lunch zum picknick
lunch zum picknick – wenn die wilde gräfin zur erlustigung einlädt
oder: was kühe mit dem augarten zu tun haben
unlängst fand im wiener augarten eine art erlustigung statt – nicht am augartenspitz, wo jahrelang vergeblich gegen einen kristall (wir sprechen nicht über den tiroler clan und seine freakshow entourage) protestiert wurde, sondern in der ehemaligen augarten contemporary, die neuerdings thyssen-bornemisza art contemporary heißt. ein paar wochen lang gibt es jeden freitag dort picknick mit spoken word performance, musik, einer ausstellung und möglicherweise immer freien drinks und barbecue? on stage unter anderen: lydia lunch, genesis breyer p-orridge, carl-michael von hauswolff, zavolonka, pomassl und – von der punk-durchlaucht höchstpersönlich als „hottest, sexiest and most provocative artist“ angekündigt – fennesz, seit jahren einer der besten, die ich kenne. in einem interview sagt er: „the mixing process is like archaeology.“
eine stunde davor streift lydia lunch durch den picknick-fein hergerichteten vorplatz und fotografiert kleine buben und polizisten. „unschuldige“ buben und polizisten – manchmal in einer einstellung oder per ausschnitt so definiert, dass es die bilder verschwimmen lässt und es keine eindeutigkeit mehr gibt. jung/alt/gut/böse. daneben grasen zwei kühe. und jetzt wird es für mich undurchschaubar – auf den ersten blick. lydia lunch steht auf der bühne oder besser auf dem ephereropterae˜ pavilion und spricht über den tod, den krieg, den tod, den sex, den tod, den exzess, den tod, das überbleiben, den tod und die ganzen arschlöcher.
das publikum sitzt auf gemütlichen liegestühlen oder strohballen und applaudiert – manche haben sich einen picknickkorb geholt oder essen fish&chips. der tod redet lydia in rage: lydia lunch ist eine, die dir direkt ins gesicht fährt – eine spoken word performance mit lydia lunch ist keine lyrische oder poetische picknick-jause, es ist zum verzweifeln und zum weinen und zum explodieren. forschen und graben in den finsteren löchern der zwischenmenschlichen beziehungen, in den abgründen des eigenen begehrens, in dem unaussprechlichen vergangener und aktueller kriegsschauplätze – und niemals einfach nur ein effekt. lydia lunch sagt: „i would be humiliated, if i found out that anything i did actually became a commercial success.“
zurück zu den kühen: die aktuelle ausstellung beschäftigt sich mit leben und werk von gustinus ambrosi, bildhauer und poet, dem ersten artist in residency im augarten. ambrosi wurde von albert speer beauftragt, die skulptur jungfrau mit kuh zu schaffen. sie wurde nicht mehr fertig. die zwei kühe die jetzt im augarten grasen, sind angeblich direkte nachkommen der damaligen modellkühe in der nazizeit – kühe aus kitzbühel. das haben sich drei dänen als SUPERFLEX ausgedacht. die meisten leute, die bei den beiden friedlich grasenden kühen verweilen, sind mit ihren kindern da. der kontext wird sich wahrscheinlich erst langsam erschließen, wenn es zeit ist, sich auch die ausstellung über gustinus ambrosi mit vielen dokumenten und informationen von oliver rathkolb etc. anzusehen.
ephemeroptera heißt eintagsfliege. die kuratorin, die die einleitenden worte spricht, betont, dass das kunstengagement der stiftung nicht auf eintagsfliegen ausgerichtet sei, und dass man nachhaltig arbeiten will. lydia lunch sagt in einem interview: „i think my speeches are hilarious. i think i’m a natural comedian, but i like denying people the chance to laugh. i want to deny you the relief of the punchline.“ es war sehr schön …