Kunst irrt!

<p>Urheberrecht war eines der Kernthemen des österreichischen Kulturrats bei seiner Gründung im Jahr 1999, neben Künstlersozialversicherung, Steuerrecht für Kulturschaffende und Medienfragen.</p> <p>Umso verwirrender mag es für die Öffentlichkeit sein, wenn sich im Kulturrat engagierte Persönlichkeiten und Organisationen zu einem solchen Kernthema in entgegengesetzte Richtungen bewegen und auf ihren Wegen jeweils schon recht weit gekommen zu sein scheinen.</p>

Urheberrecht war eines der Kernthemen des österreichischen Kulturrats bei seiner Gründung im Jahr 1999, neben Künstlersozialversicherung, Steuerrecht für Kulturschaffende und Medienfragen.

Umso verwirrender mag es für die Öffentlichkeit sein, wenn sich im Kulturrat engagierte Persönlichkeiten und Organisationen zu einem solchen Kernthema in entgegengesetzte Richtungen bewegen und auf ihren Wegen jeweils schon recht weit gekommen zu sein scheinen.

Die Forderungen der Initiative „Kunst hat Recht“ (mit initiiert von Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren) und das zivilgesellschaftliche Engagement für Datenschutz und Menschenrechte im Netz, wie es von der IG Kultur Österreich betrieben und unterstützt wird, mögen – oberflächlich betrachtet –  an entgegengesetzten Enden der Skala angesiedelt zu sein. Einig sind sich aber alle in der Forderung nach gerechter Entlohnung künstlerischer Arbeit. In einem verschärften Urheberrecht sehen die IG Kultur Österreich und viele andere jedoch ein untaugliches Mittel.

Das Urheberrecht ist einerseits ein Kind des emanzipatorischen Geistes der französischen Revolution, andererseits auch Abkömmling eines Druckerprivilegs, das königliche Zensurwünsche erst realisierbar machte. Und in diesem Feld spielt sich auch die jetzige Diskussion ab.

„Die Lebensgrundlage der Kunstschaffenden ist bedroht!“ ruft „Kunst-hat-Recht“. Ja, das war sie schon immer, nicht erst durch digitale Kopiermöglichkeiten im Netz. Das von der Initiative so apostrophierte „Kulturland Österreich“ bzw. dessen Kulturministerin hat die soziale Lage der Künstler/innen schon vor ein paar Jahren genau erheben lassen und festgestellt, dass Künstler/innen beschämend wenig verdienen (im Durchschnitt keine 5.000 € im Jahr für künstlerische Arbeit, keine 10.000 € im Jahr Gesamteinkommen).[1] Interessant wäre es zu wissen, wie viel von diesem Einkommen aus Urheberrechten lukriert wird. Diese Zahl ließe sich auch eruieren, wenn die Verwertungsgesellschaften und Produzenten (Verlage, Tonträgerhersteller...) die Grundlagen dafür zur Verfügung stellten, doch das tun sie nicht. Für die Verwertungsgesellschaften müsste es im ureigenen Interesse liegen zu kommunizieren, wie herrschaftlich es sich aus Tantiemeneinkünften leben lässt – wenn es denn so wäre.

Tatsächlich verteilen Verwertungsgesellschaften[2] den Löwenanteil ihres Kuchens nicht an Künstler/innen, nein. Produktionsfirmen (global gesehen: Medienkonzerne) sind die großen Nutznießer. Das ergibt sich schon aus den bestehenden gesetzlichen Grundlagen. Künstler/innen kommen auch nicht an zweiter Stelle, nein. Denn der längere Teil der gesetzlichen Schutzfrist liegt nach der Lebenszeit der Schöpfer/in. Kunststück: sie beträgt 70 Jahr post mortem auctoris. Wo also tatsächlich nennenswerte Erträge aus  urheberrechtlichen Vergütungen und privatrechtlichen Verträgen fließen, dort landen sie nur zu einem kleinen Teil in den Taschen der Künstler/innen – auch ohne Urheberrechtsverletzungen.


Woher kommt dann die plötzliche Dynamik für die Durchsetzung von Urheberrechten im Internet?

