Raus aus dem Prekariat, hin zur Profession
Noch nie war der terminus „kulturvermittlung“ so sehr in aller Munde wie in den letzten Jahren. Es wird von einem Berufsfeld mit Zukunft gesprochen, Tagungen, Symposien, Lehrgänge und Vorträge beschäftigen sich mit dem Berufsbild und seinen Anforderungen. Selbst der ORF wird von Generaldirektor Alexander Wrabetz als „größter Kulturvermittler des Landes“1 bezeichnet – dies jedoch nur als launige Anekdote am Rande! Wir KulturvermittlerInnen müssten demnach die Früchte der jahrzehntelangen Pionierarbeit und unseres idealistischen Ansatzes ernten können. Tun wir das? Sind wir zufrieden mit dem, was erreicht wurde? Ja und nein. Die Antwort kann nicht eindeutig ausfallen, denn zu divers stellt sich das Feld immer noch dar, zu unklar sind oft Rahmenbedingungen, Anforderungsprofile und Arbeitsaufgaben, die von den jeweiligen Kulturinstitutionen bzw. Auftraggebern ausgegeben werden.
Um die aktuelle Situation der Kulturvermittlung besser verstehen und einschätzen zu können, bedarf es eines kurzen Rückblicks auf historische Meilensteine2 dieses doch noch relativ jungen Berufsbildes. Lange Zeit wurden die klassischen Museumsaufgaben – Erforschen, Bewahren und Präsentieren von Kunst – bereits als Vermittlungsarbeit gesehen. Die Entwicklung neuer Methoden und Sichtweisen zur bzw. auf die Kulturvermittlung vollzog sich in Österreich außerhalb der Institutionen und ist weitgehend auf das Engagement von Einzelpersonen und institutionsunabhängigen, freien Gruppen zurückzuführen3. Ab den 1990er-Jahren gelang es nach und nach, die Vermittlungsarbeit aus der freien Szene heraus in den Institutionen zu installieren. Diese veränderten Rahmenbedingungen bedeuteten einerseits nicht mehr ganz frei und nicht mehr ganz so institutionskritisch agieren zu können, andererseits eröffneten sie die Hoffnung auf eine neue Haltung gegenüber dem Berufsbild der KulturvermittlerIn. Gabriele Stöger erinnert sich in ihrem Eintrag vom 5. Dezember 2015 auf der Website von salon kulturvermittlung an die Anfänge der Kulturvermittlung: „(...) allerdings war eine Kulturvermittlerin vor 25 Jahren eine Pionierin, hatte noch die Möglichkeit, die geringe gesellschaftliche Achtung und deren ökonomisches Äquivalent der Neuheit des Berufsstandes zuzuschreiben, war nicht der Konkurrenz vieler überqualifizierter MitbewerberInnen ausgesetzt und konnte sich nicht auf die Tarifempfehlungen des Österreichischen Verbandes der KulturvermittlerInnen berufen.“
Die Kulturvermittlung ist heute beinahe in allen Kulturinstitutionen ein wichtiger Bestandteil der Publikumsund Kommunikationsarbeit. Größere Institutionen verfügen oft über ein oder zwei fest angestellte, leitende VermittlerInnen. Hinzu kommen Teams von mehreren VermittlerInnen, die auf Honorarbasis oder ebenfalls fest angestellt arbeiten. Darüber, dass freie Dienstverträge nicht nur nicht mehr zeitgemäß sind, sondern vor allem rechtswidrige Beschäftigungsverhältnisse darstellen, herrscht mittlerweile Einigung. Mit welchen Aufgaben die VermittlerInnen jedoch betraut sind, hängt oft davon ab, welchen Stellenwert die Vermittlung in den Institutionen hat. Der auf derStandard.at erschienene Artikel5 einer Kunsthistorikerin, die über prekäre Arbeitsverhältnisse als Kulturvermittlerin klagt, zeigt eine Seite der Beschäftigungsrealität und trifft dabei einen sensiblen Nerv.
