Gemeinwohlbilanz ARGEkultur Salzburg
Gemeinwohlökonomie basiert auf der Literatur von Christian Felber und ist ein Denk- und Wirtschaftsmodell, das eine Alternative zum klassisch kapitalistischen Modell der Gewinnmaximierung aufzeigt. Im Mittelpunkt stehen der Mensch und die Umwelt und nicht die kapitalistische Wertschöpfung. Als unternehmerischer Erfolg werden der Beitrag und der Fortschritt zum Gemeinwohl angesehen.
Seit Jahren bilanziert Salzburgs größtes unabhängiges Kulturzentrum auch sein Gemeinwohl
Gemeinwohlökonomie basiert auf der Literatur von Christian Felber und ist ein Denk- und Wirtschaftsmodell, das eine Alternative zum klassisch kapitalistischen Modell der Gewinnmaximierung aufzeigt. Im Mittelpunkt stehen der Mensch und die Umwelt und nicht die kapitalistische Wertschöpfung. Als unternehmerischer Erfolg werden der Beitrag und der Fortschritt zum Gemeinwohl angesehen.
Die ARGEkultur hat 2016 ihre erste Gemeinwohlbilanz erstellt – gemeinsam mit einer Gruppe weiterer engagierter Unternehmer*innen wie der Trumer Brauerei, dem Bildungshaus St. Virgil oder dem Sozialverein Laube.
In Österreich haben bereits 500 private und öffentliche Unternehmen und auch Gemeinden dies gemacht, inzwischen sind noch weitere Kulturunternehmen dazu gekommen.
Zur Feststellung des Fortschritts dient der Gemeinwohlbericht, der eine reflektierte Evaluierung der Gemeinwohlorientierung eines Unternehmens darstellt. Im Rahmen des Berichts werden fünf Berührungsgruppen (Lieferant*innen, Eigentümer*innen & Finanzpartner*innen, Mitarbeitende, Kund*innen & Mitunternehmen, Gesellschaftliches Umfeld) auf vier Werte (Menschenwürde, Solidarität & Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung) untersucht. Alle Berührungsgruppen werden in Bezug auf die unterschiedlichen Werte angeschaut, analysiert und beschrieben. Nach erfolgreicher externer Prüfung wird der Bericht als Bilanz anerkannt und das Unternehmen bekommt ein Testat mit zweijähriger Gültigkeit ausgestellt.
Genau das macht diese Bilanzierung auch so interessant in der Anwendung. Es ist einerseits eine analytische und strategische 360-Grad-Betrachtung des Unternehmens. Und es ist eine sehr praktische, konkrete und messbare Alternative zu einer klassischen Finanzbilanz auf wirtschaftlicher Ebene.
Sein Unternehmen einer Gemeinwohlbilanzierung zu unterziehen, heißt noch nicht, in allen Bereichen vorbildlich zu sein. Vielmehr geht es auch darum, Stärken und besonders auch Schwächen zu identifizieren und dann einen Veränderungsprozess einzuleiten.
Entscheidend ist aber natürlich, wie die Ergebnisse aus den Bereichen, in denen es noch Defizite gibt, dann im Unternehmen weiterverarbeitet werden. In der ARGEkultur geschieht dies sowohl im Rahmen der Strategiearbeit – und andererseits im tagtäglichen operativen Geschäft, zum Beispiel durch Workshops mit den Mitarbeiter*innen, in denen wir konkrete Verbesserungspotentiale in dem einen oder anderen Bereich ausloten.
Das Verfassen des Gemeinwohlberichts ist ein Kraftakt. Die gemeinwohlorientierte Evaluierung des eigenen Tuns verlangt Informationen, Daten und Kennzahlen, von denen einige in Kulturbetrieben normalerweise eher selten erhoben werden. Und sie bindet Zeitressourcen von Mitarbeiter*innen, die eigentlich im laufenden Betrieb benötigt werden. Und doch lohnt sich die Mühe. Denn dieser ganzheitliche und neue Blick belohnt mit spannenden Erkenntnissen.
Nachdem es in diesem Magazin um Potentiale für eine klimagerechte Kulturpraxis geht, folgen hier nun drei Praxis-Bespiele von Impulsfragen zum Wert Ökologische Nachhaltigkeit als Teil-Zitate aus der Langversion unseres Berichts.
Wird umweltfreundliche Mobilität bei Mitarbeitenden gefördert?
Es gibt quasi alle Möglichkeiten für die Mitarbeiter*innen, den Arbeitsweg umweltschonend zurückzulegen. Wir fördern durch den Zugang und die Werte und auch durch eine flexible und selbstständige Zeiteinteilung die Mobilität. Achtzig Prozent der Mitarbeiter*innen benutzen den ÖPNV oder das Fahrrad.
Gibt es ökologische Auswirkungen bei Kund*innen und Mitunternehmen?
Direkt messbare ökologische Auswirkungen haben die Produkte der ARGEkultur keine, aber indirekt tragen sie über ihre Kund*innen zur Bewusstwerdung der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen bei – z. B. wenn die künstlerische Darbietung ökologische Themen bearbeitet. Die Erhöhung des sozialen und ökologischen Branchenstandards wird durch die Kampagne Fair Pay gefördert. Ebenso ist das Gebäude zu hundert Prozent barrierefrei.
