Tanz 1070/1030
Seit kurzem gibt es in Wien zwei neue Hallen, in denen Tanz stattfinden kann: Die Halle G im Museumsquartier und die Halle 1030 im 3. Bezirk. Jede Tanzfreundin kann sich über neue Spielstätten nur freuen. Spielstätten für Tanz sind nämlich äußerst rar.
Replik auf Helmut Ploebsts "Zerrisse", Kulturrisse 04/01, S.15
Seit kurzem gibt es in Wien zwei neue Hallen, in denen Tanz stattfinden kann: Die Halle G im Museumsquartier und die Halle 1030 im 3. Bezirk. Jede Tanzfreundin kann sich über neue Spielstätten nur freuen. Spielstätten für Tanz sind nämlich äußerst rar. Deshalb hat sich die Szene ja (in Form der ChoreographInnenplattform und der IG Freie Theaterarbeit) für die Errichtung des Tanzquartiers - letztlich erfolgreich - engagiert.
Die Gesamtkonzeption (die Trias von Studiobetrieb, Infobetrieb und Halle) wurde ebenso von uns entwickelt, wie die Umsetzung im Museumsquartier mit allen notwendigen und vielleicht auch unnotwendigen Kompromissen begleitet und unterstützt wurde. An der Ausstattung der Studios, der Konzeption der Betriebsorganisation und der Ausschreibung und Berufung der Leitungsfunktionen waren wir - oft in oppositioneller Funktion - beteiligt. Bei der feierlichen Eröffnung hat die IG Freie Theaterarbeit noch einmal den Standpunkt kundgetan, das Tanzquartier sei das Haus der ganzen Szene, die mit Recht alles von diesem Haus erwarte.
Hinter dem Forum ChoreographInnenplattform, die immer an vorderster Front dabei war, stehen natürlich auch Namen, nicht nur der des langjährigen Sprechers der Plattform Nikolaus Selimov vom Tanztheater Homunculus. Am ehesten ist die ChoreographInnenplattform mit denjenigen Companies zu identifizieren, die jetzt in der Halle G nicht auftreten. Das wirft eine Reihe von Fragen auf.
Die Stadt Wien (und der Bund) vergibt Subventionen an die genannten Tanzcompanies und verknüpft damit die Bedingung, eine bestimmte Anzahl von Produktionen zu erarbeiten und eine bestimmte Anzahl von Spieltagen in Wien zu spielen. Dadurch sind diese Companies gezwungen, erkleckliche Anteile ihrer Subvention für Raummieten auszugeben, da es - abgesehen vom WUK - kaum ausreichend große Räume gibt, die nicht horrende Tagesmieten kosten (z.B. Odeon: ca. 2.800.- Euro am Tag). Ist es sinnvoll, dass Museen, Universitäten, andere Theater und Private mit Raummieten durch die Tanzcompanies subventioniert werden, wo deren Budgets weder für eine angemessene Bezahlung der Tänzer/innen noch für gesetzeskonforme Arbeitsverhältnisse ausreichen?
Dass genau diese Companies nicht im Tanzquartier spielen "dürfen", könnte ein völlig normaler Vorgang einer autonomen Programmierung durch die künstlerische Leiterin sein. Zwei Dinge stehen dem entgegen: 1. Die Companies werden von der künstlerischen Leiterin als die "ältere Generation" apostrophiert und abgelehnt, ohne dass die Auseinandersetzung auf inhaltlich-künstlerischer Ebene stattfindet. "Alt" darf kein Argument sein und kann es auch angesichts der Tatsache, dass ausländische Companies dieser Generation durchaus bei der Eröffnung aufgetreten sind, nicht sein.
2. Anfragen bezüglich Bespielung der Halle G (z.B. für 20 Jahre Tanztheater Homunculus) gingen ins Leere, sie blieben schlicht und einfach ohne Antwort von Seiten des Tanzquartiers. Da gibt es also ein Kommunikationsproblem oder eine ins Gegenteil umgeschlagenen Diplomatie.
Helmut Ploebst hat schon vor längerer Zeit der Wiener Tanzszene pauschal Xenophobie vorgeworfen (Ballett-Tanz International 6/2000). Diesmal ("Zerrisse", Kulturrisse 04/01, S.15) ergießt er seine Häme immerhin nur über einen Teil der Szene. Es fragt sich, ob die Auseinandersetzung mit diesem Vorwurf überhaupt lohnt. Denn Ploebst hat damals zum einen den Inhalt einer kursierenden Karikatur ("Tanzszene Wien") schlicht nicht verstanden und in seinem Artikel grob missdeutet. Zum anderen erhebt er diesen Vorwurf wider besseres Wissen. Oder sollte er die Zusammensetzung der geschmähten Tanzcompanies nicht kennen?
Und zum von Ploebst eingeführten Begriff der "Subventionskaiser": Dass es zu den ungeschriebenen Gesetzen der Wiener Kulturpolitik gehört, dass ein einmal erreichtes Subventionsniveau möglichst immer fortgeschrieben wird, ist nicht den Subventionierten vorzuwerfen.
Was die kaiserliche Höhe dieser Subventionen betrifft, lässt sich folgender Vergleich anstellen: Es gibt in Österreichs freier Szene ungefähr 180 Tänzer/innen, Tanz-Performer/innen und Choreograph/innen. Sie leben und arbeiten mit Subventionen von Bund, Ländern und Gemeinden, die in Summe 22,2 Millionen Schilling (1998) ausmachen. Errechnet man einen Durchschnittswert Fördergeld pro Tänzer/in, ergibt sich ein Betrag von 123.000 Schilling. Das sind Produktionsgelder, die also auch in Technik, Administration, Mieten, Werbung etc. fließen.
An den Bundestheatern (Staatsoper und Volksoper) sind ca. 113 Tänzer/innen angestellt (Quelle: Bühnenjahrbuch). Der Bundestheaterkonzern gibt für seine Ballettensembles 38,5 Millionen Schilling aus (Bundestheaterbericht 1997/98), das entspricht 340.000 Schilling pro Tänzer/in - Aufwendungen, die nur in die Ballettensembles fließen, Strukturkosten sind da nicht enthalten.
Häme ist also nicht angebracht, wenn Tanzcompanies - welche auch immer - sich zusammenschließen und einen neuen, spannenden Ort bespielen. Von einem Tanzkritiker darf man sich erwarten, dass er Vorstellungen besucht, Kritiken schreibt und sich inhaltlich mit dem von ihm Kritisierten auseinandersetzt, unabhängig davon, ob er der Ploebstschen Generation angehört oder einer anderen.
Juliane Alton ist Geschäftsführerin der IG Freie Theaterarbeit).