Unter dem Siegel der Nachhaltigkeit
Am letzten Satz des Mission Statements hätten sie lange gefeilt, sagt Jolanda de Wit. „Gelebte Kultur verändert nachhaltig!“, lautet der selbstbewusst mit Rufzeichen ausgestattete Satz, den man auf der Webseite des OKH findet. „Es ist ein schöner Satz“, findet de Wit, die im Offenen Kunst- und Kulturhaus Vöcklabruck als Büroleiterin und Co-Sprecherin aktiv ist. „Es geht um eine Kultur des Vorlebens. Kulturstätten haben eine Vorbildrolle, sie sollten sich dessen bewusst sein, dass sie prägend wirken."
Unter dem Siegel der Nachhaltigkeit
Mit Zertifizierungen können Kulturinitiativen ihre Bemühungen um nachhaltige Produktion glaubwürdig sichtbar machen und zu einem klimapositiven Kulturwandel beitragen. Drei Beispiele aus Oberösterreich, Salzburg und Tirol.
Am letzten Satz des Mission Statements hätten sie lange gefeilt, sagt Jolanda de Wit. „Gelebte Kultur verändert nachhaltig!“, lautet der selbstbewusst mit Rufzeichen ausgestattete Satz, den man auf der Webseite des OKH findet. „Es ist ein schöner Satz“, findet de Wit, die im Offenen Kunst- und Kulturhaus Vöcklabruck als Büroleiterin und Co-Sprecherin aktiv ist. „Es geht um eine Kultur des Vorlebens. Kulturstätten haben eine Vorbildrolle, sie sollten sich dessen bewusst sein, dass sie prägend wirken.“
In der Programmarbeit gehört es inzwischen zum guten Ton, dass sich Kunstvereine mit den Verwerfungen des Anthropozän und den „kritischen Zonen“ des Planeten befassen, dass Kulturinitiativen Kleidertauschbörsen, Waste-Cooking-Workshops oder „I am Greta“-Filmabende veranstalten. Das ist wichtig, weil Kunst und Kultur angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise eine entscheidende Rolle in der Transformation hin zu einer wirklich nachhaltigen Gesellschaft spielen können. In Deutschland formulierte der Kulturrat schon 2019, dass die Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit den 17 Nachhaltigkeitszielen „eine kulturelle Aufgabe“ darstellt, dass Kunst und Kultur „prädestiniert für diese Veränderungsprozesse“ sind.
Das OKH, das vor zehn Jahren das Alte Krankenhaus von Vöcklabruck übernahm und im Vorjahr für seine Arbeit mit dem Kunstpreis für Kulturinitiativen ausgezeichnet wurde, hat sich in der Vergangenheit intensiv auch mit der eigenen Produktionskultur beschäftigt. „Bei uns geht es um sehr handfeste Dinge“, sagt Jolanda de Wit zum eigenen Nachhaltigkeitsverständnis. „Klimakultur zieht sich nicht nur durchs Programm, sondern prägt auch, wie wir Kulturarbeit umsetzen.“ So richtet der Verein schon seit 2013 eigene Veranstaltungen als „KlimaKultur-GreenEvents“ aus. Richtlinien für „grüne“ Events gibt es in allen Bundesländern – von „G´scheit Feiern“ in der Steiermark bis „ghörig feschta“ in Vorarlberg. Das Netzwerk Green Events Austria des Klimaschutzministeriums hat dafür bundesweite Mindeststandards definiert. In Oberösterreich hat das Klimabündnis 15 Kriterien abgeleitet, die sanfte Mobilität, regionales Bio-Catering, den umweltgerechten Umgang mit Ressourcen und Abfall, Barrierefreiheit sowie klimapositive Kommunikation fördern sollen. Wer die Kriterien erfüllen will, darf Veranstaltungen mit dem „Green Event“-Logo bewerben.
