Prof. Herwig Pöschl: 7. April 1950 – 22. Juli 2022
Das kulturelle Leben Österreichs würde ohne Herwig Pöschl heute anders ausschauen. Es wäre ärmer. Er hat viel zur österreichischen Kulturentwicklung beigetragen und damit mitgeholfen, dass das Feld der autonomen und selbstbestimmten Kulturarbeit heute einen Stellenwert einnimmt, wie er vor Jahren noch nicht denkbar war. An die 1000 Student*innen aus 60 verschiedenen Ländern haben die von ihm ins Leben gerufenen Ausbildungsschienen durchlaufen. Die Freie Kulturszene in Österreich wie auch die IG Kultur haben ihm viel zu verdanken.
Das kulturelle Leben Österreichs würde ohne Herwig Pöschl heute anders ausschauen. Es wäre ärmer.
Nicht nur, weil er Organisationen wie das Salzburger Institut für Alltagskultur (IAK), das Kulturforum Hallein, das italienische Forschungs- und Ausbildungszentrum „Fondazione Fitzcarraldo“ oder das „European Network for Cultural Administration Centres“ - ENCATC mit Sitz in Brüssel mitgegründet hat.
Nicht nur, weil er bereits 1988 einen der ersten ernstzunehmenden Kulturentwicklungspläne einer österreichischen Landeshauptstadt für Salzburg entwickelte (was u.a. eine deutliche Erhöhung des Budgets für die Freie Szene zur Folge hatte).
Nicht nur, weil er zur selben Zeit an der Feasability-Studie zur Dependance des Guggenheim-Museums in Salzburg mitarbeitete und die damals vor-sich-hindösende hiesige Museumsszene damit ziemlich aufscheuchte (das Projekt wurde letztendlich nicht realisiert).
Mit seiner 1989 in Oberösterreich zuerst als Diplom- und danach als Universitätslehrgang entwickelten mehrjährigen Kulturmanagement-Ausbildung sprach er vor allem Kulturschaffende der freien und autonomen Kulturszene an. Im „International Center for Culture and Management ICCM“ konnten sich viele, die über andere Betätigungsfelder oder learning-by-doing in den Kultur- und Veranstaltungsbereich kamen, jenes Wissen aneignen, das ihnen noch fehlte. Im Bereich der Betriebswirtschaftslehre mit Referent*innen der Uni Linz, im Bereich der Kulturtheorie mit Kulturdenkern und -politikern wie Hermann Glaser, Heiner Zametzer oder Burghard Schmid. Oder im Bereich der kulturellen Praxis mit Intendant*innen und Direktor*innen von Haydn-Festival oder Schloss Schönbrunn bis hin zu Leiter*innen soziokultureller Zentren oder von Geschichtswerkstätten. Es gab kaum ein österreichisches Kulturzentrum, das in diesen Jahren nicht jemandem aus seinem Leitungsteam in diese Ausbildung schickte. Rockhäuser, Theater, Kulturvereine am Land, Museen, Festivals und Projekte aller Genres.
Eine der Folgen war es, dass die Szene gegenüber Politik und Verwaltung an Wertschätzung gewann.
Eine weitere Folge war es, dass die monatlichen Treffen von Kulturgestalter*innen aus ganz Österreich den überregionalen Austausch beflügelten: Am ICCM fanden die Planungen zur Gründung der IG Kultur Österreich statt, am ICCM wurde der Forderungskatalog zur Etablierung einer eigenen Förderstelle für freie Kulturarbeit in der Kunstsektion des Bundes erarbeitet. Herwig Pöschl stand dabei immer als Berater und Bindeglied zu Politik und Verwaltung zur Verfügung.
1995 kehrte er mit der Ausbildung nach Salzburg zurück, wo er auch noch eine Sommerakademie für Kulturmanagement und einen Hochschullehrgang für Kulturjournalismus und kulturelle Öffentlichkeitsarbeit ins Leben rief. Eines seiner letzten großen Projekte für die Stadt, das gemeinsam mit der University of California und dem Komponisten Peter Wolfe geplante Masterstudium „SCORE: Music for Film & Media“ konnte er nach Jahren an der Donau-Universität-Krems realisieren. Salzburg hatte damals Wichtigeres im Sinn: Die Kulturstadt bewarb sich um eine Winter-Olympiade und ging damit krachend baden.
Begraben musste Herwig Pöschl damals seine Vision, das in der Parkanlage der ehemaligen Villa Trapp von der Arbeitsgruppe 4 (Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent und Johannes Spalt) errichtete Kolleg St Josef, einem Pionierbau österreichischer Architektur der 60-er Jahre, zu einem internationalen Zentrum des kulturellen Austausches und der kulturellen Bildung zu wandeln. Den finanziellen und organisatorischen Herausforderungen war der Visionär, den einige auch als nicht gerade einfachen Gesprächspartner beschreiben, aufgrund seiner gesundheitlichen Belastungen nicht mehr gewachsen.
2011 verlegte er seinen Wirkungsbereich nach Berlin, wo er zum Kunstkurator der Stadt Bernau ernannt wurde. Danach wurde es ruhiger um ihn. Seine angeborene Muskelkrankheit schränkte schließlich seinen Bewegungs- und Arbeitsbereich ein. Wegen dieser musste der gelernte Schlagwerker, der u.a. Komposition bei Mauricio Kagel, Iannis Xenakis und Karlheinz Stockhausen studierte sowie Percussion bei Christoph Caske schon in frühen Jahren seine musikalischen Tätigkeiten einstellen.
Am 22. Juli 2022 ist er in Berlin gestorben. Die Verabschiedung findet am 31. August am Heidefriedhof in Berlin-Mariendorf statt.
An die 1000 Student*innen aus 60 verschiedenen Ländern absolvierten die von ihm gegründeten Ausbildungsschienen. Viele haben ihm sehr viel zu verdanken – wie auch der Autor dieser Zeilen.
Das kulturelle Leben Österreichs würde ohne Herwig Pöschl heute anders ausschauen.
Gerald Gröchenig
P.S. Um seine Partnerin Ingrid bei den nun anfallenden Kosten zu unterstützen, haben Freunde und Absolvent*innen des ICCM eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Falls auch Sie sich daran beteiligen wollen, senden Sie bitte eine mail mit dem Betreff „Pöschl“ an gerald.groechenig@a1.net. Sie bekommen dann die weiteren Unterlagen zugesandt.