jammern auf hohem niveau – die kunst ist keine kommune
was habe ich mir nicht alles von pop/punk-kultur erwartet? rebellisch musste sie sein: gegen, gegen, gegen. ein für war noch undenkbar – dafür waren die freaks oder hippies, anfang der 1980er-jahre. in villach zählte es schon, gefärbte haare zu haben, die klamotten gab es nicht zu kaufen.
was habe ich mir nicht alles von pop/punk-kultur erwartet? rebellisch musste sie sein: gegen, gegen, gegen. ein für war noch undenkbar – dafür waren die freaks oder hippies, anfang der 1980er-jahre. in villach zählte es schon, gefärbte haare zu haben, die klamotten gab es nicht zu kaufen. kaputt – aber wer konnte damals schon nach london fahren? modepunks mit teuren reißverschlusshosen … punk – höre ich bei fashion hero mit claudia schiffer –, das war mal was mit ästhetik; etwas, das es heute in den modemainstream und sogar in den karstadtladen geschafft hat.
punk ist für meine freundinnen in mexico, berlin, ljubljana oder buenos aires noch immer eine versprechung, eine haltung – musik als freundin und organisatorin des undergrounds; lebensentwürfe fern der heterosexuellen norm. die herrschende ordnung mit all ihrer unterdrückung überwinden, musik machen, fanzines schreiben und kleben, dokumentieren – die geschichte des widerstands und punk in buenos aires in der zeit der diktatur. so weit weg – und doch, es gibt das haus in der nähe des rosaroten parlaments, in dem cristina kirchner residiert, das haus der madres de plaza del mayo. und es gibt 2011 die genehmigung, ein straßenfest zu machen. niemand hätte sich das vorstellen können, nicht ein jahr davor. und über peron oder kirchner am tisch zu sprechen – ein no go! bei aller freundschaft. in mexico hat fast jede_r beim erdbeben in den 1980er-jahren jemanden aus der familie verloren; in buenos aires haben fast alle, die wir getroffen haben, familienmitglieder, die verschwunden sind. der rio plata ist braun, schlammbraun. es ist schwer, nicht an die zu denken, die aus den flugzeugen abgeworfen wurden – lebend.
2013 repräsentiert nicht miley cyrus das bild der jungen widerständigen frau – jugend ist kein garant für nichts; auch nicht die abrissbirne als symbol der zerstörung. lady gaga verändert mit judith halberstam die welt und die sicht auf die welt – auf eine welt, in der wir zumindest wohnen, essen (trotz oder wegen der unverträglichkeiten), reisen und lesen können. gaga feminism: sex, gender, and the end of normal.
gaga-feminismus, peaches, amanda palmer – der spielerische umgang mit den mechanismen der popindustrie, den bildern des alltags, der behauptung der aneignung. chicks on speed als modepunks. die gitarre als klischee des plötzlich wiederkehrenden anspruchs an virtuosität. das uninteressante imitieren statt der verfremdung. die entfremdung im kampf um ressourcen. female pressure als kämpferin für die quote. die quote als forderung – nach kopf oder zahl? veranstalter, die sich unwohl fühlen oder sagen können, die frauen haben einfach zu hohe ansprüche. die wollen nicht für quasi nichts vor niemanden im komplett uninteressanten slot auf einer grottigen anlage spielen.
und dann nach über einem jahr kommt das mail rein. nadezhda tolokonnikova von pussy riot ist verschwunden. in russland geht das – auch 2013. menschen verschwinden, werden in entlegenste gebiete abgeschoben. homophobie wird gesetzlich verankert. punk ist nicht nur mode. irgendeine_r der sportler_innen wird bei den olympischen spielen mit einer „provokanten“ frisur auftauchen. was passiert mit den küssenden?
wladimir majakowskij schreibt in seinem manifest 1918: vielleicht werden künstler den grauen städtischen staub in bunte regenbogen verwandeln … vielleicht werden wir den wellen des ozeans befehlen, auf saiten zu spielen, die von europa nach amerika gespannt sein werden. eins ist gewiss – wir werden es gewesen sein, die das erste blatt in der geschichte der gegenwartskunst aufgeschlagen haben …