Leider kommt es aber immer wieder dazu, dass insbesondere liberale und konservative PolitikerInnen der glorreichen Idee nachsinnen, Langzeitarbeitslose, schwer Vermittelbare und AsylwerberInnen zu gemeinnütziger Arbeit zu verdonnern – und zwar auf dem Niveau der Arbeitslosenbezüge.
Die gegenwärtigen Bemühungen, lieber von „freiwilligem Engagement“ zu reden, markieren somit eine spezifische Sprachgrenze, an der zugleich vom Amt Abstand genommen und der Begriff in Richtung neoliberale Persönlichkeitsentwicklung hin verschoben wird. Fortan sollen die individuellen Züge vorteilhaft in Erscheinung treten. Damit auch die Generation Praktikum Höhepunkte in ihren Lebensläufen haben darf.
Auf den zweiten Blick wird allerdings schnell klar, dass hinter dem Titel und der Fragestellung nicht die erwartete Provokation steckt, sondern dass es sich hier um einen weiteren affirmativen Beitrag handelt, der „bürgerliches“ Engagement aufgrund einer maroden Sozialstaatlichkeit zur Aufrechterhaltung des „deutschen Lebensstandards“ ausnützen will.
Die mit dem System der Lohnarbeit verbundenen sozialen Kämpfe haben seit ihren Anfängen bis zirka Ende der 1970er Jahre zu massiven Verbesserungen für die Lohnabhängigen geführt, gleichzeitig aber dazu beigetragen, das System der Lohn-Erwerbsarbeit fundamental in unserer Gesellschaft zu etablieren.
Wohl bewusst, dass aktuelle sozialtheoretische Diagnosen ehrenamtliche Arbeit im Verhältnis zu Prekarität, Erwerbsarbeitslosigkeit und un- bzw. unterbezahlter Produktivität besonders von Frauen kritisch betrachten, möchte ich in einer ersten Skizze affirmative Aspekte zur Diskussion stellen. Seit Jahrzehnten „fröne“ ich unbezahlter politischer Arbeit und damit ist jener Teil feministischer Politiken gefasst, der auf weibliche Autonomie, Kritik am männerdominierten und kapitalistischen System, strukturelle Veränderungen, den Kampf für die Rechte aller Minderheiten, Bezugnahmen unter Frauen und subversiven Widerstand gesetzt hat.
Dieses neue Sozialmodell, das „das eigenverantwortliche Engagement der Bevölkerung zu erzwingen sucht“ (Kocyba 2004: 20), bildet den Referenzrahmen arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Restrukturierung, vor deren Hintergrund sich auch verstärktes politisches – und wissenschaftliches – Interesse an Freiwilligenarbeit artikuliert.
„Ehrenamtliche Arbeit“ ist ein wohlvertrauter Terminus, wenn es um das unbezahlte Engagement für ein soziales, gesellschaftliches oder politisches Anliegen geht. Dieses Sich-Engagieren von Einzelnen wird häufig getragen von einem politisierten Selbstverständnis, gerade wenn mensch sich bei gesellschaftspolitisch orientierten Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) einbringt.
Der ständige Verweis auf die Unbezahlbarkeit der Arbeit suggeriert, dass Arbeit schon deshalb wertvoller und humaner ist, weil sie nicht bezahlt wird und (scheinbar) nicht bezahlt werden kann. Verschwiegen wird, dass in Zeiten von hoher Erwerbslosigkeit, von Sozialabbau und Einsatz des Rotstiftes vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich Alternativen zur „Freiwilligen“ unbezahlten Arbeit für viele „freiwillige“ ArbeiterInnen gar nicht zur Verfügung stehen.
„Reiche Eltern für alle“ nannten die bundesdeutschen Nachwuchssozialdemokraten (Jusos) ihre Info-Tour, einen Juso-Beitrag zum Bundestagswahlkampf. Es gelte, „Antworten“ auf die hochschulpolitischen „Herausforderungen“ der Gegenwart zu finden.
„Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es für die Europäische Union besonders wichtig, den Wert des freiwilligen Engagements anzuerkennen.“ So formulierte die EU-Kommission Anfang Juni in ihrem Vorschlag für eine Entscheidung des Rates eines ihrer Motive dafür, das Jahr 2011 zum „Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit“ zu erklären.