Klimawechsel: selbstbestimmt und partizipativ
Mit der heutigen Ausgabe starten wir eine neue Serie, die sich der aktualisierten Fassung des Klimawechsels widmet. Der Klimawechsel 2.0 steht unter dem Motto „Das Eisen weiter schmieden“ und setzt die kulturpolitische Arbeit des Bohrens harter Bretter fort. In diesem Sinne werden wir die einzelnen Kapitel in den folgenden Ausgaben aufbereiten, heute starten wir mit einem der Eckpfeiler politischer Kulturarbeit „Selbstbestimmung und Partizipation“.
Mit der heutigen Ausgabe starten wir eine neue Serie, die sich der aktualisierten Fassung des Klimawechsels widmet. Der Klimawechsel 2.0 steht unter dem Motto „Das Eisen weiter schmieden“ und setzt die kulturpolitische Arbeit des Bohrens harter Bretter fort. In diesem Sinne werden wir die einzelnen Kapitel in den folgenden Ausgaben aufbereiten, heute starten wir mit einem der Eckpfeiler politischer Kulturarbeit „Selbstbestimmung und Partizipation“. Die Kulturarbeiter des Monats FUFU - die farblosen unabhängigen uniformierten Formierten - ist eine Bürgerliste, die in Waidhofen/ Ybbs in Niederösterreich von im Kulturbereich aktiven Menschen in die Welt gerufen wurde und die es tatsächlich schafften, in den Gemeinderat gewählt zu werden. Über ihre Tätigkeiten spricht Martin Dowalil.
Die wrestling movements langweilen sich aufgrund der grassierenden Gentrifizierung und der damit einhergehenden Fadesse.
SELBSTBESTIMMUNG UND PARTIZIPATION - ALLES FÜR ALLE!
Politische Kulturarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie selbstbestimmt agiert und daher Partizipation ermöglicht.
Selbstbestimmung versteht die IG Kultur Österreich als Motor, der dazu beiträgt, dass die handelnden Subjekte befähigt sind, partizipativ an der Entwicklung neuer gesellschaftlicher Modelle zu arbeiten. Partizipation beruht immer auf Verhandlungsprozessen, welche Selbstbestimmung voraussetzen.
Partizipation ist ein politisches Konzept, welches darauf abzielt, dass nicht nur alle mitspielen können, sondern auch mitspielen wollen und es auch tatsächlich tun. Das setzt ein beträchtliches Maß an Selbstbestimmung voraus, vollkommene Selbstbestimmung widerspräche nach unserer Auffassung der Verfasstheit des Menschen als soziales Wesen und dem Konzept der Kollektivität.
Selbstbestimmung heißt nach dieser Auffassung, selbst zu bestimmen, welchen Platz in welcher Form von Gesellschaft ein Individuum anstreben will, welche Bündnisse hierfür eingegangen werden und welche Abgrenzungen vorgenommen werden. Es bedeutet auch ein freies Denken über neue Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Die repräsentative Demokratie ist nur eine – und wie wir täglich erleben – durchaus mangelhafte Form der Organisation des politischen Lebens. Es ist also nicht nur erlaubt sondern auch erwünscht, neue Formen zu überlegen. Eine partizipative Demokratie, wie das Welt-Sozialforum in Porto Allegre sie vorstellte, ist nur eine weitere denkbare Form dafür. Dass Repräsentativität zu massiven Defiziten führt, vor allem in ihrer euro- und androzentristischen Tradition, zeigt sich im Ohnmachtsgefühl und in der Perspektivenlosigkeit vieler Menschen, die nicht nur als „Unterschicht“ behandelt werden, sondern über die in dieser Begrifflichkeit wieder gesprochen wird. Repräsentativität weist weniger Mängel auf, wenn sie reziprok organisiert ist und Mandate sich nicht konzentrieren (können): Jede/r repräsentiert und jede/r wird repräsentiert. Das garantiert auch Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben, konzentriert auf die Bereiche, in denen Menschen Repräsentationsfunktionen wahrnehmen.
Verhandlungsprozesse benötigen viele Beteiligte, am besten eine Mehrzahl derer, die von den Ergebnissen der Verhandlungen betroffen sind. Die Verhandlung selbst wiederum benötigt selbst bestimmte Individuen, die in den Verhandlungsprozessen auf einer Ebene stehen: nicht nur formalrechtlich, sondern auch was das wirtschaftliche Gewicht und die hintergründigen Netzwerke der Beteiligten betrifft. Mittelfristig kann dies erreichbar sein, wenn Informations- und Bildungsstände insgesamt steigen und die derzeit bestehenden Unterschiede weniger markant werden.
Um dies zu erreichen, sind die herrschenden Prinzipien der Hierarchie zu hinterfragen. Dies ist nicht gleichbedeutend damit, Hierarchien abzuschaffen sondern zielt vielmehr darauf ab, nicht-hierarchische Organisationsformen zu erforschen, zu erproben und zu rechtlicher Gültigkeit zu verhelfen. Weiters geht es darum, die Gründe für Über- und Unterordnung zu durchleuchten. Hierarchie soll, kurz gesagt, nicht dazu dienen, Menschen von Entscheidung und Beteiligung auszuschließen sondern allenfalls dazu, Verantwortlichkeiten zu verteilen. Es geht also darum, formale Hierarchien durch inhaltliche Hierarchien zu ersetzen.
Partizipation ist jedoch auch eine Form von Konflikt. Partizipation wird oft als Mittel betrachtet, um durch aktive Beiträge und das Einnehmen einer bestimmten Rolle Teil von etwas zu werden. Allerdings werden diese Rollen nur selten als eine kritische Plattform der Auseinandersetzung gesehen, sondern vielmehr auf romantische Begriffe von Harmonie und Solidarität gegründet, klagt Markus Miessen, Berliner Architekt und Autor*, und schlägt den Begriff der „konflikthaften Partizipation“ vor: Das ist ein alternatives Modell, das über die üblichen Konsensmodelle hinausgeht. Anstatt einhellige Zustimmung und widerspruchslose Übereinstimmung herzustellen, soll es kritische Distanz und die bewusste Implementierung von Konfliktzonen beinhalten, Konfliktzonen als Orte der gegensätzlichen Interessen, Absichten und Ziele. Partizipation wird in diesem Zusammenhang als politische Praxis definiert, die Teilnehmende zu aktiv Handelnden macht und den partizipativen Prozess als eine erwünschte Irritation, ein Eindringen in Wissensfelder, in Bereiche der Mit- und Selbstbestimmung forciert.
Durch diese produktive Auseinandersetzung sollen Diskurse und differenzierte Handlungsweisen ermöglicht, durch den Austausch von Wissen neue Wissensformen generiert werden. Miessen regt konkret an, den Begriff des Konflikts als fruchtbares Element in die Diskussion um die Partizipation einzubeziehen und „über eine Form des Zusammenlebens nachzudenken, die den Konflikt als eine Art von produktiver Auseinandersetzung ermöglicht: ein Modell der unkonventionellen Partizipation im Sinne eines Zugangs für AußenseiterInnen, die bestehende Debatten und Diskurse beurteilen, ohne Angst zu haben, auf Ablehnung zu stoßen.“
Markus Miessen, Die Gewalt der Partizipation, www.eurozine.com
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