen. Überhöhte Eintrittspreise bei verschiedenen Veranstaltungen machen es vielen Menschen nicht möglich, ihre „Freizeit“ – wie frei diese auch tatsächlich sein mag – nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Weiters schließen VeranstalterInnen Angebote von Kulturschaffenden, welche keine hohen Profite versprechen, größtenteils aus.
Der Verein Konkret ist sich dieser Problematik bewusst und hat sich deshalb dem Kampf für ein autonomes Kulturzentrum in Vorarlberg verschrieben. In diesem sollen Menschen Platz zur kulturellen Entfaltung und Selbstverwirklichung finden. Außerdem soll Raum zur Erprobung emanzipatorischer und libertärer Lebensweisen geschaffen werden.

Aktionsmonat für Freiräume

Um der Forderung nach einem autonomen und weitestgehend unkommerziellen Kulturzentrum Gehör zu verschaffen, organisierte der Verein Konkret im Oktober einen Aktionsmonat „für die Schaffung und Erhaltung eines selbstverwalteten Kulturzentrums!“. Vom 3. bis 24. Oktober gab es ein vielfältiges Programm, welches unter anderem Straßenfeste, Demonstrationen und abwechslungsreiche Konzerte beinhaltete. Im Zuge einer Veranstaltung am Dornbirner Markplatz wollte der Verein Konkret auf die Problematik fehlender Strukturen für unkommerzielle Bands aufmerksam machen und gab diesen im Zuge dieser politischen Kundgebung eine Bühne. Die temporäre „Rückeroberung“ des öffentlichen Raumes wurde von den Anwesenden größtenteils mit Wohlwollen aufgenommen, viel Sympathie wurde auch der Forderung nach einem autonomen Kulturzentrum entgegengebracht. Lediglich die VertreterInnen der „öffentlichen Ordnung“ setzten sich negativ in Szene, als sie versuchten, die angemeldete Versammlung mit Livemusik zu unterbinden und damit drohten, den Strom abzudrehen. Als sie allerdings erkannten, dass ihre Drohung ins Leere lief – ein Notstromaggregat war bereits vor Ort –, entschlossen sie sich, die Veranstaltung unter der Aufsicht eines Polizeigroßaufgebots stattfinden zu lassen. Einmal mehr wurde deutlich, wie öffentlich der „öffentliche Raum“ tatsächlich ist.
Der Aktionsmonat kann als großer Erfolg bezeichnet werden, da viele Menschen dazu angeregt wurden, sich über die angesprochenen Thematiken Gedanken zu machen. Einige wurden ermutigt, selbst aktiv zu werden. Nach der Abschlussdemonstration des Aktionsmonats kam es zu der Hausinstandbesetzung in Feldkirch, die für alle am Aktionsmonat beteiligten Menschen eine positive Überraschung war. Es wurde deutlich, dass das vermeintliche Ende des Aktionsmonats nicht das Ende des Kampfes für ein autonomes Kulturzentrum war, sondern lediglich dessen Anfang darstellte.

Hausbesetzung

Während der sechs Tage, die diese Besetzung andauerte, wurde in eindrucksvoller Art und Weise gezeigt, wie ein autonomes Kulturzentrum in unserem Sinne funktionieren kann. Es soll ein Ort für alle Menschen sein, sofern diese durch ihr Denken und Handeln keine anderen Personen ausbeuten, einschränken oder diskriminieren. Deshalb kann und soll nicht in gesellschaftlich vorgegebene Kategorien wie Hautfarbe, Geschlecht, Nationalität, Glaube und sexuelle Orientierung eingeteilt werden. Es war und ist uns bewusst, dass wir uns den gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen nie komplett entziehen können. Trotzdem wollen wir einen Wohlfühlraum abseits des kapitalistischen Alltags schaffen, welcher von den NutzerInnen selbst verwaltet und gestaltet wird. Innerhalb kürzester Zeit wurde dem jahrelang leer stehenden Haus wieder Leben eingehaucht. Gemeinsam wurden fehlende Geländer ersetzt, wurde für eine Stromversorgung durch ein Aggregat gesorgt, eine Bar gebaut, ein Infoladen sowie ein Kino und ein Frauen-/Lesben-/Transgenderraum eingerichtet. Für das leibliche Wohl wurde eine provisorische Küche errichtet, die fast rund um die Uhr genutzt wurde. Außerdem gab es eine Reihe von praktischen Workshops. Auch kulturelle Veranstaltungen wurden organisiert, z.B. am zweiten Abend ein Hip Hop/Reggae Konzert, welches – bei freiem Eintritt – auch dazu rege genutzt wurde, das temporäre autonome Kulturzentrum zu besichtigen.

Zukunft

Der Verein Konkret versuchte schon seit längerem vergeblich, auf die Problematik fehlender Freiräume aufmerksam zu machen und mit den politischen Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen. Mit der Hausinstandbesetzung konnten jedoch Türen geöffnet werden, die Landespolitik hörte plötzlich zu. Die Ideen und Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise sowie der Zeitplan bis zur Umsetzung eines autonomen Kulturzentrums wurden vom Land Vorarlberg angenommen. In den kommenden Monaten soll also eine Arbeitsgruppe ein detailliertes Konzept erarbeiten, parallel dazu sollen Häuser gesucht werden, um im April die direkte Umsetzung zu ermöglichen. Auch wenn – ob der positiven Reaktion der Landespolitik – die Euphorie groß ist, ist eine gewisse Portion Skepsis angebracht. Vorläufig können sich die Ergebnisse jedoch sehen lassen und es sieht danach aus, als würde ein autonomes Kulturzentrum – auch in Vorarlberg – endlich in greifbare Nähe rücken.

Verein für Kommunikation und Freizeitgestaltung Konkret
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