Einen Hinweis mag die auf der EU-Ebene vor kurzem erfolgte Verlängerung der Schutzfrist für Leistungsschutzrechte geben. Die Kommission, zuständig für Gesetzesinitiativen, ist sehr tätig in diesem Bereich. Im Fall der Leistungsschutzrechte hat sie nicht einmal mehr verschleiert, woher sie ihre Anstöße und ihre  Informationen bekam. Die meisten Quellenangaben in den Erläuterungen der Vorlage kamen von Interessenverbänden der Industrie, z.B. von der IFPI, dem internationalen Zusammenschluss der Tonträgerindustrie. Diese argumentierte treuherzig: Studiomusiker seien in ihren jungen Jahren so schlecht bezahlt für ihre Plattenaufnahmen, dass ihnen speziell im Alter die Verarmung drohe. Deshalb müsse die Schutzfrist von 50 auf 70 Jahre nach Aufnahme verlängert werden. Doch wer bezahlt Studiomusiker/innen eigentlich so schlecht, dass sie in Wirklichkeit schon in jungen Jahren meistens prekär leben?? Ob es den Musiker/innen hilft, wenn sie von einer Aufnahme, die sie mit 20 Jahren gemacht haben auch mit 71 Jahren Tantiemen erhalten können? Ja, ein bisschen schon, ein paar Kaffee gehen sich aus, wenn die Aufnahmen dann noch gefragt ist, was sehr unwahrscheinlich ist. Haben sich die Tonträgerhersteller deshalb so ins Zeug gelegt? Vielleicht ist es aufschlussreich, sich anzuschauen, welche Interpret/innen in den nächsten Jahren sonst „frei“, also Gemeingut, geworden wären...

Aus meiner Sicht sind lange Schutzfristen und ein „scharfes“ Urheberrecht für Künstler/innen eher ein Problem als ein Vorteil. Künstler/innen gehören zu den intensivsten Kulturkonsument/innen und zu denen, die auch am meisten für die Abgeltung von Rechten ausgeben plus Transaktionskosten im Zusammenhang mit der Abklärung von Rechten.  Auch das stetige Wachsen der Medienunternehmen verstärkt die ohnehin bestehende Waffen-Ungleichheit zwischen den potentiellen Vertragspartner/innen.

Ein Urheberrecht, das den Namen verdient, müsste in erster Linie diese Ziele verfolgen:

  • eine umfangreiche kulturelle Produktion
  • eine angemessene Abgeltung künstlerischer Arbeit
  • freien Zugang zu den Werken (was nicht heißen muss: zum Nulltarif)

Eine umfangreiche Produktion und eine angemessene Abgeltung für die Künstler/innen werden am ehesten durch kulturpolitische Maßnahmen erreicht, eventuell auch  durch ein Urhebervertragsrecht (obwohl es in Deutschland die Erwartungen nicht erfüllte) und eine Ausweitung der Leermedien­abgabe auf alle Datenträger, um die es geht.

Überwachungsmaßnahmen (Vorratsdatenspeicherung u.ä.) und Rechtsdurchsetzungsrichtlinien verhelfen den Künstler/innen aus den oben genannten Gründen nicht zu einem besseren Einkommen, richten aber insgesamt großen Schaden an.


[1] Schon in den 1970er und 1990er Jahren gab es Untersuchungen zur sozialen Lage in verschiedenen Kunstsparten, die lange vor dem Siegeszug des Internet höchst unerfreuliche Daten lieferten. Gerhard Ruiss weiß das, war er doch Initiator und Mitautor einiger davon.

[2] Abgesehen von Gesellschaften, die ausschließlich Künstler/innen als Bezugsberechtigte haben, z.B. die VDFS, die interessanterweise gar nicht als Unterstützerin von „Kunst hat Recht“ auftritt.

Juliane Alton ist Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg und Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich.

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Teil 25: Die engen Grenzen der Kunst. Von Elisabeth Mayerhofer
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Teil 23: Kulturpolitik machen – für eine Verteilungsdebatte, jetzt! Von Juliane Alton
Teil 22: Umverteilung jetzt! Von Elisabeth Mayerhofer
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Teil 20: Kunst irrt. Von Juliane Alton

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Teil 15: Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik: Ein Zwischenresümee. Von Gabi Gerbasits

Teil 14: Von Schönheitsfehlern und Mißtönen abgesehen. Von Gerhard Ruiss
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