Kennt das Unternehmen seine Umweltauswirkungen und werden diese reduziert?
Als verpflichtende Indikatoren sind folgende Umweltkonten zu nennen und auf betriebsrelevante Größen (z.B. pro Mitarbeiter*in) umzulegen: Transporte (und deren CO2-Äquivalent in km bzw. kg), Benzinverbrauch (in Liter bzw. kg), Strom- und Gasverbrauch (in kWh bzw. kg), Heizenergie (in kWh/°C), Verbrauch von Trink- und Regenwasser (in m3), Verbrauch von giftigen und ungiftigen Chemikalien (in kg), Papierverbrauch (in kg), Einsatz von sonstigen Verbrauchsmaterialien (in kg), Kunstlichteinsatz (in Lumen bzw. kWh), Schadstoffemissionen (in kg). Gefragt wird: Welche dieser Umweltkonten werden erhoben, welche Daten werden wie veröffentlicht? Und wie werden negative Umweltwirkungen reduziert?
Hier ist sicher der größte Nachholbedarf gegeben – auch wenn im Kulturbereich bzw. durch unsere konkrete Tätigkeit weniger negative ökologische Auswirkungen entstehen als beispielsweise in der Industrie. Dennoch haben wir begonnen, diese Daten zu erheben und im Rahmen des Gemeinwohlberichts zu publizieren.
Wichtiger ist aber, dass wir alle Mitarbeiter*innen aufgefordert haben, Vorschläge zu erarbeiten, wie ihr jeweiliger Arbeitsbereich, das Haus und auch die mit dem Programm zusammenhängenden Faktoren (z.B. Anreise der Künstler*innen oder Zuschauer*innen) ökologisch nachhaltiger gestaltet werden können: Verzicht auf Autos, weitgehender Verzicht auf Flüge, Fahrradparkplätze, Planungen zur E-Mobilität, Benutzung langlebiger Computer und gebrauchter Server, sparsamer Umgang mit Druckerpapier, Benutzung von Umweltpapier und regionale Produktion bei den Drucksorten, Verwendung von Sonnenschutzfolien an den Fenstern zur Wärmedämmung usw.
Die konkreten Maßnahmen sind kleinteilig und mögen banal und unspektakulär erscheinen, tragen aber dennoch zu einer sichtlichen Verbesserung unserer Klimabilanz bei – so ist z.B. unser Strom- und Fernwärmeverbrauch bis Ende 2019 gesunken (bei gleichbleibender Mitarbeiter*innen-Stärke und Bespielung des Hauses).
Entscheidend dabei ist auch die mittelfristige Bewusstseinsbildung der Mitarbeiter*innen für die ökologische Nachhaltigkeit ihres eigenen Tuns.
Die Pandemiejahre 2020 und 2021 sind von der Vergleichbarkeit der reinen Verbrauchszahlen durch die Lockdowns weniger aussagekräftig, zeigen aber auch ganz klare Vorteile für gemeinwohlbilanzierende Unternehmen. Denn sie verzeichnen z.B. häufig keinen Fachkräftemangel, weil sie die Frage nach dem Sinn des Jobs erfüllen können.
Die Gemeinwohlökonomie ist in ihren Ansätzen und Vorgehensweisen zukunftsfähig. Ein Beispiel dafür ist die Abstimmung mit der Agenda 2030 – den UN-Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals/SDG), die 2015 verabschiedet worden sind. In einem eigenen Leitfaden sind jedem dieser 17 Nachhaltigkeitsziele Bereiche der Gemeinwohlmatrix zugeordnet und praktikable Empfehlungen für deren Umsetzung empfohlen.
Der weiterführende Gedanke bei der Gemeinwohlökonomie ist – je mehr Einzelpersonen, Unternehmen und Gemeinden sich daran beteiligen, desto mehr wird die GWÖ politisch und rechtlich implementiert. Als Beispiel: GWÖ-bilanzierte Unternehmen könnten steuerlich begünstigt werden, Gemeinwohl schädigende Unternehmen über höhere Steuern usw. zur Einhaltung der gesellschaftlichen Ziele motiviert.
Ein Reformprojekt also vom betrieblichen zum gesellschaftlichen Wandel.
Die ARGEkultur hat die Arbeit mit der GWÖ seit beinahe sieben Jahren fest im Unternehmen verankert – und damit bislang ausschließlich gute Erfahrungen gesammelt. Aktuell stellen wir unseren nächsten Gemeinwohlbericht fertig und haben damit profunde Erkenntnisse über unser Tun generiert, mit denen wir kontinuierlich weiterarbeiten können.
Sicher: Die Gemeinwohlökonomie ist nicht das einzige alternative Wirtschaftsmodell. Aber in ihrer Komplexität und thematischen Breite, als ganzheitliches Analyse- und Strategietool ist sie für den einen oder die andere möglicherweise ein gewinnbringender Beitrag auf dem Weg zu nachhaltigem Handeln – auch für Kulturinstitutionen.
Daniela Gmachl ist kaufmännische Geschäftsführerin der ARGEkultur gemeinnützige GmbH.