Wie politisch ist politische Kulturarbeit?Was
Was bedeutet der Begriff der politischen Kulturarbeit für verschiedene Menschen? Was in verschiedenen Phasen? Welche Konzepte gibt es und was wird mit ihnen verknüpft?
Für manche ist der Begriff der politischen Kulturarbeit nostalgische Erinnerung an die eigene Jugend. Er erinnert an die Anfänge des WUK oder der ARGE Nonntal, an nächtelange Diskussionen über basisdemokratische Organisationsstrukturen und ausgefeilte Rotationsmechanismen und an die Vorstellung, dass ein richtiges Leben im falschen möglich ist, dass sich gewaltfreie Kommunikation und Tausch ohne Bereicherung in der Nische des Kulturzentrums verwirklichen lassen.
Für manche war das Konzept der politischen Kulturarbeit kennzeichnend für den steten Niedergang der linken Bewegung. Vom Anspruch auf Weltveränderung zum Rückzug in die Nischen. Von den Fabriken in die Kulturzentren. Von der Revolution zur selbstverwalteten Fahrradwerkstatt.
Für manche ist das alles Schnee von gestern, mega-out sozusagen. Uncoole StrickpulloverträgerInnen, die keine Ahnung davon hatten, wie viel Spaß die Creative Industries machen.
Manche meinen, dass hier etwas erhalten werden sollte. Eigene Pfründe etwa, lang erkämpfte Räume, Arbeitsplätze.
Oder aber auch ein Konzept von politischem Widerstand, der sich im kulturellen Feld manifestiert. Für den es kaum sinnvolle Definitionen, wohl aber strategisch verwendete Kampfbegriffe gibt. Wie eben politische Kulturarbeit. Oder Gegenöffentlichkeit.
Doch für welchen Kampf stehen diese Begriffe? Am Beginn war es wohl oft der Kampf um Räume, um physischen Platz für diejenigen, denen die etablierten Kunstinstitutionen nicht offen standen. BetreiberInnen von Kulturzentren verstanden sich als diejenigen, die für diese Räume sorgten, aber sie selbst nicht bespielten. Und da eine sehr hörbare und sichtbare Kulturszene nötig war, um die Forderung nach solchen Räumen überhaupt durchzusetzen, war es normalerweise keine Schwierigkeit, sie im Anschluss daran auch zu füllen. Physische Räume gibt es heute zumindest im urbanen Gebiet genug. Und eine hörbare und sichtbare Kulturszene füllt sie mit ihren Beiträgen zu einer Eventkultur, die längst nicht mehr nur die großen Institutionen und Strukturen umfasst. Politische Ansprüche sind in diesem Kontext ebenso rar gesät, wie bei den Gruppen und Grüppchen, die seinerzeit hart erkämpfte Räume der Kulturzentren aufgrund günstiger Mietpreise nutzen.
Die Forderung nach Raum, soll sie denn gültig bleiben, muss also andere Konnotationen entwickeln als die der gebauten Struktur. Recht auf Raum als Recht auf Sichtbarkeit etwa. Als Recht auf Öffentlichkeit. Die Räume, um die es hier geht, können örtlich oder zeitlich gedacht werden, auf öffentlichen Plätzen, im Radio oder im Internet. Und natürlich geht es auch um finanzielle Spiel-Räume. Aber: Offene Räume, egal ob physisch und/oder als Öffentlichkeit gedacht, sind zu wenig als Garant für politische Kulturarbeit; denn die Grenzen zwischen Establishment und Gegenbewegung, zwischen kommerzieller und politischer Kultur, zwischen Systemerhaltung und Systembekämpfung sind verschwommener geworden. Auch Widerständisches fügt sich den Gesetzen der Marktwirtschaft, die kritische Szene hat sich "professionalisiert". Ohne Spaß keine Aufmerksamkeit. Fun and politics heißt die Devise - Tanzen gegen die Regierung. Vom Museumsquartier bis zu sich kritisch verstehenden Kulturinitiativen - die Sprache, in der um Publikum und Öffentlichkeit geworben wird, ist zumeist gleich, auch das Angebot unterscheidet sich immer weniger. Die Konkurrenz um öffentliche Aufmerksamkeit scheint zum Selbstzweck zu werden.
Aber: Das Politische bemisst sich laut Gramsci an seinem Verhältnis zu Hegemonie. Politischer Widerstand besteht also in der Entwicklung gegenhegemonialer Projekte. Die Herstellung von Öffentlichkeiten ist nun zwar Voraussetzung für derartige Projekte, erschöpft sich aber nicht darin. Wenn sich Formen wie auch Inhalte politischer Kulturarbeit immer weniger vom Mainstream unterscheiden, wenn basisdemokratische Entscheidungsprozesse von professionellem Management abgelöst werden und den Programmschienen nicht mehr anzusehen ist, ob sie vom Museum moderner Kunst oder vom WUK konzipiert wurden, dann ist in Frage zu stellen, ob der Übertitel "politische Kulturarbeit" per se bereits einen gegenhegemonialen Anspruch begründet. Dann gilt es, Inhalte zu diskutieren - es gilt zu politisieren und zu theoretisieren. Auch wenn dies neue Konfliktlinien aufwirft, die den strategischen Gebrauch dieses Begriffs vielleicht verunmöglichen, auf jeden Fall aber erschweren. Denn ein strategischer Begriff ohne dahinterstehende Strategie ist nicht mehr als eine Worthülse, durch die das hegemoniale System nicht angegriffen wird, sondern die es ihm im Gegenteil ermöglicht, sich seine Toleranz gegenüber KritikerInnen auf die Fahnen zu heften.
Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre sind Mitglieder von FOKUS, Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien.