Mitglieder-Kurzumfrage zu Teuerungen und Fair Pay

Heikle Rechenaufgaben, Sparstift oder ausreichend Ressourcen? Wir beschäftigten uns mit der Frage, wie es Vorarlberger Kulturveranstalter*innen aktuell bei bleibend hoher Inflationsrate und einem deutlichen Mehr an Personal-, Energie- und Materialkosten geht. Und wie sie Fair Pay handhaben (können) - im Rahmen der vom Bund ausgerufenen Strategie, die gemäß einer Gebietskörperschafts-Vereinbarung nun auch von den Bundesländern und den Gemeinden umgesetzt werden sollte. Ende des dritten Quartals erkundigten wir uns bei unseren Mitgliedern in einer Kurzumfrage und erhielten Antworten von 12 gemeinnützigen Kulturinitiativen zu deren aktueller Budgetsituation und zu Fair Pay.

Wir machten Ende des dritten Quartals 2023 bei unseren Mitgliedern eine Kurzumfrage zur aktuellen Budgetsituation und erhielten Antworten von 12 gemeinnützigen Kulturinitiativen, die sich umfassend zu den Wechselwirkungen von Subventionen, Teuerungen, professionellem Kulturmanagement, Ehrenamt und fehlenden kulturpolitischen Entscheidungen äußerten.
 

Zum Kontext

Gemeinnützige Kulturvereine standen mit Ausbruch der COVID-19 Pandemie im Frühjahr 2020 durch Veranstaltungsverbote und -einschränkungen und damit verbundene Einnahmenverluste vor der großen Herausforderung, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten. Trotz eines vorwiegend abwesenden oder lediglich digital teilnehmenden Publikums galt es, in Verbindung zu bleiben und auch den Kontakt zum Vereins-Team mit all den ehrenamtlich Engagierten zu halten.
Es kam durch das von der Regierung vorgegebene eingeschränkte Platzangebot bei Veranstaltungen, durch Verschiebungen oder gar komplette Absagen von Konzerten, Theaterstücken, Lesungen, Tanzaufführungen oder Ausstellungen zu erheblichen finanziellen als auch personellen Verlusten. Das Kulturressort des Landes Vorarlberg bot zu Beginn der Krise im Frühjahr 2020 an, Jahressubventionen rasch auszuzahlen, um Kultureinrichtungen Planungsperspektive zu geben. Das Versprechen wurde eingehalten, angesichts der Dauer der COVID-Krise benötigte der gemeinnützig tätige und nicht gewinnorientierte Kultursektor jedoch längerfristige Maßnahmen in Form von finanziellen Mitteln.

Jene Vereine, die die Förderkriterien erfüllten, konnten über den bundesweiten Unterstützungsfond für Non-Profit-Organisationen einen Struktursicherungsbeitrag ergattern, aber auch der hatte ein Ablaufdatum. Ende Oktober 2022 endete die Antragsfrist auf den letzten Quartalszuschuss. Insgesamt sieben Quartale der vergangenen drei Jahre wurden zur Berechnung von krisenbedingten Einnahmenausfällen berücksichtigt. Der gemeinnützige Sektor erhielt vom Bund insgesamt 823,9 Mio Euro an Struktursicherungsbeiträgen; an den Bereich Kunst und Kultur ging davon ein Anteil von 18,3%. Den geringsten Teil der Bundesmaßnahme nahm mit 3,9% Vorarlberg in Anspruch. Eine Übersicht dazu hier.
 