Das OKH ist aber noch einen Schritt weitergegangen, hat das Haus 2018 einem umfassenden Klima-Check unterzogen, sich auf ein Maßnahmenpaket verpflichtet, das im gesamten Betrieb Klimaschutz umsetzen soll, und darf sich seither „Klimabündnis-Betrieb“ nennen. Was das für die konkrete Praxis bedeutet? Das OKH hat das Saallicht auf LED umgestellt und in neue Radständer investiert. Seinen Strom bezieht das Haus über die Stadt aus dem nur zehn Kilometer entfernten Schwanenstadt, wo er genossenschaftlich vom Ökostromversorger KWG erzeugt wird. Nur das Bier legt ein paar Extrakilometer zurück, kommt nicht aus dem nahen Zipf sondern von einer gemeinwohlbilanzierenden Braucommune aus Freistadt und ist natürlich ein Bio-Zwickl.
All das seien „simple Maßnahmen“, die das Publikum „subtil mitnehmen“ sollen, sagt Jolanda de Wit. Das gilt auch für den „Markt der Erde Vöcklabruck“, den das OKH-Team gemeinsam mit der im Keller des Hauses untergebrachten Foodcoop mehrmals im Jahr ausrichtet. Weil Märkte ein breites Publikum erreichen und weil es in Vöcklabruck selbst an Bioanbietern mangle. Das OKH setzt damit auch neue Standards, was heute unter kultureller „Nahversorgung“ zu verstehen sein könnte.
Umweltzeichen als Goldstandard
In Seekirchen am Wallersee, zweieinhalb Fahrradstunden südwestlich von Vöcklabruck, hat sich Leo Fellinger mit ähnlichen Herausforderungen auseinandergesetzt. Der von ihm gemeinsam mit seiner Frau Verena gegründete Verein Kunstbox, der 2005 das alte Emailwerk im Ort übernahm, darf als eine der ersten regionalen Kulturinitiativen das Österreichische Umweltzeichen für „Green Locations“ tragen – sozusagen der Goldstandard in Sachen zertifizierter Nachhaltigkeit. Erst 55 „Tagungs- und Eventlokalitäten“ im ganzen Land, darunter große Kongresszentren oder Hotels, haben die Zertifizierung nach dem „UZ 200“ geschafft. Für Kulturinitiativen gibt es keine eigene Unterkategorie, sehr wohl aber seit 2018 für Museen. Das Kunst Haus Wien, das Grazer Kunsthaus oder das Museum Niederösterreich dürfen sich bereits mit dem von Friedensreich Hundertwasser 1990 gestalteten Logo schmücken, das vom Klimaschutzministerium vergeben wird.
Nur für das Logo allein sollte man sich auf die Zertifizierung aber nicht einlassen, meint Leo Fellinger, der den Verein gründete, nachdem er mit seiner Familie aus Salzburg hierher aufs Land gezogen war. Als eine der ersten Aktionen brachte er damals Landart ins naturgeschützte Wenger Moor, heute gibt es im „Emailwerk“ engagiertes Mehrspartenprogramm, das aktuell unter dem Generalthema „Lebenswelten“ steht. Natur und Kultur, das war für Fellinger, der auch Experte für Elektromobilität, Fotograf und grundsätzlich neugierig ist, nie ein Widerspruch. „Man muss die Zertifizierung ernst meinen und mit Lust betreiben“, sagt er. „Sonst wird es einem langweilig, wenn man die 250 Punkte abarbeitet.“
Tatsächlich flößen die 76 Seiten mit Muss- und Soll-Kriterien in elf Kategorien – von „Management und Kommunikation“ über „Büro / Druck“ bis „Außenbereich / Freiflächen“ – auf den ersten Blick durchaus Ehrfurcht ein. Professionelle Beratung zur Umsetzung wird empfohlen, in allen Bundesländern sind dafür Förderungen zu haben. Für Fellinger war es ein „spannender Prozess“, für den man sich schon ein Jahr Zeit nehmen sollte. Die Veränderungen, die der Prozess im Emailwerk ausgelöst hat, reichen von den Gästetoiletten (Ist die Seife mit dem „Blauen Engel“ zertifiziert? Sparen Leinen- oder kompostierbare Papierhandtücher mehr CO2?) bis zur Heizung. Am aufwendigsten sei die Umstellung von Gas auf Fernwärme gewesen. Auch weil man dachte, das Heizen würde damit um fünfzig Prozent teurer. Angesichts der aktuellen Gaspreise sieht das Verhältnis inzwischen anders aus.
