Wechsel im Vorstand der IG Kultur Österreich 2002
Die Schlüsselebene der Kulturpolitik hat sich - naturgemäß - durch die Verwerfungen im politischen System Österreichs radikal verändert. Die einzige Kontinuität ist die fatale Ausgangsposition der Defensive in Sachen Kulturförderung, bedingt durch eine breite politische Achse, die schon vor dem Wechsel von der großen zur ganz kleinen Koalition auf Sparefrohpolitik und Rücknahme von Förderungen aller zivilgesellschaftlicher Formationen ruhte.
Bei der Generalversammlung der IG Kultur Österreich am 30. April 2002 wurde ein neuer Vorstand gewählt. Jede neue Vorstandsperiode setzt auch neue Akzente, die von den persönlichen Voraussetzungen und Prioritäten der handelnden Personen abhängen. Die Funktionsperiode des nunmehr ausgeschiedenen Obmanns Gerald Raunig war vordergründig von seinem Bemühen um den kulturtheoretischen Diskurs in Österreich und die Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit der IG Kultur gekennzeichnet. Dies mündete in die Gründung der Kulturrisse, in die Durchführung von Symposien und Konferenzen und der Herausgabe kulturpolitischer und -theoretischer Publikationen. Gerald Raunig war seit 1994 Vorstandsmitglied der IG und hatte ab 1998 die Funktion des Obmanns inne. Entlang seines "Abschiedsberichtes" bei der Generalversammlung lässt sich einiges über die letzten acht Jahre und den aktuellen Status der IG Kultur Österreich sagen.
Die Zusammenarbeit der IG Kultur Österreich und ihrer Landesvernetzungen kann heute als stabil beschrieben werden. In allen Bundesländern gibt es Landesorganisationen der freien Kulturarbeit, die je nach kulturpolitischer Lage und Konsolidierung der Szene auf einer Skala von ehrenamtlichem Aktivismus (Kärnten oder Burgenland) bis zur vorzüglichen Ausstattung mit Budget und Büro (Oberösterreich) reichen. Auch die Ebene der Koalitionspolitik mit benachbarten Organisationen wurde nicht zuletzt durch die Aktivitäten der IG Kultur selbst verstärkt. Anfangs waren das gemeinsame Aktionen mit der IG Freie Theaterarbeit und der IG AutorInnen (unter Titeln wie "Lauter, Gesindel!" oder "Die Kunst der Freiheit"). 1999 wurde als lose, aber relativ eng kooperierende Plattform die Kulturpolitische Kommission begründet, die sämtliche freien Interessenvertretungen in allen Bereichen des kulturellen Felds zusammenfasst.
Was an politischer Konkretisierung in der vernetzten Kulturverbandsarbeit nicht erreichbar war, wurde durch Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen außerhalb des kulturellen Felds ausgeglichen, vor allem nach den Nationalratswahlen 1999: Von der Mitarbeit beim aktivistischen Label gettoattack und der Konferenz sektor3/kultur im April 2000 bis zur Konferenz TRANSVERSAL vor zwei Monaten zieht sich eine Linie der sukzessiven Verbreiterung der politischen Kontexte, ohne dabei auf eine klare Positionierung als kulturpolitisch tätige Organisation zu verzichten. In dieser Beziehung hat sich die IG Kultur Österreich zu einem exemplarischen Modell progressiver Vernetzungsarbeit entwickelt, mit großem Einsatz bei temporären Plattformen, ohne Bewegungen repräsentieren, instrumentalisieren oder übernehmen zu wollen.
Durch die stärker nach außen gerichteten Veranstaltungen und Veröffentlichungen wurden Verbesserungen auf der Ebene der Öffentlichkeitsarbeit möglich. Die Erhöhung des Bekanntheitsgrads der IG Kultur gelang nicht durch klassisch interessenvertreterische Pressearbeit wie noch Mitte der 90er Jahre, sondern hauptsächlich durch politisch zugespitzte Positionierung und Veranstaltungen, die nicht nur der Nabelbeschau einer in die Jahre kommenden Szene dienten. In diesem Kontext lässt sich auch das Engagement und Lobbying für die Netzkulturinitiativen und Freien Radios verstehen; bis 2000 noch halbwegs erfolgreich, heute völlig erfolglos aufgrund der Rigidität des politischen Gegenübers, Franz Morak. Immerhin konnte in diesen Jahren der Grundstein dafür gelegt werden, dass sich neben dem Dachverband Freier Radios in Österreich auch das konsortium.Netz.kultur als Plattform der Netzkulturinitiativen etabliert hat.