Ein Nein zu Personalmehrkosten für gemeinnützige Kulturarbeit

Im Gegensatz zum Fixkostenzuschuss für gewinnorientiert tätige Unternehmen wurden die Personalmehrkosten gemeinnütziger Einrichtungen allerdings über den NPO-Fonds nicht berücksichtigt - eine deutliche Schlechterstellung für den Sektor, der vor denselben Herausforderungen stand wie Wirtschaftsunternehmen. Die IG Kultur als Interessensvertretung unabhängiger Kultureinrichtungen kritisierte die NPO-Fonds-Richtlinien und wies mehrfach auf deren Reparaturen hin1.
Eine Weiterführung des NPO-Unterstützungsform wird es nicht geben, das Bundesmodell „NPO-Energiekostenzuschuss" oder kurz "NPO-EKZ"2 soll jedoch noch dieses Jahr Anträge gemeinnütziger Einrichtungen aufnehmen, die Richtlinien sind allerdings noch nicht ausgearbeitet.

Zusätzlich beeinflusst durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine Anfang 2022 stiegen die Lebenshaltungskosten in Österreich immens und im Fokus stand die Energiekrise und eine in die Höhe schnellende Inflationsrate. Die Abdeckung der damit verbundenen Mehrkosten im Bereich Personal, Mieten, Energie, Material und jeglicher Dienstleistung blieb und bleibt den Kulturvereinen noch immer überlassen und ringt den Verantwortlichen einen Spagat zwischen qualitativer Programmgestaltung, Verfügbarkeiten von Künstler*innen, Vermittler*innen, Techniker*innen und Kulturarbeiter*innen, angemessener und fairer Bezahlungen und dem Halten und Generieren des Publikums und Reagieren auf völlig neue Arbeitsrealitäten und vorausschauendem Agieren zum Wohle der Gemeinschaft.

Gleichzeitig wurde in Vorarlberg trotz hoher Ertragsanteile im Jahr 2022 von der Landesregierung beim Budget für Kunst und Kultur der Sparstift3 angesetzt. Schon zu Beginn dieses Jahres schien es eng zu werden für den unabhängigen Kultursektor. Neben hoher Inflationsrate steht immer auch Fair Pay und die Verringerung des Gaps auf der Agenda. Dazu braucht es nochmals Mittel, die eine vertrauensvolle, faire und dauerhafte Zusammenarbeit mit Angestellten des Kulturbetriebs gewährleisten. Ein Kulturbudgetplus von 2,41% in 2023 machte da jedoch keine Hoffnung.
Auf unsere Rückfragen bei den kulturpolitisch Verantwortlichen wurde uns mehrfach gesagt, dass die meisten Kulturvereine aufgrund des NPO-Unterstützungsfonds in 2022 Rücklagen bilden konnten, daher dürfe das Land Vorarlberg im aktuellen Kulturbudgetjahr „nicht überfördern und in Rücklagen hineinsubventionieren“. Wir fragten uns, ob es sich hierbei tatsächlich um Rücklagen oder vielmehr um Rückstellungen aus pandemisch bedingt verschobenen oder abgesagten Veranstaltungen handelt und wendeten uns im Frühherbst mit einer Umfrage an unsere Mitglieder, die auch ein generelles Stimmungsbild gaben. Zwölf Kultureinrichtungen antworteten, ausnahmslos alle erhalten Subventionen des Landes Vorarlberg4.
 

Hohe Kante oder Ebbe im Budget?

Die Kurzumfrage bestätigte, dass neun von zwölf unabhängigen Kulturvereinen weder über Rücklagen noch über Rückstellungen5 verfügen.

Survio-Grafik 1_Informationen zu Rücklagen und Rückstellungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Kultureinrichtung gab Rücklagen (in Höhe von 3% am Gesamtbudget) an, hierbei handelt es sich um eine gemeinnützige GesmbH, die im Gegensatz zum gemeinnützigen Verein durchaus Gewinne erzielen darf. Eine weitere Einrichtung bemerkte, über ältere Rückstellungen zu verfügen, die für kurzfristig finanzielle Bedarfe wie etwa Personalabgänge zur Verfügung stehen müssen. Die Beträge werden seit Jahren transparent in den Jahresabrechnungen ausgewiesen und sind unabhängig von Zuflüssen aus dem NPO-Fonds oder ähnlichen COVID 19-bedingten Unterstützungsmaßnahmen. Der dritte Kulturveranstalter gab Rückstellungen an, um verschobene Projekte und Sanierungen umsetzen zu können, auch hier geht es um zweckgewidmete Ausgaben, die nichts mit Mehrkosten aufgrund von Personalaufwendungen, Honoraren, Mieten, Material etc. zu tun haben. Darüber hinaus gab das Haus an, vorsichtig in der Budgetplanung sein zu müssen, was auf eine hohe Unsicherheit und kaum Handlungsspielraum gegenüber steigender Kosten hinweist.

