Das freistehende Einfamilienhaus als Auslaufmodel!?
Österreich verliert täglich Boden. Das entwickelt sich zu einem großen Problem, da Boden eine endliche Ressource darstellt und somit ein nicht vermehrbares und erneuerbares Gut ist.
In Zahlen dargestellt werden laut Umweltbundesamt pro Tag 11,5 Hektar Fläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke, aber auch für andere Intensivnutzungen in Anspruch genommen. Durch Verbauung und Versiegelung gehen biologisch wertvolle bzw. landwirtschaftlich produktive Böden dauerhaft verloren. Obwohl die Flächeninanspruchnahme in den letzten Jahren zurückging, ist sie aber weiterhin auf einem hohen Niveau und weit weg vom angestrebten Zielwert der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 und dem aktuellen Regierungsprogramm von 2,5 Hektar pro Tag bis 2030. Dem Ziel, den Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung zu reduzieren, folgt auch das im Oktober letzten Jahres beschlossene Österreichische Raumentwicklungskonzept 2030. Es räumt sowohl dem sparsamen und schonenden Umgang mit Ressourcen als auch dem Schutz der natürlichen Lebens- und Ernährungsgrundlagen eine hohe Priorität ein . Der europäische Zielwert strebt sogar eine Nettoflächeninanspruchnahme von null bis 2050 an . Dieses ambitionierte Ziel bedeutet nicht, dass nichts gebaut wird, sondern dass kein Neubau auf der „grünen Wiese“ erfolgen soll. Somit findet das Thema Bodensparen, dessen Notwendigkeit in der Wissenschaft schon lange bekannt ist, auch langsam in der Politik Einzug. Eine nachhaltige Reduzierung der Bodeninanspruchnahme ist von diversen Faktoren abhängig und stößt auf unterschiedliche Herausforderungen. Eine davon ist, dass viele etablierte Nutzungen einen hohen Flächenverbrauch aufweisen, wie Gewerbe- und Handelsagglomerationen, Betriebsgebiete, sowie die dazugehörigen Stellplätze, Verkehrswege und Einfamilienhaussiedlungen. Eine hohe Flächeninanspruchnahme pro Kopf lässt sich vor allem in Regionen mit einem hohen Anteil an Dauersiedlungsraum und günstigen Baugrundstückspreisen erkennen.
Ein nicht unwesentlicher Teil der täglich in Anspruch genommenen Fläche entfällt auf Wohnzwecke. Das Einfamilienhaus ist hierbei eine besonders flächenintensive Wohnform. Wenige Personen nutzen eine verhältnismäßig große Fläche, sprich eine hohe Bodeninanspruchnahme mit ineffizienter Nutzung. Diese Feststellung unterstreichen Zahlen aus dem Jahr 2019, als rund 41 Prozent der österreichischen Bevölkerung in einem Einfamilienhaus lebte. Pro Stunde kommen 1,74 neue Ein- bzw. Zweifamilienhäuser dazu . Dieser Trend scheint sich auch nicht so schnell zu ändern. Laut Umfragen ist für 62 Prozent der österreichischen Bevölkerung das Einfamilienhaus weiterhin die beliebteste Wohnform . Das Bewusstsein, dass das freistehende Einfamilienhaus zu den wesentlichen Treibern der Flächeninanspruchnahme zählt, scheint noch nicht ausreichend geschaffen zu sein. Wobei auch erwähnt werden sollte, dass Österreich in diesem Sinne bereits fertig gebaut ist. Was meint, dass wir für die nächsten Jahre keine neuen Einfamilienhäuser mehr bauen müssten, da viele der bereits gebauten Häuser leer stehen oder nicht dauerhaft bewohnt werden. Hinzuzufügen ist, dass nicht nur das Einfamilienhaus per se problematisch ist, sondern die Folgen geringer Siedlungsdichte sind mehr Versiegelung durch technische Infrastrukturen, die gleichzeitig auch ineffizient genutzt werden und hohe Erhaltungskosten für die Gemeinden. Einfamilienhaussiedlungen stellen zudem auch eine autoaffine Siedlungsstruktur dar, weil zumeist ein Großteil der Bewohner*innen auf ein oder sogar mehrere Autos angewiesen sind. Alle diese aufgezählten Tatsachen sind nicht mit den raumplanerischen Zielen einer kompakten Siedlungsstruktur und kurzen Wegen kompatibel. Das neugebaute, freistehende Einfamilienhaus steht damit in einem deutlichen Widerspruch zu einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung.
