Kommt herbei! Eintritt frei. Comoedianten sind da: Ich erzähle Euch die Geschichte vom Dario Fo-Theater in den Arbeiterbezirken

<p>Es bedient sich der Frechheit, sich dort als Theater zu behaupten, wo es ja gar keines sein darf. Und erst damit erklärt es sich zur wegweisenden Form. Gabriele C. Pfeiffer führt uns in ihrer detailreichen Auseinandersetzung mit dem GemeindeHOFtheater und dem Fo-Theater in eine Theaterform ein, die in ihrer Unmittelbarkeit näher an die Wurzeln des Theaters dringt, als sie selbst von sich zu behaupten wagt. Didi Macher, Ulf Birbaumer und Otto Tausig riskierten es, ein

Es bedient sich der Frechheit, sich dort als Theater zu behaupten, wo es ja gar keines sein darf. Und erst damit erklärt es sich zur wegweisenden Form. Gabriele C. Pfeiffer führt uns in ihrer detailreichen Auseinandersetzung mit dem GemeindeHOFtheater und dem Fo-Theater in eine Theaterform ein, die in ihrer Unmittelbarkeit näher an die Wurzeln des Theaters dringt, als sie selbst von sich zu behaupten wagt. Didi Macher, Ulf Birbaumer und Otto Tausig riskierten es, ein sicheres Umfeld zu verlassen, um jenen Menschen ihr Theater wieder zu bringen, die Tag für Tag für dessen Erhalt sorgen, es aber selbst nicht zu Gesicht, zu spüren bekommen. Ab Ende der 1980er Jahre bis 1995 inszenierte das FO-Theater für die BewohnerInnen der Wiener Gemeindebauten sowie für Unternehmen Stücke seines Namenspatronen Dario Fo und auch Werke anderer nennenswerter Künstler wie Peter Turrini oder Jura Soyfer.

Von den Mechanismen der Kulturindustrie nicht zu einem Konsumgut wandelbar, behauptete sich das engagierte Fo-Theater gegen vielerlei Arten der Entwürdigung von Seiten der kunstfördernden Einrichtungen, der Stadt Wien – und gegen kläffende Hunde und lärmende Kinder in den Gemeindehöfen. Durch Pfeiffers Einblicke ins Fo-Theater Archiv wird die angespannte Situation sichtbar und die herablassende Haltung, die der Gruppe mit einer gewissen Regelmäßigkeit entgegengebracht wurde. Zwar führte man das GemeindeHOFtheater lange Zeit als Teil der Wiener Festwochen, es befand sich jedoch meist am Rande des restlichen Theatergeschehens. Aber die Ohnmacht und Empörung über so manche Negierung zeigt sich auch als existentieller Impuls, durch deren Überwindung tätig zu werden. Auf diese Tätigkeit und Agilität geht die Autorin sehr bewusst ein, um deutlich zu machen, dass die Stärke und Präsenz der Kunst nicht im Endergebnis wurzelt, sondern im Prozess, der zu selbigem führt. Und verwehren sich TheatermacherInnen diesem Prozess, so wie es auf vielen institutionellen Bühnen bedauernswerter Weise der Fall ist, verspotten sie somit das Wesen des Theaters und respektieren es in keinem Falle als emanzipiertes Moment.

Zweifelsfrei handelt es sich beim Fo-Theater um eine der wichtigsten Entwicklungen in der Theatergeschichte Österreichs, deren Anerkennung und Würdigung nur in der aktiven Handlung und ständigen Erneuerung der Beziehung des Theaters zu sich selbst und zum Menschen erfolgen kann. Die Entscheidung, in Bewegung zu bleiben, anstatt bei schon Erprobtem zu verharren, wird nur zu selten als unbedingte Notwendigkeit erkannt. Und so darf auch so manches Scheitern dieser außergewöhnlichen TheaterkünstlerInnen nur als Anstoß zur Weiterführung dieser Vertiefung aufgenommen werden, auch wenn man wie Didi Macher erkennen muss: „Bewegen konnten wir nichts, aber berühren.“

Gabriele C. Pfeiffer: Kommt herbei! Eintritt frei. Comoedianten sind da: Ich erzähle Euch die Geschichte vom Dario Fo-Theater in den Arbeiterbezirken. Wien: mandelbaum verlag 2009