Dementsprechend äußerte sich die Einrichtung mit rund 100 Veranstaltungen jährlich auf die Frage, inwiefern Teuerungen und Inflation Sorge bereiten, so: "Die aktuell erhöhten Kosten bei Energie, Spesen, Honoraren, Werbematerialien wie Foldern machen uns sehr zu schaffen. Außerdem gibt es immer noch Meldungen, dass die Inflation in Österreich steigt."
Auch die anderen befragten Kulturvereine äußerten ihre existenziellen Verunsicherungen:.
Survio-Grafik 2

Jeweils sechs Einrichtungen und damit 50% bestätigten, über nicht genügend Budgetmittel zu verfügen und gemäß einer professionellen Kulturarbeit Angestellte zu benötigen. Vier formulierten, dass der organisatorische Aufwand für ehrenamtliche Mitarbeit zu groß sei. Und ebenfalls für vier würden Ressourcen für die Themen Nachhaltigkeit oder digitale Transformation fehlen. Drei bestätigten, dass das Publikum ausbleibe und damit Mittel fehlten.
 

Bereits am Limit

Sieben Einrichtungen gaben an, Ende des dritten Quartals bereits am Limit zu sein, drei sagten aus, es zumindest teilweise zu sein. Lediglich ein Kulturverein bestätigte, noch über Mittel zu verfügen. Allerdings sagt diese Einrichtung aus, nur den engagierten Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen Fair Pay auszahlen zu können. Beim eigenen Personal sei das nicht möglich, da „das Geld fehlt!“
Neun Vereine äußerten sich explizit dazu, warum ihnen die Teuerungen zusetzen:

  • Weil wir dadurch nicht mehr Programm anbieten können. Es braucht aber unbedingt Diversität im Kulturangebot! - Interkultureller Verein motif
  • Weil alle Subventionserhöhungen in die Teuerungen fließen und das eine Entwicklung verunmöglicht. - Anonym
  • Weil aus Spargründen weniger Besucher*innen kommen.“- Anonym
  • Weil es keine entsprechenden Subventionsanpassungen gibt und die Eigeneinnahmen kaum erhöht werden können. - Spielboden
  • Weil alles 10% teurer wird, aber weder Sponsorings noch Eintritte noch sonstige Einnahmen sich einfach um 10% erhöhen lassen. - Poolbar Festival
  • Weil Mieten und allg. Kosten erhöht wurden und Mitarbeiter*innen fair bezahlt werden wollen. - walktanztheater.com
  • Weil wir die Löhne anpassen müssen und alle Diensteistungen teurer sind. Die Kosten für Mieten, Workshopleiter*innen, Caterings, Technik usw. steigen permanent. - Landesverband Vorarlberg Amateurtheater
     

Fair Pay

Auf die Frage, welche Dienst- und Personalleistungen fair entlohnt und honoriert werden können, gaben neun Einrichtungen an, Künstler*innen nach Fair Pay zu bezahlen, sechs bestätigten Fair Pay bei Fremdleistungen wie Technik oder Kulturvermittlung und lediglich fünf berücksichtigen faire Gehälter im Team. 