Trotz der erfolgten Professionalisierungsund Fortbildungsschritte kann auf breiter Basis, in Hinblick auf finanzielle und arbeitsrechtliche Absicherung oder Karriereförderung, noch immer nicht von Kulturvermittlung als einem vollwertigen Berufsbild gesprochen werden. Eine Studie von educult6 gibt dazu interessante Einblicke: Nach zwei Jahren Forschung, von Mai 2011 bis April 2013, liegt der Abschlussbericht zu dem Projekt AEMS – Arts Education Monitoring System vor, dessen Ziel es war, „(...) eine Struktur zu entwickeln, die die Erfassung nationaler Daten zur Größe des Sektors der Vermittlung in Kulturinstitutionen anhand der Beschäftigten zulässt und auf europäischer Ebene einen Vergleich ermöglicht.“7 Zusammenfassend kam auch hier klar zu Tage, dass die Kulturvermittlung zwar ein hoch aktives und leidenschaftlich bespieltes Feld ist, dem jedoch in Arbeitsverträgen, Bezahlung und sozialer Absicherung keineswegs entsprechend Rechnung getragen wird. Eine bedeutende Rolle spielt dabei auch die Tatsache, dass europaweit keinerlei Einigung darüber besteht,
Diese veränderten Rahmenbedingungen bedeuteten einerseits nicht mehr ganz frei und nicht mehr ganz so institutionenkritisch agieren zu können.
mit welchen Aufgaben die Kulturvermittlung in den Kulturinstitutionen betraut ist und eine Vergleichbarkeit der Arbeitssituationen in den einzelnen Ländern erschwert.
Doch es soll nicht nur gejammert werden. Es gibt auch positive Entwicklungen zu beobachten. Mit dem österreichischen Verband der KulturvermittlerInnen im Museumsund Ausstellungswesen8 besteht eine äußerst aktive Interessensvertretung, die sich für Weiterbildung, Information und Optimierung der Arbeitsbedingungen einsetzt und wichtige Impulse für die Szene setzt. Einzelne Kulturinstitutionen, wie zum Beispiel das Essl Museum, hatten, was die Verankerung der Kunstvermittlung im Unternehmen betrifft, bereits früh Vorbildcharakter. So gibt es im Essl Museum seit 1999 fixe Anstellungen für alle KunstvermittlerInnen, die neben der rein personalen Kunstvermittlung auch inhaltliche Aufgaben im Museum, wie die Erstellung von Wandtexten, Katalogund Ausstellungsbegleitern und KünstlerInnenbiografien, inne haben.
Als es 2010 seitens der Krankenkasse zu einer Prüfung der Beschäftigungsverhältnisse der KulturvermittlerInnen in den Bundesmuseen kam, mussten die Häuser in Richtung Fixanstellung umdenken. Immer mehr, auch nicht staatlich geförderte Kulturinstitutionen, zogen nach. Leider gibt es jedoch bisher keine verbindliche Regelung unter den einzelnen Kultureinrichtungen, wie
mit den Besonderheiten des Tätigkeitsbereichs der Kulturvermitt-
lung in einem normierten Arbeitsverhältnis bestmöglich umgegangen werden kann. Das Technische Museum Wien hat sich mit Wencke Maderbacher, stellvertretende Abteilungsleiterin der Wissensvermittlung, dieser Aufgabe gestellt und eine durchdachte
und für alle Seiten faire Lösung gefunden. Ausgangssituation war
die gemeinsame Fragestellung „Wie wollen wir zusammenarbei-
ten?“ Klar war, dass gute Arbeit auch stabile Rahmenbedingun∂ gen braucht, die sich einerseits in einer Absicherung der Arbeitsplatzsituation widerspiegeln, andererseits in einer professionellen Regelung des Miteinanders durch Transparenz von Entscheidungen, offener Kommunikation und Entwicklungsmöglichkeiten der einzelnen MitarbeiterInnen. Unter diesen Gesichtspunkten erfolgte im Jahr 2010 der Umstieg von freien Dienstverträgen zu Angestelltendienstverhältnissen. Der Prozess war kein einfacher und brachte einige tiefgreifende Änderungen des Arbeitsalltags in der leitenden Abteilung sowie eine Reorganisation des Vermittlungsteams mit sich. Über die Jahre wurden diese Veränderungen und die damit verbundenen Maßnahmen in Feedbackgesprächen intern wie extern evaluiert. Die daraus resultierenden Ergebnisse liegen seit Anfang 2015 in Form eines Praxishandbuches9 vor. Diese, von Wencke Maderbacher verfasste, Publikation soll Institutionen helfen, den Umstieg zu fixen Anstellungen von KulturvermittlerInnen zu erleichtern und den Prozess optimal zu begleiten.