Die Schlüsselebene der Kulturpolitik hat sich - naturgemäß - durch die Verwerfungen im politischen System Österreichs radikal verändert. Die einzige Kontinuität ist die fatale Ausgangsposition der Defensive in Sachen Kulturförderung, bedingt durch eine breite politische Achse, die schon vor dem Wechsel von der großen zur ganz kleinen Koalition auf Sparefrohpolitik und Rücknahme von Förderungen aller zivilgesellschaftlicher Formationen ruhte. Vor der Folie dieser äußerst schwierigen Position der IG Kultur, dem Meinungsmainstream wenig mehr entgegensetzen zu können als immer neue alarmierende Zahlen, die aber medial immer weniger aufgenommen wurden, haben wir in den Jahren 1997/98 einen umfassenden Forderungskatalog entwickelt, der in zwei Auflagen 1998 und 1999 unter dem Titel "Klimawechsel" herausgebracht wurde. Die Forderungen sind zu einem großen Teil nach wie vor aktuell, mit dem Regierungswechsel ist allerdings auf Bundesebene zunehmend der Verhandlungspartner abhanden gekommen.
Der neue Vorstand der IG Kultur Österreich wird sich hoffentlich in absehbarer Zeit mit einem konstruktiveren Gegenüber auseinandersetzen und die konfliktuelle Kooperation mit der offiziellen Kulturpolitik produktiv gestalten können. Bis April 2004 werden nunmehr unter dem Vorsitz von Bernhard Amann (Transmitter, Vorarlberg) Rubia Salgado (MAIZ, Linz), Sandra Abrams (IG Kultur Steiermark), Patricia Köstring (Depot, Wien), Udo Danielczyk (KUPF Oberösterreich) und Helene Schnitzer (Tiroler Kulturinitiative) die Vorstandstätigkeit wahrnehmen.
Für Bernhard Amann, der auch dem Dachverband der österreichischen Jugendzentren vorsteht, muss "das Verständnis von Kultur mehr denn je breit und partizipativ gefasst werden". Dieser Ansatz ist vor allem im Hinblick auf sein jugend- und sozialarbeiterisches Engagement verständlich. Die Aufheizung des verschlafenen gesellschaftspolitischen Disputes ist Grundelement seines öffentlichen Auftretens genauso wie der lautstarke Einspruch gegen die Einengung und Entmündigung der BürgerInnen durch den Staat, die ja nicht nur die Privatpersonen treffen, sondern auch auf relativ unabgesicherte gesellschaftliche Felder wie die Kulturarbeit durchschlagen. Bernhard Amann im Originalton: "Damit wird auch die Öffnung in Richtung MigrantInnen- und Jugendkultur weiter fortgesetzt, die sich nicht bloß auf Lippenbekenntnisse beschränken darf. Wir wollen eine tatsächliche Einbeziehung, die angesichts einer zunehmend repressiven Politik auch klar als Gegenposition erkannt wird."
Dieser Ansatz manifestiert sich in der Person von Rubia Salgado, die seit 1987 (mit Unterbrechungen) als Migrantin in Österreich lebt und 1994 den Verein MAIZ in Linz ins Leben rief. MAIZ setzt sich für die Verbesserung der Lebensumstände von MigrantInnen und die Stärkung ihrer politischen und kulturellen Partizipation ein. Die aktive Vernetzung mit Feldern migrantischer Kulturarbeit wird daher auch die neue Vorstandsperiode stark prägen. Udo Danielczyk, der seit 2000 als Ländervertreter im Vorstand fungiert, verfolgt vor allem gewerkschaftliche Interessen - als Geschäftsführer der Kulturplattform Oberösterreich ist er für die Mitglieder in eben diesen Bereichen aktiv. Seine tatkräftige Mitarbeit bei Fragen des Vereinsgesetzes, der Vereinsrichtlinien u.ä. wird daher auch weiterhin für das Büro eine wertvolle Unterstützung sein. Helene Schnitzer, die als Ländervertreterin neu in den Vorstand gewählt wurde, sieht ihren Schwerpunkt im Entwickeln von Strategien und Möglichkeiten, die Vernetzung und Kommunikation unter den Landesvernetzungen auszubauen, und Sandra Abrams wird bei der Mitgliederwerbung in Zusammenarbeit mit den Landesvernetzungen mitarbeiten. Patricia Köstring, das einzige in Wien lebende Vorstandsmitglied wird das Büro bei Terminen im Rahmen der kulturpolitischen Arbeit der IG Kultur unterstützen und - auf dem Hintergrund der eigenen journalistischen Erfahrungen - in der Redaktion der Kulturrisse mitarbeiten.
Der neue Vorstand hat in seiner Antrittserklärung festgestellt: "Wir alle haben mit Kürzungen und gesetzlichen Verschärfungen schwere Rückschläge erlitten. Die Verunsicherung unter den Kulturinitiativen ist groß. Deshalb sollen sich die Betroffenen auf ihren Dachverband umso mehr verlassen können". Stabilität und Kontinuität sind dafür elementare Voraussetzungen. Dass es zusätzlich schwerpunktmäßige Verschiebungen, Erneuerungen und Weiterentwicklung geben muss, dafür stehen die Veränderungen auf Vorstandsebene.