Mit der Zertifizierung ist das Thema Nachhaltigkeit im Emailwerk nicht erledigt. „Du lebst das dann jeden Tag“, sagt Fellinger, der auch in seinen Programmen versucht, nachhaltige Inhalte mit entsprechender Praxis zu verschränken. Gerade ist der Prototyp für das Projekt „Bike the Beat“ fertig geworden, das Jugendliche erreichen soll, die weniger auf Fridays für Future als auf „Schnittwoch“ abfahren. Bei diesem „Off Grid Experiment“ erzeugt das Publikum mit zehn Fahrrädern den kompletten Strom, den es für eine Party mit DJ braucht. Das Equipment können andere Veranstalter dann ausleihen – für Fellinger ein gutes Beispiel, wie Kulturinitiativen gesellschaftlichen Wandel anstoßen können. Auch die Repair Cafés im Salzburger Seenland hat seine Kunstbox einst initiiert. „Wenn wir als Kulturbetriebe Klimaschutz nicht vorrangig setzen, dann sind wir falsch gewickelt.“ Für derartiges Engagement sollte es auch Anreize im System der Kulturförderung geben.
Keine Angst vor Mehrarbeit
Siebzig Kilometer Luftlinie südwestlich des Wallersees, in St. Johann in Tirol in den Kitzbüheler Alpen, hat Isabell Huter einen Tipp für alle, die das Umweltzeichen für Green-Locations anstreben: „Das Wichtigste: Nicht abschrecken lassen!“ Huter arbeitet als Projektleiterin im Verein Musik Kultur St. Johann (MuKu), den der streitbare Tiroler Hans Oberlechner vor 30 Jahren gründete, um dem Massentourismus Zeitgenössisches in Form avancierter frei improvisierter Musik zur Seite zu stellen. Huter wird die Zertifizierung demnächst abschließen, auch sie rät zu professioneller Beratung. Am Ende sei sie überrascht gewesen, dass der Arbeitsaufwand gar nicht so extrem war.
Die dreißig Stunden Beratung habe die Wirtschaftskammer ebenso gefördert wie einen Energiecheck. Für eine neue Lüftung, die den Energieverbrauch reduzieren soll, kamen die Covid-Förderungen gerade recht. Viele Kriterien hätten sie ohnehin schon erfüllt, weil die Alte Gerberei, die die MuKu vor beinahe zwanzig Jahren auf Bankkredit gekauft hat, bereits über ein Recyclingsystem, über LED-Bühnenlicht oder barrierefreien Zugang verfügt. Schwerer habe man sich etwa mit den geforderten professionellen Schulungsunterlagen für die Mitarbeiter*innen getan, die bei MuKu oft ehrenamtlich tätig sind. Auch sanfte Mobilität sei schwierig, wenn nach 18 Uhr kein Bus mehr fährt.
Huter will in den nächsten Wochen die letzten offenen Punkte in das Online-System einpflegen, dann wird ein Prüfer die Angaben noch vor Ort verifizieren. „Mit Zertifizierung können wir das Bewusstsein der Besucher*innen und in der Region noch besser schärfen“, ist Isabell Huter überzeugt. Und wer noch mehr guten Rat zum Umweltzeichen brauche, könne sich auch einfach bei ihr melden, sagt sie: „Gerade was Umweltthemen angeht, ist das Zusammen wichtig. Wenn jeder sein eigenes Ding macht, wird sich nichts ändern.
Thomas Wolkinger lebt als FH-Lehrender für Journalismus, Journalist und Kulturarbeiter in Graz und hat 2021 mit Birgit Lurz und Wolfgang Schlag (Markt der Zukunft) – das „Playbook Klimakultur. Strategien für einen nachhaltigen Kulturwandel“ herausgegeben.