Befragt nach möglichen Nachteilen im Zuge der Umstellung berichtet Wencke Maderbacher von den Befürchtungen der KulturvermittlerInnen auf Verdienstentgang, „(...) da der Stundenlohn bei einem regelmäßigen Anstellungsverhältnis geringer ist als der Stundenlohn für Vermittlungen bei freien DienstnehmerInnen. Wenn nun aber alles eingerechnet wird, ist vor allem über das gesamte Jahr gerechnet, der Verdienst höher, da die MitarbeiterInnen immer ein gleichbleibendes Gehalt erhalten und alle Arbeitszeiten bezahlt werden (Vermitteln, Lernen, Besprechungen, Weiterbildungen, Organisation etc.) und auch Urlaub, Krankenstand, 13./14. Gehalt, Pflegefreistellung etc. nun inkludiert sind.“10 In Anbetracht der Erfolgsgeschichte des Technischen Museums Wien stellt sich die Frage, ob sich alles nur zum Besseren verändert hat. Wencke Maderbacher dazu: „Manche VermittlerInnen würden sich die Führungsthemen lieber selbst aussuchen, als sie per Dienstplan zu bekommen“ und „große Veranstaltungen, die sehr viel Personal gleichzeitig brauchen, sind teilweise schwieriger zu organisieren, da sie durch das Arbeitszeitgesetz Auswirkungen auf die gesamte Wochenplanung haben können.“11 Trotz des Verlustes an Flexibilität in manchen Bereichen gab es aber einen messbaren Qualitätszuwachs in Bezug auf die Entwicklung und Betreuung neuer Formate und Projekte.
Kaum ist der Umstellungsprozess zu fixen Anstellungen in vielen Häusern abgeschlossen, steht die nächste Veränderung an. Bereits seit einiger Zeit wird um einen Kollektivvertrag für KulturvermittlerInnen in Bundesmuseen gerungen. Es bleibt zu hoffen, dass es zu einer einheitlichen Regelung kommt, die für alle Beteiligten eine faire und annehmbare Beschäftigungssituation darstellt und Vorbildwirkung für weitere Kulturinstitutionen hat. Das Kapitel zur Professionalisierung der Kulturvermittlung ist somit noch lange nicht zu Ende geschrieben. Tatsache ist, dass wir die Zukunft unseres Berufsbildes mitgestalten können und entscheidend daran teilhaben, ob wir weiterhin in teils prekären Arbeitssituationen verharren oder den Schritt zu einem professionellen Berufsstand unternehmen.
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(1) http://kurier.at/kultur/medien/tv-quoten-august-orf-sender-mit-leichten… (2) Siehe ausführlich dazu: Goebl, Renate: Kunstund Kulturvermittlung – Berufsfeld im Wandel. Ein Bericht zur Entwicklung in Österreich, in: Viktor Kittlausz, Winfried Pauleit (Hg.), Kunst – Museum – Kontexte, Perspektiven der Kunstund Kulturvermittlung, Bielefeld 2006, S. 231 – 243 (3) Zum Beispiel wären zu nennen: Stördienst, Infrarot, Büro trafo.K in Wien; KOM.M.A. und KIM/Kinder im Museum in Innsbruck, perspektiva kulturservice in Linz; seegang und das Kunstwerk in Graz etc.
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(4) http://salon-kulturvermittlung.at/wie-beruhigend-oesterreich-an-der-spi… (5) Artikel im Standard von 4. November 2014: So prekär arbeiten Kunstvermittler in Österreich: http://derstandard. at/2000006478652/So-prekaer-arbeiten-Kunstvermittler-in-Oesterreich
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(6) AEMS – Arts Education Monitoring System, siehe: http:// educult.at/forschung/aems/ (7) Zitat, ebenda. (8) http://www.kulturvermittlerinnen.at
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(9) Wencke Maderbacher, Kulturfairmitteln Praxishandbuch Anstellung eines Kulturvermittlungs-Teams, Technisches Museum Wien mit Österreichischer Mediathek, 2014 (10) Zitat aus einer schriftlichen Befragung von Wencke Maderbacher per e-mail im Dezember 2015
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(11) Zitat aus einer schriftlichen Befragung von Wencke Maderbacher per e-mail im Dezember 2015