Survio-Grafik 3_Fair Pay Berücksichtigung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Warum nicht bei allen Beteiligten gemäß Fair Pay Schema ausgezahlt werden kann, begründen drei der befragten Kulturinitiativen so:

  • Weil es sich schlichtweg nicht ausgeht und dazu führen komplexe Zusammenhänge: Wir wollen auch regionale und junge Künstler*innen fördern, das ist fast unmöglich, weil wir mit diesen Veranstaltungen nicht genügend Eintrittsgelder lukrieren können. Somit entsteht ein Teufelskreis“, so ein Kulturverein mit Jahresbetrieb und über 100 Veranstaltungen jährlich. - Kammgarn Hard
     
  • Die Subventionen reichen bei weitem nicht aus, um den Betrieb im Fair Pay Modus auf allen Ebenen zu gewährleisten, auch wenn wir das mit aller Kraft anstreben und teilweise auch schaffen. Die BMKÖS-Fair-Pay-Förderung hatte hier 2022 geholfen, einen großen Fair Pay Schritt zu machen. Die Teuerungen bei gleichzeitig fehlender Inflationsabgeltung bei Subventionen `fressen´ das Budget. - Poolbar Festival
     
  • Es sind keine Anstellungen möglich, dafür fehlen die Budgetmittel für alle. Und dann kommen belastende Folgekosten bspw. für Steuerberater*innen. - walktanztheater.com
     

Notwendige Rahmenbedingungen für Fair Pay

An folgende Bedingungen knüpfen die befragten Kultureinrichtungen eine Zahlung gemäß Fair Pay:

•    „Wenn mehrere Fördergeber*innen ihren Anteil übernehmen.“ Theater am Saumarkt, Kammgarn Hard
•    „Wenn wir über eine Mehrjahresvereinbarung eine höhere Planungssicherheit erhalten.“ - Windwerk, Theater am Saumarkt, Kammgarn Hard
•    „Wenn Fördergelder gemäß Inflation valorisiert werden.“ - Theater am Saumarkt, Kammgarn Hard
•    „Wenn die Jahresförderungen unabhängig von Fair Pay-Mitteln fließen und valorisiert werden.“ - Spielboden
•    „Wenn ALLE Förderstellen mitmachen und nicht die Verantwortung auf andere abschieben.“ - Spielboden
•    „Wenn endlich berücksichtigt wird, dass auch die Organisation ein Management, einen Betrieb und auch Menschen braucht, die bezahlt werden müssen.“ - walktanztheater.com
•    „Wenn die Budgets erhöht werden.“ - Landesverband Vorarlberg Amateurtheater
 

Erwartungen an das Land Vorarlberg

Die abschließende Frage bezog sich auf den Bedarf von Unterstützung und Beratung, wobei auffallend war, dass sich 92% mehr vom Land Vorarlberg erwarten.

Survio-Grafik 4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Weiterführende Links und Quellen:

1https://igkultur.at/artikel/verlaengerung-corona-hilfen-fuer-kultur

2https://www.ekz-npo.at/

3https://vorarlberg.igkultur.at/politik/wider-die-transparenz-vorarlberger-kulturbudget-spiegelt-fehlende-fairness

4: Die Umfrage erfolgte im September 2023 und richtete sich an unsere rund 60 Mitgliedsinitiativen in Vorarlberg. 11 der antwortenden Mitglieder sind uns namentlich bekannt, eine Kultureinrichtung blieb anonym. Aus Datenschutzgründen behalten wir uns vor, die Angaben zu unseren Fragen anonym zu halten.

5: Begriffsdefinition laut www.daswirtschaftslexikon.com: Rücklagen und Rückstellungen sind bilanzrechtliche Begriffe, die die Kapitalherkunft, also die Passivseite der Bilanz betreffen. Rücklagen entstehen entweder durch Zuführung von Eigenkapital über das Nennkapital hinaus oder durch Einbehaltung von Gewinnen. Sie sind Teil des Eigenkapitals. Rückstellungen betreffen Verbindlichkeiten, Drohverluste und bestimmte Aufwendungen, deren Grund und/oder Höhe noch ungewiss ist. Sie werden dem Fremdkapital zugerechnet.

Inflationsrate: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/288914/umfrage/inflationsrate-in-oesterreich-nach-monaten/