Es gibt viele (planerische) Argumente gegen das Einfamilienhaus, aber die Diskussion um dessen Zukunft wird sehr emotional geführt. Der Traum vom eigenen Haus ist ein legitimes Bedürfnis, dem subjektive Motivationen zugrunde liegen. In der Diskussion, neue freistehende Einfamilienhäuser zu verbieten, was grundsätzlich durch die Festlegung von entsprechender Bebauungsdichten möglich wäre, wird auch häufig das Grundrecht auf Eigentum ins Treffen geführt. Dieses Argument ist hier aber völlig fehl am Platz. So besteht für jeden weiterhin die Möglichkeit Bauland zu erwerben und Wohnraum zu schaffen. Dies sollte jedoch so stattfinden, dass mit unserer Lebensgrundlage Boden haushälterisch umgegangen und einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung in sich verändernden Umweltbedingungen Rechnung getragen wird.
Die meistgenannten Gründe für ein freistehendes Einfamilienhaus sind viel Platz, Ruhe, Abstand zum Nachbarn, Selbstbestimmung, eigener Grünraum, Individualität, etc. Ob diese subjektiven Wünsche vieler Häuslbauer*innen durch das Einfamilienhaus in dem erwarteten Ausmaß erfüllt werden können, sei zu hinterfragen. Verdeutlicht wird das am Beispiel der klassischen Einfamilienhaussiedlung, wo der Abstand zu einzelnen Häusern und die Ruhe nur augenscheinlich sind. Durch die vorwiegende Positionierung der Gebäude in der Mitte der Parzellen ist die Einsichtigkeit von allen Seiten gegeben und die Geräuschkulisse vergleichsweise höher als bei einer geschlossenen Bebauungsweise mit traditionellen Streckhöfen. Auch Baukultur und das äußere Erscheinungsbild, vor allem in ländlichen und alpin geprägten Regionen, sei an dieser Stelle nicht unerwähnt. So bringen Einfamilienhaussiedlungen aus Fertigteilhäusern bei weitem nicht die Qualität wie beispielsweise traditionelle Wohnhäuser, eingebettet in die dörflichen Strukturen.
Für einen Ausweg aus der Denkweise, nur das freistehende, seit den 1950er Jahren boomende Einfamilienhaus sei die ideale Wohnform, müssen Alternativen und Best-Practice-Beispiele aufgezeigt werden. Die Bedürfnisse und Wünsche der Häuslbauer*innen sind von Planer*innen zu sammeln und zu hinterfragen, um anschließend zu prüfen, ob nicht eine andere Siedlungsform diese gleichermaßen oder sogar besser erfüllen kann und zugleich flächensparender wäre. Auch die Sanierung und der Umbau vom Bestand spielt beim künftigen Flächenverbrauch eine wichtige Rolle. Ehemalige Wohn- und Wirtschaftsgebäude bieten viele Möglichkeiten für kreative Wohnkonzepte. Aber auch die Nachverdichtung im Sinne von Zu- und Ausbau wirkt sich positiv auf den Flächenverbrauch aus. Dabei sollte dem Mehrgenerationen- und Mehrfamilienhaus, welches vor 1950 weitverbreitet war, wieder mehr Bedeutung zu kommen. Dieses bringt neben einer höheren Wohndichte auch soziale Aspekte mit sich. Gründe, warum innovative oder altbewehrte Konzepte noch zu wenige umgesetzt werden, sind unter anderem Unwissenheit, kaum Auseinandersetzung mit Alternativen zum Einfamilienhaus und mangelnde finanzielle Anreize durch gezielte Förderungen. Der Bestand bietet eine Reihe an Potenzialen. Wie bei so vielen Themen geht es auch hier um Bewusstseinsbildung und um das aufmerksam machen für die Problematik, damit eine Veränderung im Flächenverbrauch erreicht werden kann. Eine gute Initiative, die gelungen Beispiele vor den Vorhang holt und Inspiration für Gemeinden und Bauwillige bietet, ist der Verein LandLuft . Beim letzten Baukulturgemeindepreis unter dem Motto „Boden g’scheit nutzen“, wurden innovative und nachhaltige Projekte ausgezeichnet und präsentiert.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Thema Bodenverbrauch gerade auf vielen Ebenen diskutiert wird, aber der Diskurs sicher noch breiter, bis hin zum künftigen Bauwerber geführt werden muss. Die Förderung eines Bewusstseins der Problematik unserer hohen Flächeninanspruchnahme und welchen Anteil die gewählte Wohnform daran hat, könnte wesentlich zur Reduzierung des Bodenverbrauches beitragen. Gefordert wäre
Univ.Ass.in DI.in Barbara Steinbrunner, MSc ist Universitätsassistentin am Forschungsbereich für Bodenpolitik und Bodenmanagement am Institut für Raumplanung an der TU Wien; Beiratsmitglied im Center ländlicher Raum