No Copyright
Smiers, Jost/van Schijndel, Marieke: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift
Berlin: Alexander Verlag 2011
Joost Smiers, ein umtriebiger Protagonist in Sachen Europäischer Kulturpolitik, hat gemeinsam mit der Leiterin des Catharijnenkonvents in Utrecht, Marieke van Schijndel, eine Streitschrift zum Thema Urheberrecht herausgebracht. Die Kernthese ist provokant: Die Abschaffung des Urheberrechts wird gefordert, allerdings und insbesondere flankiert von einer stärkeren Durchsetzung (und einem weiteren Ausbau) des Wettbewerbsrechts sowie von Maßnahmen zur Marktregulierung, um allen Akteur_innen möglichst gleiche Voraussetzungen zu ermöglichen. Dies soll die Übermacht einiger weniger Großkonzerne der Medien- und Unterhaltungsindustrie brechen und allen Teilnehmer_innen gleiche Marktchancen eröffnen.
Um zu dieser These zu kommen, haben die Auto-r_innen zunächst eine Beschreibung des Status quo gegeben, in der sie Urheberrechte aus einer umfassenden, globalen Perspektive betrachten. Im Text konzentrieren sie sich dann auf künstlerische und kulturelle Erzeugnisse, deren Zugänglichkeit ihrer Meinung nach eine Voraussetzung für funktionierende Demokratien und Ökonomien ist. Damit eine aktive Auseinandersetzung – die die Adaptierung einschließt – mit kulturellen Gütern auch weiterhin möglich ist, fordern sie eine Abschaffung des Eigentumsrechts: „Das Urheberrecht muss abgeschafft werden, und es muss dafür gesorgt werden, dass es keine marktbeherrschenden Kräfte mehr gibt, weder in der Produktion noch in der Distribution noch beim Marketing“ (S. 86). Denn wenn Kunst und Kultur soweit im öffentlichen Interesse liegen, dass sie mit hohen Summen gefördert werden, dann muss auch der freie Zugang gewährt bleiben, und die Werke dürfen nicht privatisiert werden.
Der Ansatz, bei einer Neufassung des Urheberrechts das ökonomische Umfeld zu berücksichtigen, schließt eine Lücke in der deutschsprachigen Diskussion, die weitgehend von rechtlichen Argumenten bestimmt ist. Insofern ist der Text, der sich an ein breiter politisch interessiertes Publikum und nicht nur an Spezialist_innen wendet, außerordentlich begrüßens- und lesenswert. Seine Schwäche liegt jedoch in der Großzügigkeit, mit der über Details hinweg gegangen wird – wenn beispielsweise Copyright und Urheberrecht über einen Kamm geschoren werden, mit dem Argument, bei einer Abschaffung würden ohnehin beide fallen. Auch bei den Marktregulierungsmechanismen bleiben die Autor_innen vage bis naiv, wenn sie auf eine Lösung über Verhaltenscodes hoffen, die sich in einem ausgeglichenen Markt dann schon entwickeln würden. Dies scheint einigermaßen blauäugig, ebenso wie die Prognosen vom Untergang der großen Stars und der Blockbuster zugunsten kleinerer, lokal orientierter Produktionen.
Ungeachtet der Schwächen im Detail bezweckt das Buch vor allem einen provokanten Beitrag zu einer zentralen Umverteilungsdebatte. Dies ist den Autor_innen zweifellos gelungen, und der breite Blick, der sowohl über die westlichen Industriestaaten hinausgeht, ist dabei ebenso positiv zu vermerken wie der Ausblick auf andere Gebiete, wo ebenfalls geistige Eigentumsrechte zum Tragen kommen wie Patente für Saatgut oder Medikamente. Das umfangreiche Literaturverzeichnis liefert dazu noch zahlreiche Hinweise für eine Vertiefung. Allerdings wäre der Denkanstoß mit ein wenig mehr Sorgfalt im Detail und einer besseren Übersetzung ins Deutsche noch besser gelungen.
Smiers, Jost/van Schijndel, Marieke: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift
Berlin: Alexander Verlag 2011